laut.de-Biographie
Walter Schreifels
In Berlin raunt man ehrfürchtig, wenn Walter Schreifels auf einem Konzert neben einem steht. Schließlich wohnt mit ihm eine echte Legende des US-Hardcore in der Hauptstadt. Bassist bei den Straight Edge-Heroen von Youth Of Today, Frontmann bei den Hardcore-Recken Gorilla Biscuits und den Posthardcore-Allstars Quicksand, die in den 90er Jahren zwischen Punk und Rock-Standards tatsächlich noch mal etwas zwingend Neues finden.
Auch Hauptinitiator der Rival Schools ist er, die mit ihrem Album "United By Fate" 2001 noch einmal die Szene gehörig aufmischen, ehe die Band wie alle Projekte Schreifels wieder unter Tränen der Fans auseinanderfällt. Länger als fünf Jahre hält es der umtriebige New Yorker Musiker und Produzent scheinbar in keiner Band aus. Und doch ist Schreifels bei der Transformation des New Yorker Undergrounds immer vorangeschritten.
Ganze zwei Jahrzehnte nach "Start Today", dem Meilensteinalbum der Gorilla Biscuits, erscheint im Jahr 2010 das längst überfällige Soloalbum "An Open Letter To The Scene" beim Independent Label Arctic Rodeo Recordings. "Ich denke es ist an der Zeit, mich mal für eine Weile alleine da draußen zurechtzufinden. Ich war nie besonders gut darin, meine Bands beisammenzuhalten", sagt Schreifels.
"Um kreativ zu bleiben, musste ich irgendwie die Rahmenbedingungen ändern und alleine all die Verantwortung schultern, was wiederum bedeutete, einen eigenen neuen Weg zu dem Sound zu finden, den ich im Kopf hatte." Das Album ist mit einer psychedelisch angehauchten Coverversion von Agnostic Front und einer umarrangierten Interpretation von "Don't Got To Prove It" von seiner ebenfalls ehemaligen Band Civ eine sehr persönliche Reminiszenz an Hardcore.
Eine Huldigung, die weder den Sound noch den gegenkulturellen Stil Schreifels Bands aufkocht, sondern einen gereiften Musiker präsentiert, der selbst mit klavieruntermalten, harmoniereichen Balladen die New Yorker Szene nicht verleugnet. Entscheidender Impuls für solche Experimente in Richtung Britpop ist für Schreifels das Projekt Walking Concert, mit dem er nach den Rival Schools auf Tour geht.
"Da habe ich mit dem Stil gebrochen, den ich mit Quicksand und Rival Schools entwickelt hatte. Das fühlte sich richtig an. Mit diesem Album möchte ich nun mit der Idee Schluss machen, in einer Band sein zu müssen, um etwas Neues zu entwickeln", hält Schreifels fest, der nebenbei auch zu deutschen Bands wie Tomte, Olli Schulz oder Egotronic enge musikalische Kontakte knüpft.
Die New Yorker produziert nebenher noch eine ganze Reihe Hardcore-affine Bands, etwa Hot Water Music, und spricht in Interviews schon früh über die zweite Soloplatte, die er "Jesus Is My Favorite Beatle" betitelt - das Releasedatum bleibt offen. 2012 lässt Walter der Egotronic-Kollabo erst mal eine mit Madsen folgen (der Track "Love Is A Killer). Mit Letzteren geht er auch auf Tour.
Im Herzen bleibt Schreifels stets das Hardcore-Kid. "Die Menschen, die mir nahestehen, haben mir etwas beigebracht, mich zum Lachen gebracht, mich wütend gemacht, mir das Herz gebrochen, mir den Tag gerettet – all diese Erfahrungen nähren mich. Ich bin ein Fan, und ich habe heimlich wie herzlich versucht, einigen meiner Helden nachzueifern."
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