Porträt

laut.de-Biographie

The Necks

Die Musik von The Necks lässt sich kaum unter einem einzigen Genre zusammenfassen. Ob Jazz, Ambient, Avantgarde oder Minimal Music: Das Trio spielt oftmals alles gleichzeitig. So unterschiedliche Musiker wie Brian Eno oder die Swans beanspruchen die Dienste des Kollektivs aus Sydney. Trotzdem bleibt es sehr lange nur wenigen Liebhabern und Kennern ein Begriff. Erst Mitte der Zehner-Jahre ändert sich allmählich etwas daran.

The Necks - Three
The Necks Three
Zwischen dunklen Dungeons und Jazz-Lounge.
Alle Alben anzeigen

Der 1961 in Oamaru in Neuseeland geborene Pianist Chris Abrahams gilt seit den frühen 80ern als sehr aktives Mitglied in der lokalen Musikszene Sydneys. Nachdem er dort in modernen Jazz-Gruppen wie Mark Simmonds' Freeboppers und The Keys Music Orchestra mitgewirkt hat, trifft er auf Lloyd Swanton, und zu dieser Zeit in dieser Stadt als anstrebender Bassist erste Erfahrungen als Musiker sammelt.

Beide rufen 1982 The Benders ins Leben, die sich einer zeitgenössischen Variante des Sixties-Jazz' verschreiben. Es erscheinen drei Alben von der Band. Nebenher veröffentlicht Abrahams zwei Soloscheiben am Klavier und gründet mit The Sparklers 1985 eine Indie-Rock-Kapelle. Swanton, Baujahr 1960, schließt sich wiederum 1986 der Soul-, Blues- und Funk-Formation The Dynamic Hepnotics an, die sich jedoch noch im selben Jahr auflöst.

Der Drummer Tony Buck, der 1962 ebenfalls in Sydney das Licht der Welt erblickt, verfügt sogar über einen Abschluss am New South Wales Conservatorium of Music. Schnell spricht sich sein Name auch außerhalb der Jazz-Szene seiner Heimatstadt herum. Deswegen geht er schon früh in seiner langen Karriere mit amerikanischen Größen des Genres wie Branford Marsalis und Clifford Jordan auf Tour.

Die zwei Australier und der zugezogene Neuseeländer heben 1987 The Necks aus der Taufe. Live entwickeln die drei Virtuosen ihre Musik aus einem bestimmten Ausgangsmotiv unmerklich, aber kontinuierlich weiter und entfalten so ein Höchstmaß an Intensität. Auf ihren Platten, die teilweise nur aus einem einstündigen Stück bestehen, greifen sie dagegen oftmals auf Overdubs und andere technische Hilfsmittel zurück. Ein eigenwilliger Soundclash aus diversen musikalischen Einflüssen resultiert letzten Endes aus dieser Herangehensweise.

Das erste Album des Trios, "Sex" (1989), lässt dennoch kaum eine klare Richtung erkennen und verliert sich aus diesem Grunde zu sehr in Monotonie. Der Nachfolger "Next" (1990) erscheint da deutlich abwechslungsreicher. Die insgesamt sechs Tracks, die sich im Spannungsfeld zwischen Jazz, Funk und Ambient bewegen, bereichern zumindest die Musik des Kollektivs um frische Impulse.

Demgegenüber schlägt es mit "Aquatic" (1994) ungewohnt zugängliche, beinahe poppige Töne an. Das stößt Kritikern und Fans zum Teil sauer auf. Die künstlerische Vision von The Necks schält sich deshalb erst mit den folgenden Scheiben klarer heraus.

In der Folgezeit setzen sie auf sparsame Motive, die sich nach und nach zu atmosphärischen Soundlandschaften verdichten. Vor allem demonstriert das Kollektiv dies auf der Bühne, wie "Piano Bass Drums" aus dem gleichen Jahr eindrucksvoll belegt. Mit "Hanging Gardens" von 1999 perfektioniert es diesen Ansatz ebenfalls auf Albumlänge. Ein treibendes Fusion-Jazz-Fundament, verträumte Ambient-Passagen und Breakbeats ergeben in der Summe das insgesamt energetischste Werk der Australier.

