15. September 2011

"Ich mixe Johnny Cash mit Che Guevara"

Interview geführt von

Es gibt viele erfolgreiche Musiker, die sich neben ihrer musikalischen Profession sozial engagieren, Hilfsorganisationen ins Leben rufen oder einen Teil ihres Vermögens Menschen zukommen lassen, die es bitter nötig haben. Aber die wenigsten von ihnen machen ihre Taten öffentlich. Tom Morello ist anders gestrickt. Der Rage Against The Machine-Gitarrist trägt sein Herz und seinen politischen Aktivismus auf der Zunge.Wo immer es geht, macht sich Tom Morello Luft wenn es um Unterdrückung, Diskriminierung oder Rassismus geht. Als Rädelsführer vieler politischer Organisationen führt der Amerikaner seit Jahrzehnten einen nicht enden wollenden Kreuzzug gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt. Seine Musik dient ihm dabei als größte Plattform um seine Visionen, seine Ansichten und nicht zuletzt auch der breiten Öffentlichkeit seine Hoffnungen auf Besserung mitzuteilen.

Seit 1992 predigt er mit Rage Against The Machine im großen Rahmen und seit 2003 als Singer/Songwriter "The Nightwatchman" im etwas kleineren Rahmen. Im Interview verrät uns der wahrscheinlich würdigste Nachfolger von Robin Hood Näheres über die Hintergründe seines Antriebs, die Welt zu einem besseren Ort zu machen und über sein neues Soloalbum "World Wide Rebel Songs".

Hi Tom, was regt dich derzeit auf unserem Planeten am meisten auf?

Tom: Oh, da gibt es eine ganze Menge. Es gibt überall Krisenherde, und ich rede hier nicht von den offensichtlichen, die in den Nachrichten erwähnt werden. Viele untragbare Zustände werden so gut wie nicht publik gemacht. Sie fallen nicht so sehr ins Gewicht, weil sie von den oberflächlich betrachteten großen Ungerechtigkeiten verdrängt werden. Das soll nicht heißen, dass die Dinge, über die du in den Zeitungen oder im Fernsehen informiert wirst, nicht wichtig sind, aber leider bekommen dadurch die Menschen, denen im Alltag Ungerechtigkeit widerfährt, kaum Aufmerksamkeit.

Wann hast du für dich entschlossen, politisch aktiv zu werden?

Tom: Das ist schwer zu sagen. Ich bin zwar in New York geboren, wuchs aber am Rande von Chicago in Libertsville auf. Ich war damals das einzige dunkelhäutige Kid in diesem Vorort, und es wurde uns wahrlich nicht einfach gemacht. Ich war als Kind ein ziemlicher Außenseiter und wurde eher geduldet als akzeptiert. Ich denke, dass sich in dieser Zeit bei mir schon unterbewusst viel von dem festgesetzt hat, was ich später versucht habe umzusetzen.

Du hast letztlich die Musik als Sprachrohr deiner Ansichten gewählt. War das ein bewusster Entschluss?

Tom: Nein, denn nicht ich kam zur Gitarre, sondern die Gitarre kam zu mir. Als sich die Faszination für dieses Instrument bei mir festigte, wusste ich, dass die Musik mich auf meinem Weg begleiten und unterstützen wird. Es ist ungemein wichtig, die Ambitionen oder Visionen, die man hat, in Einklang zu bringen, mit den individuellen Möglichkeiten sie zu transportieren. Jedem stehen dafür Instrumente zur Verfügung, egal, ob du Journalist, Musiker, Anwalt oder Soldat bist. Deine Meinung sollte transportiert werden. Nur so lassen sich Dinge verändern.

Wann kam die Gitarre denn zu dir?

Tom: Nun, bei uns zuhause drehten sich eher die Scheiben der Temptations und anderer R'n'B -Bands zu dieser Zeit. Ich kann mich erinnern, wie ich als Elfjähriger beim Einkaufen vor dem Cover der Kiss -Platte "Destroyer" stehenblieb. Das Artwork zog mich in seinen Bann, und ab diesem Moment wusste ich, dass meine Bestimmung der Rock'n'Roll war.

Alleine bist nur du selbst verantwortlich

Dann hast du bestimmt vor Freude in die Hände geklatscht, als dich im Jahr 1994 Gene Simmons anrief und dich bat, deinen Teil zum Kiss-Tribute-Sampler "Kiss My Ass" beizusteuern, oder?

Tom: Oh, ja. Das war eine große Ehre für mich, wobei Gene nicht mich persönlich bat, sondern seine Anfrage galt Rage Against The Machine. Allerdings wollten damals nur Brad (Brad Wilk, Drummer von RATM) und ich dem Aufruf Folge leisten.

Euch schlossen sich dann noch Billy Gould von Faith No More und Maynard Keenan von Tool an. Gab es je Überlegungen hinsichtlich einer längerfristigen Zukunft dieser "Supergroup"?

Tom: Nein, das Ganze beschränkte sich nur auf einen Aufnahme-Tag. Aber nichtsdestotrotz war es ein tolles Erlebnis. Wir hatten ziemlich viel Spaß zusammen.

