laut.de-Kritik

Die Fackel für engagierten Rap lodert weiter.

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Mit "Soul On Ice" legte Ras Kass 1996 sein gefeiertes Debüt ab. Songs wie "Nature Of The Threat" erwiesen sich als auditive Geschichtsstunden über die Entwicklung des Rassismus. 23 Jahre später steht die Demokratie in den Vereinigten Staaten auf der Kippe. Im Fahrwasser eines zwischen Irrsinn und Kalkulation mäandernden Präsidenten schwingen sich evangelikale Christen und Vertreter der Alt-Right zu Kulturkämpfern auf. Eine Fortsetzung sei laut Pressetext deshalb dringender denn je: "'Nature Of The Threat' still more relevant than ever. Hate crimes multiply, Christians with red hats."

Zum "Silver Anniversary" hat Ras Kass keine Zeit zu verlieren. Im Schnelldurchgang verhandelt er Polizeigewalt, Geschichtsrevisionismus und Reaganomics sowie die Marktsituation für Indielabels. Während sich die Welt vieler junger Künstler um Belanglosigkeiten dreht, hält er die Fackel für engagierten Rap hoch. Dass der Kalifornier aus einer anderen Generation stammt, demonstriert er aber auch mit dem einen oder anderen arg antiquiert wirkenden Vergleich: "Rappers can't rap, they are just Milli Vanilli."

Seine Stärken liegen aber ohnehin in den explizit politischen Songtexten. "White Power" lässt zu Beginn rechtsextreme Gruppen Slogans skandieren. Mit scharfer lyrischer Klinge zerlegen Ras Kass und Immortal Technique anschließend die Ideologie der White Supremacy, die sich gegen den Weltfrieden richtet und letztlich nur Selbsthass bedeutet. Den rassistischen Kern hinter der zunehmend von Politikern geschürten Angst vor Immigranten offenbaren sie mit einem einfachen Widerspruch: "Hate immigrants but they all immigrated from Europe." Doch die beiden Rapper bemühen sich, dem Trend etwas entgegenzusetzen: "We march for equality."

In der Vorabsingle "Grammy Speech" hält Ras Kass seine in Versen formulierte Rede für den fiktiven Grammy-Sieg in der Kategorie 'Album des Jahres'. Während er mit der Musikindustrie abrechnet, lässt er wenig Interpretationsspielraum, wem seiner Ansicht nach das goldglänzende Grammophon gebührt: "So I accept this award on behalf of the true MCs." Diamond D unterlegt die Ansprache mit fiebrigen Streichern als Teil eines treibenden Instrumentals, das gleichermaßen eine Auszeichnung einzufordern scheint. Doch der Rapper gibt sich sicher, niemals in dieser Form geehrt zu werden.

Dabei kündet zumindest aus die imposante Gästeliste von einem gewissem Ansehen unter Genre-Kollegen. Nicht umsonst spricht Mello Music von einem "Hall of Fame Lineup". Gemeinsam mit Snoop Dogg genießt Ras Kass kalifornische Vibes in "LL Cool J". Everlast sorgt für jazzige Entschleunigung in "The Long Way". Während Cee-Lo Greens ohnehin markante Stimme in "Midnight Sun" mithilfe technischer Spielereien einen extraterrestrischen Anstrich erhält, holen Styles P und Lil Fame das Geschehen mit bewährter Hardcore-Haltung auf das Rap-Schlachtfeld zurück ("Guns N Roses").

Pete Rock hinterlässt als Gastproduzent dagegen wenig Eindruck ("Can U Feel It"). Abgesehen davon überzeugen die Instrumentals durch die Bank. Astronomische Phänomene wie "Midnight Sun" und "Street Superstar" erhalten eine angemessene galaktische Grundlage. DJ Green Lantern steuert für "F.L.Y." eine verlangsamte Variante von Sidos und Savas' "Normale Leute" bei. "White Power" und "Guns N Roses" stampfen derart durch die Gehörgänge, dass sie sich auch in die "Snowgoons Infantry" eingefügt hätten. Einzig "Trapped Music" rückt an ein moderneres Soundbild heran.

Untermalt von einem Piano spiegelt "Opioid Crisis" abschließend sowohl das Abrutschen in die Drogensucht als auch den Abstieg der US-Gesellschaft insgesamt. Ras Kass lässt sich über das Gefängnissystem ("Got more people in prison than living in Wyoming and Soth Dakota combined.") und Pharmaunternehmen aus, die jährlich mehr Menschen töten als der IS. Doch auf der Hälfte des Songs stoppt er den freien Fall, lässt einen Funken Hoffnung aufglimmen und fordert im Epilog etwa mehr Frauen in Regierungsverantwortung und ruft zur Unterstützung der MeToo-Bewegung auf.

So gibt der stets als Anwalt der Marginalisierten auftretende Ras Kass doch noch einige Impulse der Zuversicht in Krisenzeiten und setzt im Hinblick auf das pessimistische Ende seines Debütalbums "Soul On Ice" einen versöhnlichen Schlusspunkt: "First album ended with me in the booth getting smoked. This time I wanna leave you with hope. Mit "Soul On Ice 2" verdient es der chronische Unterschätzte, nach einem Vierteljahrhundert endlich seine Lorbeeren einzufahren: "You ain't gotta like me, but you better respect me. You ain't gotta love me, but you never forget me."

Trackliste

  1. 1. Silver Anniversary
  2. 2. Grammy Speech
  3. 3. Midnight Sun (mit Cee-Lo Green)
  4. 4. F.L.Y.
  5. 5. Street Superstar
  6. 6. White Power (mit Immortal Technique)
  7. 7. Shark Week
  8. 8. Wxt Thv Shxts
  9. 9. The Long Way (mit Everlast)
  10. 10. Guns N Roses (mit Styles P und Lil Fame)
  11. 11. LL Cool J (mit Snoop Dogg)
  12. 12. Trapped Music
  13. 13. Gingivitis (mit Jamo Gang)
  14. 14. Can U Feel It
  15. 15. Opioid Crisis

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