Nicht zu Unrecht vergleicht man sie mit Miles Davis Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre. Nur befindet sich ihre Musik eindeutig am Puls der Zeit. Kein Wunder, dass die Filmbranche inzwischen mit ihnen zusammenarbeitet. Ihr Score zu "The Boys" von 1998 wird bei den ARIA Music Awards in ihrer Heimat als bestes Soundtrack-Album nominiert.

Nach der Jahrtausendwende orientieren sich The Necks mit Scheiben wie "Aether" (2001) und "Open" (2013) an der klassischen Minimal Music von La Monte Young oder Terry Riley. Dazwischen ragt allerdings "Silverwater" (2009) als ein weiteres Sahnestück der Australier heraus, das zwischen einnehmenden Strukturen und wüsten Soundausbrüchen eine souveräne Balance findet.

Im Anschluss nähern sie sich in ihrer Heimat als Support von den Swans einem Rock-Publikum an. Ferner widmet sich Abrahams in dieser gut zwölfjährigen Zeitspanne zwischen "Aether" und "Open" weiteren Solowerken am Piano und produziert darüber hinaus Karl Hydes (Underworld) "Edgeland".

Er und Buck bauen sich in der Berliner Jazz-Szene ein zweites Standbein auf und erschließen sich in Deutschland ein neues, aufgeschlossenes Publikum. Auf der Bühne kollaborieren The Necks in den mittleren Zehner-Jahren unter anderem mit Brian Eno. Lloyd Swanton und Tony Buck haben unterdessen mit The Catholics seit den frühen 90er-Jahren noch eine weitere Formation am Start. 1996 werden sie zur besten Band Australiens gewählt.

Auf "Unfold", das vier über viertelstündige Einzeltracks beinhaltet, erschaffen The Necks ein weitläufiges Panorama voller Erhabenheit und Schönheit. In vielen Momenten beschwört die Platte Erinnerungen an Miles Davis zu Zeiten von "Bitches Brew" und an die Großtaten des europäischen Jazz' in den frühen bis mittleren 70er-Jahren herauf. Der amerikanische Rolling Stone erkennt die Zeitlosigkeit dieses Werkes. In seinem Ranking der besten Avantgarde-Alben von 2017 landet es auf einem beachtlichen vierten Platz. Dank der Scheibe erntet das Kollektiv außerhalb der Improvisations-Szene zunehmend Anerkennung. Davon zeugen positive Besprechungen auf Pitchfork oder The Quietus.

Bei dem Nachfolger "Body" handelt es sich hingegen wieder einmal um ein einzelnes, einstündiges Stück, das die Australier jedoch in vier Kapitel aufteilen. Die sprühende Experimentierfreude und ihre virtuosen Fähigkeiten teilen The Necks aber auch gerne mit anderen. Davon profitieren besonders befreundete Bands wie Underworld und die Swans, die sie für Songs ins Studio einladen.

Ihre kontinuierliche Wandlungsfähigkeit belegen sie im März 2020 mit "Three", ihrer 21. Platte in 33 Jahren, erneut bravourös. Dem Albumtitel alle Ehre machend, liefert das Trio darauf statt einem einstündigen Track drei 20 Minuten dauernde, sich stark voneinander unterscheidende Songs.

"Es ist wichtig, dass wir nie wissen, wohin uns die Musik leiten wird", sagt Tony Buck in einem Interview. Das macht die Improvisationen von The Necks auch nach Jahrzehnten noch spannend und aufregend. Nicht nur auf Platte, sondern vor allem während ihrer Konzerte. Wer die Gelegenheit hat, diese Ausnahmekünstler in Aktion zu sehen, der sollte die Chance also nutzen.

Alben

The Necks - Three: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2020 Three

Kritik von Dominik Kautz

Zwischen dunklen Dungeons und Jazz-Lounge. (0 Kommentare)

The Necks - Body: Album-Cover
  • Leserwertung: Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2018 Body

Kritik von Toni Hennig

Aufregender Trip durch das umfangreiche Schaffen des Trios. (0 Kommentare)

Surftipps

1 Kommentar mit 3 Antworten