Ok, lass uns wieder über die Gegenwart sprechen. Demnächst erscheint das mittlerweile dritte Nightwatchman-Album mit dem Titel "World Wide Rebel Songs". Hast du dich mittlerweile daran gewöhnt auch als Solo-Künstler im Fokus zu stehen?

Tom: Wenn du aus einer Gemeinschaft heraustrittst, um dich eigenständig zu positionieren, geht es in erster Linie um Selbstbewusstsein, Selbstverantwortung und den Glauben an sich und seine Ziele. In einem Kollektiv geht es um Chemie, es geht mitunter auch um Kompromisse. Alleine bist nur du selbst verantwortlich. Das ist natürlich ein Lernprozess, aber ich fühle mich sehr wohl dabei.

So ganz alleine bist du ja nicht mehr. Auf dem neuen Album unterstützt dich das Freedom Fighting Orchestra, das aus Dave Gibbs, Carl Restivo, Chris Joyner und Eric Gardner besteht, die dich bereits seit 2008 auf Tour begleiten. Wie kam es dazu?

Tom: Ich kenne die Jungs schon ziemlich lange und es hat immer großen Spaß gemacht, wenn wir gemeinsam auf Tour waren. Als mir klar wurde, dass ich diesmal ein Album mit elektrischen Gitarren aufnehmen wollte, stand schnell fest, dass diese Band mich dabei begleiten sollte.

Warum hast du dich diesmal für eine komplette Instrumentierung entschieden?

Tom: Nun, der Ursprung der Idee reicht ein paar Jahre zurück, als ich zusammen mit Bruce Springsteen auf der Bühne stand und den Song "The Ghost Of Tom Joad" performte. Das war das erste Mal, dass ich mit einer elektrischen Gitarre auf der Bühne stand und dazu gesungen habe. Ich habe damals gemerkt, dass diese Variante funktioniert und dabei eine enorme Kraft gespürt, die mich dazu bewog auf dem neuen Album einen anderen Weg einzuschlagen.

Ein Mix aus Johnny Cash und Che Guevara

Ein Weg, der bisweilen ziemlich heavy klingt.

Tom: Ja, es gibt einige Songs, die gut nach vorne gehen und dennoch nichts von ihrer Intimität und Aussagekraft verlieren. Das Album ist meiner Meinung nach sehr variabel geworden. Es gibt sehr ruhige Momente, aber auch einige klassische Rocksongs. Die Balance zu finden, es dennoch nach einer Einheit klingen zu lassen, war mir sehr wichtig. "World Wide Rebel Songs" ist ein Mix aus Johnny Cash und Che Guevara.

Sei mir nicht böse, aber ich finde, es steckt auch ein bisschen Chuck Norris drin, zumindest auf dem Cover.

Tom: (Lacht) Also, Chuck Norris diente da weniger als Inspiration. Das Cover ist angelehnt an das Album "Gunfight At Carnegie Hall" von Phil Ochs, einem amerikanischen Protest-Sänger aus den Sechzigern. Ochs hatte einen sehr expliziten Sinn für Humor, wenn es um Album-Artworks ging. Die Romantisierung des Dunklen hat mir bei ihm immer sehr gefallen.

Neben dem neuen Nightwatchman-Album können wir ab Oktober auch dein erstes Comic bewundern. Kannst du uns Näheres dazu berichten?

Tom: Der Inhalt des Comics ist eine Geschichte, die ich schon seit vielen Jahren mit mir herumtrage. Leider fehlt mir die Zeit, ein 700-Seiten-Buch zu schreiben, also habe ich mich nach Alternativen umgesehen. Ich bin schon seit meiner Kindheit ein Sammler von außergewöhnlichen Comics, und so lag es nahe, es auf diese Weise zu probieren. Kurz gefasst, geht es um eine 16-jährige Prostituierte und ihr Leben im Schatten der Gesellschaft.

Ist das ein einmaliges Projekt?

Tom: Nun, die Geschichte "Orchid" selber wird zwölf Ausgaben umfassen, und mit jeder Ausgabe wird es kostenlos Musik dazu geben. Was danach passiert? Wir werden sehen.

Nightwatchman, Comic, Rage Against The Machine: Das klingt nach relativ wenig Freizeit.

Tom: Ja, da hast du Recht. Das kann schon ganz schön stressig sein, aber alle diese Dinge sind mir Herzensangelegenheiten und ich stehe zu 100 Prozent hinter jeder Minute Arbeit, die dahinter steckt. Wenn du letztlich auf die Ergebnisse blickst, wirst du entschädigt für jede schlaflose Nacht, die damit verbunden war.

Bevor ich dich verabschieden muss, komm ich um eine Frage nicht herum. Gibt es Neuigkeiten hinsichtlich eines neuen RATM-Albums?

Tom: (Lacht) Pass auf, ich verrate dir etwas. Momentan gibt es noch keinerlei Pläne, aber sollte sich daran in der Zukunft etwas ändern, verspreche ich dir, wird kein Geheimnis daraus gemacht werden.

Tom, hab vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.

Tom: Sehr gerne, alles Gute.

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