9. November 2016
"Sie gaben einem alten Mann viel Geld"
Interview geführt von Markus BrandstetterEr ist einer der profiliertesten Songschreiber im Pop-Zirkus und feierte auch als Interpret große Erfolge: Albert Hammond kann auf eine einzigartige Karriere mit zahlreichen Hits zurückblicken. Nun veröffentlicht er "In Symphony" - eine Orchester-Bearbeitung seiner größten Stücke.
Der 72-Jährige ist sichtlich begeistert davon, seine größten Erfolge mit hochkarätigen britischen Symphonikern neu aufgenommen zu haben. Als er sich das Album, so erzählt Albert Hammond, im Flugzeug über Kopfhörer angehört habe, sei ihm sogar eine Freudenträne über die Wange gekullert.
Im Gespräch gibt sich das Songwriting-Schwergewicht und Vater des The-Strokes-Gitarristen Albert Hammond Jr. freundlich und regelrecht überschwänglich. Man merkt's deutlich: da hat jemand großen Spaß.
Albert, erzähle doch mal, wie die Zusammenarbeit mit den Symphonikern zustande kam.
Ich trug die Idee schon seit einigen Jahren mit mir herum, meine Songs auf symphonische Art und Weise aufzunehmen. Ich dachte immer, was hätten wohl Beethoven, Schubert, Bach oder Mozart beispielsweise mit einem Song wie "One Moment In Time" gemacht? Irgendwann habe ich dieses Berlin Live-Ding gemacht, das gefilmt wurde, und Leute von BMG sind gekommen und haben sich die Show angesehen. Sie kamen auch zu einer anderen Show und sprachen mich an. Sie meinten, sie würden es toll finden, wenn ich eine Platte bei ihnen mache und ich antwortete: 'Die einzige Platte, die ich machen will, ist eine mit Symphonieorchester!'. Ich dachte, das wird ihnen viel zu teuer werden, aber sie sagten ja. Ich bin sehr glücklich darüber – dass mir diese Plattenfirma so eine Möglichkeit gibt, und das in meinem Alter. Ich bin ja kein 20-Jähriger mehr, der eine Zukunft vor sich hat. Sie geben das ganze Geld für einen alten Mann aus, das ist doch unüblich. Ich habe die Herausforderung angenommen.
Woher kanntest du Rob Mathes?
Als ich in die Songwriters Hall of Fame aufgenommen wurde, war Rob Mathes der Arrangeur. Ich fand seine Arrangements immer toll. Er hat Stings "Symphonicities" gemacht, aber auch George Michaels "In Symphony". Ich rief ihn an und meinte: 'Hör mal, ich habe die Möglichkeit, meine Hits mit einem Orchester aufzunehmen'. Er fand's toll, und so haben wir mit der Arbeit begonnen.
Hattest du bereits Erfahrung in der Arbeit mit Orchestern?
Mit einem Symphonieorchester habe ich nur einmal gearbeitet - als ich mit Julio "Song of Joy" aufnahm. Aber nie bei einem meiner Songs. Es stellte sich die Frage: Wie bleiben die Songs wiedererkennbar? Das war eine Herausforderung, aber Herausforderungen sind wichtig. Es war einfach wunderbar, wir haben zusammen daran gearbeitet, Rob liebte die Songs. Wir haben 14 Lieder aufgenommen, 12 sind es dann geworden. Ich wollte 20 machen, aber das wäre zu teuer geworden mit einem Symphonieorchester. Wir haben die Stücke zusammen ausgesucht. Die Rhythmus-Sektion haben wir in zwei Tagen in New York aufgenommen – inklusive meiner Vocals. Ich stand zwei Stunden in der Gesangskabine. Dann sind wir nach London, und haben anderthalb Tage das Orchester aufgenommen: den ganzen Tag. Wir haben die Musik fertig aufgenommen, ich habe noch eine Stunde gesungen und dann ging's ab zum Mix. In fünf Tagen war alles im Kasten.
Dann warst du ja wahnsinnig schnell mit den Vocals.
Ja, ich konnte es gar nicht glauben. Alles was ich sang, war so in Tune – Rob konnte es auch nicht fassen. Er hat das bei keinem anderen Sänger gesehen, meinte er. 'Normalerweise verwende ich immer Autotune, aber bei dir habe ich das bei keinem Song gebraucht', meinte Rob. Ich habe eben all meine Liebe und Leidenschaft in das Projekt gesteckt. Es ist etwas, das für immer da bleiben wird. Niemand wird das zerstören können, und es wird da sein, wenn ich längst tot bin. Deswegen sollte es besser auch wirklich etwas Schönes werden. Die Leute sollen es lieben, in ihrem Auto, bei ihnen zu Hause hören, wenn sie sich gut fühlen wollen. Das war mein Ziel bei den Aufnahmen, wie sich das jetzt im Verkauf auswirkt werden wir sehen (lacht). Ich bin der glücklichste Mensch der Welt zur Zeit. Wie ein Junge mit einem neuen Spielzeug.
