14. Oktober 2014

"Fame und Geld sind schlechte Gründe"

Interview geführt von

Die Geschichte von Absztrakkt und 58 Muzik erzählt von Idealismus, Independence und Zusammenhalt. Nach gut 15 Jahren Rap-Historie trägt das Lüdenscheider Urgestein nicht nur ein beachtliches Oeuvre, sondern auch eine Geisteshaltung, die im Rapgame ihresgleichen sucht.

Kommenden Freitag veröffentlicht der gebürtige Österreicher das von den Snowgoons produzierte Album "Bodhiguard". Wir haben uns mit dem bildgewaltigen MC und seinem langjährigen Buddy DJ Eule über ihr gemeinsames Independent-Label, die neue Platte, Ego-Hustle und Erleuchtung unterhalten.

Die Veröffentlichung von "Bodhiguard" steht an. Wen oder was muss Absztrakkt beschützen?

Absztrakkt: "Bodhi" ist das Sanskrit-Wort für "Erwachen" oder "Erleuchtung". Der Bodhiguard ist derjenige, der im Rap die Realness, die Freude, die Erleuchtung, die Dopeness verteidigt vor der Wackness, vor den schlechten Rhymes und der dunklen Seite der Macht.

Wie passen die Samples aus dem Film "Bodyguard" da hinein?

Absztrakkt: Es geht im Grunde überhaupt nicht um diesen Film. Das soll gar nicht im Vordergrund stehen. Die sind als eine Art Leitfaden zu sehen. Aber hätten die in einem anderen Film über den Bodyguard gesprochen, dann hätte ich aus diesem Film Samples genommen.

Gefällt dir der Film überhaupt?

Absztrakkt: Puh, hmm ... das ist halt so typisches Hollywood-Kino. Lacht.

Du hast dir in deiner Musik mit Absztrakkt ein Alter Ego erschaffen, das als Hüter des Lichts und des Guten auftritt. Wie erleuchtet ist Claudio selbst?

Absztrakkt: Das können nur andere Leute mit einer höheren Verwirklichung beurteilen. Aber die Grundlage für Absztrakkt ist ja Claudio. Absztrakkt kann nur aus dem erwachsen, wo Claudio bereits ein Fundament gelegt hat. Ich selbst bin irgendwie schon angekommen, aber trotzdem noch auf dem Weg. Es ist ein Sowohl-als-auch. Claudio verarbeitet sehr viel durch Absztrakkt. Aber Absztrakkt ist mit jedem auf Augenhöhe. Wenn jemand denkt, er stehe drüber, dann resultiert das nur aus dessen Sichtweise. Eigentlich gibt Absztrakkt nur nützliche Tipps.

Eule, wie beurteilst du das von außen?

DJ Eule: Claudio ist ein schlauer Typ. Wenn er eine bestimmte Ansicht zu einer Sache hat, höre ich mir das immer an. Klar, ist man nicht immer einer Meinung, aber er labert halt keinen Scheiß.

Du bist Buddhist - wie äußert sich das in deinem Alltag? Besuchst du regelmäßig buddhistische Zentren?

Absztrakkt: Ja, ich besuche auch Zentren. Ich habe Leute um mich rum, die wie ich Buddhis sind und das schon länger machen. Es gibt auch so Abende, an denen man sich privat trifft. Und ich meditiere jeden Tag. Es ist sehr wichtig, so eine Disziplin für sich selber zu entwickeln und das als Gewohnheit ins Leben einfließen zu lassen, sich jeden Tag hinzusetzen und den Geist darauf auszurichten.

Wirkt sich der Buddhismus auf dein kreatives Schaffen aus? Rein praktisch gesehen: Meditierst du, bevor du schreibst?

Absztrakkt: In meiner Praxis hat das eigentlich gar nichts mit Rap zu tun, sondern nur etwas mit mir als Claudio. Auf das Rap-Ding wirkt sich das nur aus, weil es alle Lebensbereiche durchdringt und sich dann natürlich auch Einflüsse davon in der Musik wiederfinden.

Eule, du kennst Claudio schon eine halbe Ewigkeit.

DJ Eule: Ja, wir kennen uns so 15, 16 Jahre – schon so lange, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wie lange eigentlich.

