laut.de-Biographie
Soap&Skin
Als Anja Plaschg 1990 in einem Kuhdorf in der südlichen Steiermark geboren wird, diagnostizieren die Ärzte bei ihr ein Loch im Herzen. Ein passenderes Bild für die Songs, die sie 14 Jahre später einspielt und überaus sparsam unter dem Namen Soap&Skin veröffentlicht, hätte man sich kaum ausdenken können. Die Geschichte von Soap&Skin ist die des genialen, schwermütigen Wunderkinds.
Bereits im Alter von sieben Jahren beginnt Plaschg, Klavier zu spielen, nimmt später auch Geigenunterricht. Klassische Komponisten wie Sergej Rachmaninow oder Arvo Pärt bleiben ihre maßgeblichen Einflüsse. Doch als ihr älterer Bruder ihr an einem wolkenverhangenen Nachmittag ein Musikprogramm am Computer vorführt, entdeckt sie auch die elektronische Musik für sich.
Sukzessive wandelt sich Anja Plaschg zu Soap&Skin. Alleine vor dem Rechner, fließt die Musik beinahe automatisch aus ihr heraus. "Ich habe völlig unbedarft angefangen", sagt sie im Rückblick, "total unbeeinflusst, auch naiv. Aus dem Nichts heraus."
Düstere, minimalistische Lieder voller Gänsehautmomente entstehen. Manchmal bestehen sie nur aus verlorenen Klavierklängen und Plaschgs zerbrechlicher Stimme. Dann wieder setzt die Österreicherin harsche elektronische Kontraste, etwa wenn sie das Kreischen tausender Schweine im elterlichen Mastbetrieb samplet.
Auch auf visueller Ebene behält Plaschg die volle Kontrolle: Das Gros der düster gehaltenen Pressefotos, die später zirkulieren, hat sie selbst gemacht, ebenso wie das Artwork ihrer selbstbetitelten Debüt-EP.
Die ersten Aufnahmen schickt Plaschg nach Berlin zum Elektroniklabel Shitkatapult, wo 2006 erstmals das erste Stück von Soap&Skin erscheint: "Mr. Gaunt PT 1000". Es folgen einige, wie sie selbst sagt, "schreckliche, total hilflose" Auftritte - die dem Publikum jedoch nichtsdestotrotz schlicht den Atem rauben. Die Geschichte vom Wunderkind macht schnell die Runde. Mit ihren todtraurigen Melodien verzaubert Soap&Skin die Popwelt bald auch über die Grenzen Österreichs hinaus.
Plaschg beweist daraufhin großen Mut und Konsequenz: Sie bricht die Schule ab, zieht nach Wien und beginnt noch vor ihrem 18. Geburtstag ein Kunststudium. Sie spielt Theater und covert Nicos "Janitor Of Lunacy", jene andere große Dunkle der Popgeschichte, wird vom Laptop-Frickler Fennesz geremixt und schreibt und schreibt und schreibt immer weiter.
Im März 2009 veröffentlicht sie ihr Debüt "Lovetune For Vacuum" und löst damit einen Hype aus, wie es ihn in der Popgeschichte Österreichs lange nicht gab. Die Platte schafft es in ihrer Heimat in die Top Ten und sichert sich auch in Deutschland, Belgien und Frankreich Chartsplätze.
Auch die Person Anja Plaschg ist gefragt. 2011 gibt sie ihr Schauspieldebüt im Film "Stillleben". So gut es für sie künstlerisch läuft, umso herber ist der Rückschlag, den sie privat einstecken muss. Kurz nach dem Release ihres Debüts stirbt ihr Vater.
Sie kanalisiert Schock und Trauer: Der Nachfolger "Narrow" fungiert als eine Art Denkmal. "Ich habe eine sehr starke Ahnung, dass einfach alles anders sein wird, weil diese Platte auch ein Befreiungsschlag ist", so Plaschg über das im Februar 2012 veröffentlichte, nur knapp dreißig Minuten lange Werk. Die Länge aber mindert die Eindringlichkeit nicht. Gleiches lässt sich über die EP "Sugarbread" sagen, die ein Jahr später erscheint.
2015 wirkt Anja Plaschg beim Solidaritätskonzert für Asylsuchende, Voices for Refugees, mit, das rund 150.000 Menschen besuchen. Im selben Jahr macht sie musikalisch mit dem von arabischen Rhythmen geprägten Song "Mawal Jamar" auf sich aufmerksam.
In der Folgezeit schreibt die Österreicherin Musik für Theater und Film und verfolgt erfolgreich ihre Schauspielkarriere weiter. Sie beteiligt sich an einer Theateradaptation von "Romeo & Julia" und 2016 am Experimental- und Spielfilm "Die Geträumten". 2017 steuert sie den Titeltrack zur deutschen Netflix-Serie "Dark" bei.
Im Sommer 2018 teilt sie sich mit Anna Calvi und dem Orchesterkollektiv Stargaze anlässlich einer Hommage an David Bowie die Bühne und gibt Coverversionen seines finalen Albums "Blackstar" zum Besten.
Ihr nächstes Album, "From Gas To Solid/You Are My Friend", bringt Anja Plaschg wenige Monate später auf den Markt. Darauf stehen deutlich zuversichtlichere Töne im Vordergrund als noch in der Vergangenheit, ohne dass die Österreicherin das Schwermütige vernachlässigt.
2021 tritt Anja im Eröffnungsprogramm der Wiener Festwochen auf, ein Jahr später ist sie als Featuregast in der Tocotronic-Single "Ich Tauche Auf" zu hören. Im Spielfilm "Des Teufels Bad" (Regie:
V. Franz, S. Fiala) spielt sie die Hauptrolle und steuert auch die Filmmusik bei. Bei der Berlinale im Februar 2024 hat der Film Premiere.
Gefragt nach ihrer Definition von Erfolg, antwortet sie: "Ich will von meiner Kunst leben, ganz einfach. Ob das nun ein kommerzieller Erfolg ist oder nicht."
1 Kommentar mit 3 Antworten
Gibt ne neue Single:
http://www.spex.de/2015/04/17/single-premi…
Find ich spontan ganz gut. Ob/wann/wie ein Album kommt, ist glaub ich noch nicht raus, oder weiß jemand mehr?
Nein, ich habe leider nichts gehört. Die Single klingt noch mehr als Sugarbread nach großangelegter Richtungssuche, haut mich jetzt nicht gerade vom Hocker im Gegensatz zur EP.
muss scheisse sein 24/7 pms zu haben
Hätte was werden können, aber ein paar Stellen gefallen mir einfach nicht. Glaube auch eh nicht, dass sie ihr Debut jemals übertreffen wird.