Eine Coolness, die eine Albert-Hammond-Platte übersteigt
Wir reden ja von Hits, die nun wirklich jeder kennt, und die du auch schon x-fach gespielt hast. Wenn du deine alten Stücke neu bearbeitest: Lernst du neue Seiten an ihnen kennen?
Wenn ich das nicht täte, wären meine Vocals auch nicht so gut geworden. Ich hätte die Leidenschaft verloren. Wenn du die Platte hörst, merkst du aber ganz schnell, dass Albert da meint, was er singt. Es ist so wie beim Live spielen: Auch wenn es Abend für Abend die selben Songs sind: Ich gehe dorthin zurück als ich sie geschrieben habe, ich rede sogar über die Acts, für die ich das tat. Ich gehe in meinen emotionalen Zustand von damals zurück. Ich habe die Rhythmus-Sektion in New York aufgenommen, weil ich mich so fühlen wollte wie bei den ersten Aufnahmen von "It Never Rains In Southern California" mit der Wrecking Crew in Los Angeles. Ich suchte nach den besten Musikern, heute wie damals in den Seventies. Es war wie eine Zeitreise. Es war eine großartige Erfahrung, wir hatten soviel Spaß in den zwei Tagen, wir wollten gar nicht, dass es aufhört. Die Musiker kamen sogar, als ich die Gesangsspuren aufgenommen habe – einfach nur, weil sie dabei sein wollten, quatschen, gemeinsam lachen. Es war auch nicht das London Symphony Orchestra oder ein anderes Orchester, sondern die besten Symphoniemusiker aus verschiedensten Orchestern. Jedes Mal, wenn wir einen Song fertig hatten, waren sie begeistert: 'Albert, das ist toll. Wir erinnern uns an jeden Song, haben sie damals gehört'.
Wie gehst du in Sachen Arrangements vor?
Ich habe Rob Mathes erlaubt, die Führung zu übernehmen. Er ist der Arrangeur. Ich meinte nur, ich möchte es symphonisch, aber ich möchte auch im Auge behalten, was der Kern des Songs ist. Bei "It Never Rains ..." beginnt es mit den Bläsern – im Original waren das nur Flöten (singt). Es wie auf der Platte, aber auch wieder überhaupt nicht. Du kriegst das Beste aus beiden Welten. Es ist eine sehr spezielle Platte. Da ist auch ein Song drauf, "Estrellita", ein Public-Domain-Song. Ich habe den gesungen, als ich acht war – und habe jetzt ein Duett mit mir selbst gesungen. Da ist eine Coolness bei der Platte, die ein reines Albert Hammond-trifft-Orchester-Album übersteigt.
Es spricht ja nicht nur für die Qualität des Performers, sondern vor allem für die des Songs, wenn sich die Stücke so mühelos in andere Settings übersetzen lassen.
Ja – das ist ein tolles Wort: mühelos. Es funktioniert ja auch mühelos, deswegen konnte ich auch jeden Song einfach zweimal einsingen und dann sagen, mehr braucht es nicht. Das geht beim fünften Take nicht mehr.
Das habe ich auch oft gehört und erlebt: der zweite Take ist der Beste. Beim ersten singst du dich warm, beim zweiten hast du's dann.
Ja, weil dein ganzes Gefühl drinnen ist. Später wird es mechanisch, du tust es, um es eben zu tun. Deswegen sind Liveshows auch wichtig: Da hast du nur die eine Chance.
Denkst du dir manchmal, wenn du zufällig einen Song von dir im Radio hörst, "das ist schon echt ein ziemlich guter Song"?
Ich habe meine eigene Stimme nie gemocht, als ich jung war. Jetzt mag ich sie, zumindest mehr als früher. Die Leute haben meine Stimme damals geliebt, aber ich mochte sie nie, auch wenn ich auf Tape gesprochen habe. Das geht wohl vielen Künstlern so. Aber mittlerweile kann ich das genießen. Ich saß im Flugzeug und habe über Kopfhörer das "In Symphony"-Album gehört. Mir ist eine Träne runtergelaufen. Ich habe gehofft, dass das niemand gesehen hat. Ich liebe es, was ich jetzt tue.
Du bist in solchen Dingen ja eine Instanz: Was macht denn einen guten Song eigentlich aus?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ein Hit überhaupt ist. Ich weiß nur, dass ich meine Songs liebe, wie ich auch meine Kinder liebe. Was ich aber auch gelernt habe: Manche Songs tun sich leichter als andere. So wie das auch bei meinen Kindern ist. Manche sind stärker, manche ein wenig schwächer: Aber du liebst sie alle. Ich glaube auch gar nicht, dass ich eine Instanz in Sachen Songwriting bin. Ich kann kein Buch darüber schreiben, wie du einen Song schreibst. Das sollen andere machen. Ich kann mich hinsetzen und einen Song schreiben, aber weiß auch nicht wie das funktioniert.
