laut.de-Kritik
Ein Melodie und Rhythmus gewordener Drogenrausch.
Review von Daniel StraubIn der Vorstellung der griechischen Mythologie setzt sich das Vogelwesen Phönix am Ende seiner Tage in ein Nest und verbrennt. Als die Flammen erloschen sind, bleibt neben der Asche ein Ei zurück, aus dem nach kurzer Zeit ein neuer Phönix schlüpft. Die kalifornische Formation The Warlocks wählte dieses Bild der Unsterblichkeit als Titel für ihren zweiten Longplayer. Wohl nicht ganz zufällig, denn was das Septett vom ersten, noch vorsichtig wummernden Gitarrenfeedback an zelebriert, ist eine Hymne auf die regenerativen Kräfte des Rock'n'Roll.
Auf jene erneuernde Wirkung vertraut Sänger und Oberdopehead Bobby Hecksher schon seit geraumer Zeit. In zahllosen zwischen Realität und Halluzination verbrachten Stunden, wurde Hecksher und seinen Gleichgesinnten der Rock'n'Roll wie ein unauslöschliches Zeichen eingebrannt, entwickelte er sich für sie vielleicht gar zur Überlebensstrategie. Daraus schöpfen sie heute ihre Kraft und Authentizität, der sich der Zuhörer anfangs nicht entziehen kann, bis er es später auch gar nicht mehr will.
Egal ob "Shake The Dope Out" mit seiner unwiderstehlichen Hookline und den dröhnenden Krautrock-Grooves oder "Baby Blue" mit seinem aus entrückter Ferne herüber hallenden Gesang; The Warlocks funktionieren wie ein Melodie und Rhythmus gewordener Drogenrausch. Turn on, tune in, drop out: dieser Ratschlag von einem der es wissen muss, ist auf "Phoenix" die unterschwellig präsente Maxime.
Die letzte Rock'n'Roll-Band, deren kreative Energie zu nicht unwesentlichen Teilen aus der innigen Verbindung von Ekstase und Musik erwuchs, waren The Velvet Underground, die bei jedem Warlocks-Akkord als Ziehväter im Geiste mitschwingen, ohne den Kaliforniern ihre Eigenständigkeit abzusprechen. The Warlocks sind schlicht die gelungene Fortsetzung desselben Films, den die Factory-Ikonen in den 60er Jahren gegen die idyllische Hippieromantik projizierten und den Hunter S. Thompson wenige Jahre später in die Sphäre der Literatur überführte.
Wie bei Velvet Underground und Thompson, so scheint auch bei The Warlocks in der musikalischen Trance der böse Dämon, die dunkle Kehrseite, immer mit auf. Nie wird die ekstatische Wirkung der Songs zum Selbstzweck. Stets beinhaltet der Hype auch die Niederung, durch die man früher oder später gehen muss. Die alten Griechen sprachen der Dualität von Rausch und Ernüchterung gar reinigende Wirkung zu.
Diese zutiefst existentialistische, das Leben im selben Atemzug bejahende wie verneinende Haltung, die aus den zehn Songs von "Phoenix" spricht, ist die Essenz des Rock'n'Roll. The Warlocks feiern dieses 'andere' Lebensrad mit jedem Schlag auf die dumpfen Drums, jedem Feedback-Akkord der Gitarren, jeder sich selbst genügenden Songzeile. The Warlocks sind die längst überfällige Frischzellenkur der Rockmusik.
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