Kannst du dich noch an den Moment eurer ersten Begegnung erinnern?

DJ Eule: Ja, voll. Wir haben uns auf einer Geburtstagsparty von einem Breakdance-Kollegen kennengelernt. Wir mochten uns gleich sehr gerne und wussten sofort: Das ist real, was der andere macht. Irgendwann war er dann zu Besuch bei mir und wir haben gleich angefangen, zusammen Mukke zu machen.

Claudio hatte, bevor er dich und R.U.F.F.K.I.D.D.
kennengelernt hat, ein paar Jahre nur für sich alleine gerappt. Hat sich das bemerkbar gemacht?

DJ Eule: Ja. Claudio hatte von Anfang an einen ganz eigenen Style. Man hat zwar gemerkt, wo seine Einflüsse herkommen, aber daraus hatte er schon damals sein komplett eigenes Ding gemacht.

War er damals schon Buddhist oder hast du die Entwicklung dorthin miterlebt?

DJ Eule: Am Anfang schimmerte das noch nicht ganz so durch, aber das war für ihn schon immer ein Ding. Er hat sich relativ früh damit beschäftigt. Über die Jahre ist er analog zu seiner Entwicklung als Rapper auch ein immer krasserer Buddhist geworden.

Inwiefern gibt es Parallelen zwischen der Kunstfigur Absztrakkt und Claudio als deinem Freund und Weggefährten?

DJ Eule: Für mich sind das zwei unterschiedliche Typen. Claudio nimmt mehr Rücksicht, Absztrakkt tut das nicht. Er ist sehr stark in dem, was er sagt, und geht nach vorne, wo Claudio mal zurücksteht. Die beiden sind nahe beieinander, aber Absztrakkt ist auf jeden Fall der Härtere von beiden.

Der Buddhismus ist ja eine sehr friedliche Religion. Dein Werk aber prägen viele kriegerische Bilder. Spielen diese Elemente auch im Buddhismus eine Rolle oder ist das deine Art, die Brücke zwischen dem Buddhismus und dem Rap zu schlagen?

Absztrakkt: Buddhismus ist in erster Linie keine Religion, die mit monotheistischen Religionen wie dem Christentum oder dem Islam vergleichbar wäre. Der Buddhismus ist eigentlich mehr eine Methode, mit dem Geist zu arbeiten. Es wird im Buddhismus auch sehr viel mit Symboliken gearbeitet, wenn man die Darstellungen von speziellen Buddha-Formen betrachtet. Aber speziell das Katana und die Desert Eagle habe ich selber als Symbol für die Aspekte des Geistes gewählt. Die Desert Eagle steht für Weisheit und das Katana für Mitgefühl oder auch andersrum. Macht beides Sinn.

"Je mehr Fans, desto härter ist die Arbeit"

Deine Musik ist bewusst nichts für die breite Masse. Du hast schon auf "Diamantgeiszt" gesagt, du willst keine Fans, nur Gleichgesinnte. Wer ist der Adressat von Absztrakkts Musik?

Absztrakkt: Der zeigt sich in unterschiedlichen Formen. Es gibt keinen standardisierten Schubladengleichgesinnten. Jeder hat den Zugang woanders und auf einer anderen Ebene in sich - in dem Moment, wo er etwas in Absztrakkts Musik entdeckt, was er so unterschreiben könnte.

Auf der Tapefabrik im Januar haben wir uns darüber unterhalten, dass du so ungerne live auftrittst, auch weil du deine Person nicht in den Vordergrund stellen möchtest. Du hast aber auch dort wieder gemerkt, wie sehr dich Live-Shows mit ihrer Energie inspirieren. Hast du deine Einstellung zu Auftritten inzwischen geändert?

