laut.de-Biographie
Will Butler
"Will Butler? Ist das nicht der Sänge von Arcade Fire?" Fies, denn Will Butler sieht seinem Bruder Edwin nicht nur sehr ähnlich. Nein, beide sind ein tragender Teil von Arcade Fire: Win als Sänger und Gitarrist, Will als musikalischer Allrounder im Hintergrund. Und wer um Himmels Willen gibt seinen Söhnen auch so ähnliche Rufnamen? Naja, wahrscheinlich tun sich selbst die Eltern der Butler-Brüder manchmal schwer dabei, die zwei zu unterscheiden.
Dabei fangen die Unterschiede bereits beim Werdegang an. William Pierce Butler, der jüngere der beiden Brüder, steht lange Zeit gar nicht so im Rampenlicht. Geboren im Jahr 1982 in Nordkalifornien, wächst er im texanischen The Woodlands auf. Schon früh besitzt die Musik für Will einen hohen Stellenwert. Schließlich ist der Großvater Alvino Rey ein äußerst bekannter Jazz-Gitarrist und Mutter Liza ebenfalls Musikerin. Da wundert es nicht mehr, dass der junge Will an fast jedem Instrument eine Ausbildung genießt
Eine Kostprobe davon erhält jeder, der einmal eine Arcade Fire-Show besucht. Neben Synthies und Klavier spielt Will dort auch Bass, Gitarre und Percussion. Mühelos wechselt er dabei zwischen stiller Virtuosität und Rampensau: Wenn der Herr Butler mal nicht am Instrument gefesselt ist, dann sieht man ihn mal wild über die Bühne tanzen oder mit seinem Bandkollegen Richard Reed Parry einen Schaukampf mit Drumsticks und Helm austragen.
Doch Will war natürlich nicht immer Teil der kanadischen Indiehelden. Im Jahr 2001 beginnt er, an der Northwestern University in Chicago Lyrik und Slawistik zu studieren. Vier Jaher später macht er auch seinen Abschluss. Bereits während der Studienzeit bringt er seine künstlerischen Talente als DJ beim örtlichen Campusradio und Redakteur des Literaturmagazins der Uni mit ein.
Einen dieser Berufswege hätte er wohl gewählt, wäre da nicht die Sache mit Arcade Fire gewesen. Wills großer Bruder Win – das Studium hatte ihn ins kanadische Montreal verschlagen - gründet dort im Jahr 2001 die Band. Zu Beginn läuft es gut, einer ersten EP folgen schnell viele Konzerte. Als dann innerhalb kurzer Zeit drei Bandmitglieder ausscheiden, stößt Will zum Ensemble. Mit dessen Hilfe veröffentlicht das Kollektiv im Jahr 2005 das umjubelte Debüt "Funeral".
Die spezielle Chemie zwischen ihm und seinem Bruder Win scheint beim gemeinsamen Komponieren ein wichtiger Faktor zu sein. Als Win mit 15 von zu Hause auszieht, um ins Internat zu gehen, realisiert er, dass sein Bruder eine der wenigen Personen ist, zu der er eine wirkliche Bindung besitzt: "Es gibt nicht so viele Leute in der Welt, mit denen du buchstäblich dieselben Einflüsse teilst. Also haben wir irgendwann eine eigene Sprache entwickelt, die uns sehr einfach zusammenarbeiten lässt." Und Will schränkt die Bruderliebe mit einem Lächeln ein: "Das bedeutet nicht, dass wir immer einer Meinung sind."
Allerdings schaffe allein diese Tatsache eine von Toleranz geprägte Basis im Umgang miteinander. Wer das Geheimnis im Schaffen von Arcade Fire sucht, der muss wohl bei den Butler-Brüdern anfangen. Doch auch privat findet Will sein Glück: Im Jahr 2008 zum Beispiel, als der Schlacks die Tänzerin und Ex-Kommilitonin Jenny Shore heiratet. Nebenbei arbeitet Will als fester Teil von Arcade Fire an großartigen Alben mit: Ob "Neon Bible", "The Suburbs" (für das die Musiker einen Grammy gewinnen) oder "Reflektor" – die Band nimmt Stufe um Stufe auf dem Weg in den Indie-Olymp. Jedoch vergehen einige Jahre, bis Will aus dem Nebel des Kollektivs hervor tritt.
Im Januar 2014 ist er gemeinsam mit dem zeitweiligen Arcade Fire-Mitglied Owen Pallett für einen Oscar für den Soundtrack zum Film "Her" mit Joaquin Phoenix und Scarlett Johansson nominiert. Ursprünglich war die komplette Band mit dem Soundtrack beauftragt worden, doch da Win Butler und seine Frau Régine ihr erstes Kind erwarten und auch die anderen Mitglieder beschäftigt sind, fällt die Aufgabe schließlich den beiden Verbliebenen zu. Ab diesem Zeitpunkt, so Will später, habe er sich intensiv mit dem Gedanken eines Solo-Albums befasst: "Wenn ich meinen Namen schon mit etwas verbunden habe, kann ich auch gleich etwas komplett Eigenes machen."
Eine weitere Kostprobe von Butlers Songwriting gibt er im Februar 2015. Inspiriert von einer Idee, die Bob Dylan bereits in den Sechzigern umsetzte, tut sich Butler mit der Redaktion der britischen Tageszeitung "The Guardian" zusammen. Das Ziel: Eine Woche lang jeden Tag einen Song über eine Guardian-Schlagzeile schreiben, aufnehmen und veröffentlichen. Dabei zeigt sich Butler von seiner politischen, intellektuellen Seite, kritisiert die Zerstörung der Ruinen von Nimrud durch den IS genauso wie die Taten Pro-Russischer Rebellen in der Ukraine.
Das inzwischen länger angedachte Soloalbum nimmt schon zuvor Konturen an, als er sich für einige Zeit in den Electric Ladyland-Studios in New York einquartiert, wo früher die Stones oder Jimi Hendrix ihre Alben einspielen. Die Umgebung hatte Will zu schätzen gelernt, als er dort mit den Kollegen von Arcade Fire im Jahr 2013 "Reflektor" aufnahm. Sein Solo-Debüt "Policy" erscheint im März 2015 und erinnert weniger an Arcade Fire denn an eine bodenständige Bluesrock-Retrospektive.
"Das Album soll meinen vielseitigen Musikgeschmack abbilden", so Butler. Obgleich diese Wahrnehmung diskutabel erscheint, so mausert er sich mit seinem sprudelnden Tatendrang zu einer der aufregendsten Figuren des Indie-Rock. Nicht nur wegen seiner ekstatischen Performances, sondern auch, weil seine Kunst oft traurige Realität mit Humor verarbeitet. Schließlich beinhaltet doch sein bemerkenswertes Credo genau diesen Gedanken: "Mein künstlerisches Ziel ist es, wie 'Moby Dick' zu sein. Zu hundert Prozent ernst und zu hundert Prozent scherzhaft."
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