laut.de-Kritik
Vor das Vergnügen hat der Berliner auch diesmal den guten Willen gesetzt
Review von Joachim GaugerNein, seinen Humor hat Reinhard Mey noch nicht ganz verloren. Und auch nicht seine scharfe Beobachtungsgabe: In "Das wahre Leben" studiert er die Todesanzeigen in einem Sonntagsblatt, das "Erfund'ne und das Wahre von der Wiege bis zur Bahre" und stellt fest: "Da stehen Lügen und Intrigen, dass die Sargbretter sich biegen". Gewiss, auf Tote schimpft man nicht; indessen erklären die Nachrufe, so wie sie in der Zeitung stehen, auch gleich den Ursprung allen Übels: "Nur die Guten treten ab und das heisst unabänderlich: Es bleiben nur die Ekel übrig, Leute so wie du und ich. Nur die Schweine leben ewig, aber das erklärt konkret, warum hierzulande alles langsam den Bach runter geht!"
Da geht die neue "Einhandsegler" aber schon dem Ende zu und vor das Vergnügen hat der Herr Mey auch diesmal den guten Willen gesetzt. Viel von Tieren und ihrem Elend ist die Rede und nicht nur der mühsam gereimte "Marder" zählt zu den schwächsten Stücken, die der Berliner Barde bisher veröffentlicht hat. Andere Lieder ("Serafina", "Laß Liebe auf uns regnen") kann man bei allem Wohlwollen nur als Schnulzen bezeichnen, erstaunlich, dass da keiner in Meys Umgebung rechtzeitig Schlageralarm ausgelöst hat.
Nicht nur textlich, auch von der musikalischen Seite ist "Einhandsegler" nur bedingt akzeptabel. Gewiss, Arrangements und Produktion (Manni Leuchter) überzeugen und selten war ein Reinhard Mey-Album stilistisch so vielseitig. Während jedoch der Ausflug in jazzige Gefilde ("Chet") noch angehen mag, ist Meys Gerappe auf "Heimatlos" und "Erbarme dich" einfach erbarmungslos. Gute, eingängige Melodien sind Mangelware und auch das Zusammenspiel von Text und Musik ist diesmal nicht so gelungen, wie beispielsweise auf "Flaschenpost". Also, freuen wir uns auf's nächste Mey-Album und bedecken dieses mit dem gnädigen Grabtuch des Schweigens.
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