Absztrakkt: Das ist sehr schwierig. Der Weg, den ich privat gehe, ist ein Weg, mit dem ich vom Ego weg möchte. Je mehr du aber irgendwo bist - besonders auf einer erhöhten Position wie der Bühne, auf der Leute dich ankucken und später zu dir kommen und sagen: Hey, das ist geil usw. ... das ist alles Futter fürs Ego! Je mehr ich rausgehe und das passiert, desto härter ist für mich die Arbeit. In dieses Release aber haben viele Leute so viel Energie und Zeit investiert, dass ich einfach etwas zurückgeben muss. Eule zum Beispiel! Ich darf diese Leute jetzt nicht hängen lassen. Wir haben eine kleine Bodhi-Tour geplant. Ich springe quasi über meinen Schatten und mach das aus einem übergeordneten Sinn heraus. Nicht für mich selbst, um Fame zu bekommen oder sowas, sondern damit meine Base was davon hat.

Ihr beiden habt gemeinsam mit R.U.F.F.K.I.D.D. das Label 58 Muzik gegründet, wofür schon 2001 der Grundstein gelegt wurde.

DJ Eule: Wir haben das damals schon so behandelt, als wäre es ein Label, aber hatten ja bei Weitem nicht die Möglichkeiten, wie wir sie heute haben. 2008 haben wir das eintragen lassen. Da hatten wir dann auch wirklich alles am Start, um das rund zu machen. Vorher wäre die Gefahr größer gewesen, auf die Schnauze zu fallen.

Was unterscheidet 58 Muzik von anderen Labels?

DJ Eule: Wir sind wirklich Familie. R.U.F.F.K.I.D.D. und Absztrakkt sind wie meine Brüder. Die haben schon monatelang bei mir gewohnt, mit mir gegessen, mit mir gechillt, mein Leben miterlebt und ich habe deren Leben miterlebt. Wir sind fest zusammengeschweißt. Das kann keiner so leicht durchbrechen. Bei anderen Labels bist du weg, wenn der Vertrag ausläuft und du nicht genug verkauft hast.

Andersherum ist es auch schwer, bei euch reinzukommen. Was muss man mitbringen, um Teil dieser eingeschworenen Gemeinschaft zu werden?

DJ Eule: Da muss einfach der Vibe stimmen. Die einzigen wirklichen Externa waren eigentlich Cr7z, DJ s.R. und die Bielefelder. Die kamen zu uns, es hat sich ein Band gebildet und man wusste: Das sind Leute vom gleichen Schlag. In letzter Zeit kriegen wir viele Demos. Ich höre mir das auch an, und Einiges ist gar nicht schlecht. Aber was machste dann mit denen? Wenn einer von meinen Jungs ein Album macht, wie jetzt zum Beispiel Claudio, behandle ich das, als wäre es mein eigenes. Ich mache alles Erdenkliche, damit das irgendwie Früchte trägt. Bei einem Externen, mit dem du eigentlich nichts zu tun hast und wo nur ein Vertrag da ist, machst du halt deinen Job und den auch gut. Aber nicht mit so viel Liebe.

Verfolgst du die Leute weiter, die dir etwas geschickt haben, wenn du das gut fandest? Oder stehst du externen Anfragen generell skeptisch gegenüber?

DJ Eule: Ich höre mir das an, aber bisher war noch keiner dabei, bei dem ich gesagt hätte: "Boah, Jungs, zieht euch das mal rein!" Sowas müsste aber tatsächlich passieren, um wirklich darüber nachzudenken, sich mit dem überhaupt erst mal zu treffen und zu kucken, wie der menschlich tickt.

Absztrakkt sieht das Label ja sehr idealistisch, du bist mehr der Kaufmann in dieser Struktur.

DJ Eule: Ich habe ja auch jahrelang Einzelhandel gemacht. Ich weiß wie Ein- und Verkauf funktionieren müssen, damit das auch wirtschaftlich klappt. Ich habe irgendwann angefangen, Shirts zu verkaufen, dann waren die weg und es war mehr Geld da. Dann haben wir Hoodies verkauft, usw. Das alles ist ganz natürlich und gesund gewachsen und nicht über irgendeinen dicken Investor.

Möchtest du 58 Muzik wirtschaftlich noch mehr ausbauen?

DJ Eule: Momentan sehe ich das so: Wir haben genug Leute und genug Arbeitsaufwand, der zu bewältigen ist. Ich wäre schon ein Freund davon, wenn es irgendwann finanziell so gut laufen würde, dass keiner hier mehr nebenbei irgendwelche Nachtschichten schieben muss.

Die Idee zu Promo-Box und Bodhi Bomb kam auch von dir.

DJ Eule: Das Coole an einer Box ist: Da du eine gewisse Menge bestellst, bekommst du natürlich auch bessere Preise bei den T-Shirts, den Autogrammkarten, den Postern usw. Du kannst daher dem Fan für 40€ total viel geben. Die ganze Zeit hab ich dann nach einem besonderen Ding gesucht, das wir noch in diese Box mit reinpacken können. Ich hatte diese Seed Bombs mal irgendwo gesehen - als Visitenkarten für Firmen. Das hat dann voll in das Absztrakkt-Konzept gepasst. Es ist einfach schön, wenn die Leute etwas aussäen können, was auch für die Natur gut ist und Früchte trägt.

"Ich glaube weder an Gott noch Teufel"

Du arbeitest immer sehr antithetisch in deinen Lyrics. Gut-böse, hell-dunkel, Gott-Teufel, Realness-Wackness. Im echten Leben gibts aber ja auch viel dazwischen. Böse Zungen würden diese Herangehensweise als plakativ und vielleicht auch ein wenig überholt abstempeln.

Absztrakkt: Ja. Aber es wirkt. Und jeder versteht das direkt. Das, worüber ich spreche, und dessen Zusammenhänge sind oft sehr schwer zu verstehen. Es ist leichter für die Zuhörer, wenn ich das plakativ aufteile in diese spezielle Bildsprache. Ich mach' das nicht immer so extrem, aber auf "Bodhiguard" hab' ich das verstärkt. Im echten Leben glaube ich weder an Gott noch an Teufel.

Du arbeitest auf Albumlänge immer gerne mit einem Produzenten oder einem Produzententeam zusammen. Diesmal mit den Snowgoons, auf deren Sampler "Terroristenvolk" du schon zu hören warst. Wie kamt ihr zusammen?

Absztrakkt: Wir waren damals schon länger über das Internet in Kontakt, seit MySpace-Zeiten schon. Die haben mich zum Sampler damals angefragt und fanden das Resultat so gut, dass sie gleich ein gemeinsames Projekt machen wollten.

Die Snowgoons haben das komplette Album produziert und erst danach hast du angefangen, darauf zu schreiben.

Absztrakkt: Ja, ich wollte erst alle Stimmungen haben. Da ich das immer mit den Snowgoons-Beats verbunden habe, hatte ich ein bisschen Schiss, dass alles zu monumental und episch wird. Ich wollte über verschiedene Inhalte schreiben, die ich im Geiste quasi schon fertig hatte. Hierfür wollte ich aber erst den kompletten Faden. Ein Song sollte auf den nächsten Bezug nehmen und umgekehrt, damit alles richtig ineinander fließt. Erst als ich alle Beats hatte, hab' ich wirklich losgelegt.

Arbeitest du immer so: erst der Beat, dann die Lyrics?

Absztrakkt: Ja, ich schreib' nie vor. Ich brauch' den Vibe vom Instrumental, die Stimmung, die der Beat mir vorgibt.

Ihr wart also gar nicht zusammen im Studio?

Absztrakkt: Nee. Wir haben uns kennengelernt auf einem Auftritt in Münster, wo viele Mitwirkende vom "Terroristenvolk"-Album dabei waren. Mir war wichtig, vom Vibe her zu checken, ob ich mit denen zusammenarbeiten kann. Aber das sind echt so richtige Hip Hop-Jungs. Für mich war sofort klar, dass wir das auf jeden Fall machen. Sie haben mir die Beats geschickt und ich habe die Tracks aufgenommen. Immer, wenn ich einen Song fertig hatte, haben sie den direkt gehört, damit sie auch wussten: Es passiert was. Ins Studio konnten wir nicht zusammen. Die sind ja auch dauernd auf Tour und immer busy mit anderen Leuten.

"Ich rappe aus dem richtigen Grund."

Absztrakkt: Man hat einen speziellen Skill und den sollte man über persönliche Sichtweisen hinaus gebrauchen, aber nicht missbrauchen. Schlechte Gründe sind Fame und Geld. Der richtige ist für mich das, was dem Wesen nutzt.

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