Eine ziemlich gute Geschichte…
Erinnerst du dich an den ersten Song, den du geschrieben hast?
Ja! Der erste Song, den ich geschrieben habe, war ein Stück namens "Blue Boy". Ich war damit im britischen Fernsehen in einer Show namens The One Show. Ich schrieb ihn, als ich 15 war - für ein Mädchen, das mit einem Boot nach Gibraltar, meiner Heimat, kam. Eine Gruppe von schottischen Schülern kam damals mit dem Boot hierher, ein großer Liner voller Highschool-Kids. Ich hatte eine Band namens The Diamond Boys, und sie wollten, dass wir am Schiff singen. Ich sah dieses Mädchen in der ersten Reihe mit roten Haaren, sie lächelte mich an, ich lächelte sie an. Nachdem wir mit der Show fertig waren, sind wir Hand in Hand am Boot rumspaziert, haben gequatscht. Danach musste ich weg, weil das Boot weiterfuhr. Ich war traurig, begann zu weinen und schrieb das Stück "Blue Boy". Ich dachte, sie nie wieder zu sehen. Sie hat aber meine Karriere verfolgt, und als „It Never Rains" herauskam und mein Name omnipräsent war, fand sie einen Weg, mich zu kontaktieren, ich denke über die Plattenfirma. Sie schrieb mir: 'Bist du der Albert Hammond, den ich auf dem Boot kennenlernte, als ich ein Kind war'? Ich antwortete: 'Ja, und ich habe einen Song für dich geschrieben'. Irgendwann habe ich ein BBC-Radiointerview gemacht und darüber geredet. Jemand vom Fernsehen hörte es und fragte mich, ob ich weiß, wo sie ist. Ich meinte, dass ich eine E-Mail-Adresse von ihr hätte, sie könnten sie ja anschreiben, falls sie Lust hätten. Sie haben uns zusammengebracht, nach 50 Jahren oder so.
Das ist echt eine ziemlich gute Geschichte.
Ja, eine super Geschichte. Wie ein Film (lacht). Jetzt kommt sie zu meinen Konzerten. Sie bringt ihre ganze Familie mit. Meine erste Liebe!
Du liebst es immer noch, live zu spielen oder?
Ja, ich liebe es. Sonst würde ich es nicht tun – ich mache ja nicht viel Geld damit, ich spiele ja nicht für 50.000 Leute. Es ist so schön, das Lächeln im Gesicht der Leute zu sehen, die Energie, die sie mir zurückgeben. Es ist aufregend.
Und wie das Touren für dich?
Touren ist wunderbar, ich habe letztes Jahr 140 Konzerte gespielt. Dieses Jahr sind's über 100, auch gut. Nächstes Jahr mache ich aber weniger, weil ich ein Musical schreibe – mit dem deutschen Musicalschreiber Michael Kunze, der "Mamma Mia" und "Das Phantom der Oper" übersetzt hat. Er kam zu einer Show, war immer ein Fan meiner Musik und meinte, dass er gerne mit mir arbeiten würde. Ich meinte nur: 'Finde uns ein Projekt'. Nach einigen Monaten rief er und meinte: 'Ich hab ein Projekt für uns: ein Musical übers Matterhorn!'. Er erzählte mir die Geschichte und es klang interessant. Ich sagte gut, lass uns machen! Deswegen kann ich nicht ganz so viel touren.
Was ist für dich der Unterschied zwischen der Arbeit in einem Songwriting-Team und alleine zu schreiben?
Ich liebe Songwriting-Teams. Viel mehr, als alleine zu schreiben. Wenn ich Songwriting-Partner hatte, schrieb ich immer deren Name dazu, sogar wenn ich das Lied alleine geschrieben hatte. Es ist fast wie bei Lennon und McCartney. Schreiben kann sehr einsam sein. Ich mag es auch nicht, mit mehr als einer weiteren Person zu schreiben, auch wenn ich das auch bereits gemacht habe. Es ist toll, Ideen auszutauschen. Die Chemie muss stimmen und man muss sich mögen – man verbringt ja auch viel Zeit zusammen. Das mag ich: die Freundschaft, die Verbindung zweier Leute. Mein Partner starb 2001 ja recht jung, seitdem hatte ich nie wieder richtige Songwritingpartner.
Und was ist deine Meinung zu Songwriting-Tanks, wo zwanzig Leute einen Song schreiben?
Nun, es ist ok - wenn sie das so tun wollen. Ich habe einmal einen Song auf diese Art geschrieben. Ein paar berühmte Songwriter, zum Beispiel Michael Bolton, sind nach Russland gefahren um mit russischen Schreibern zu arbeiten. Das war im Kalten Krieg, 1988. Wir fuhren nach Moskau und Leningrad, heute St. Petersburg. Eines Nacht sind wir zusammengesessen und haben beschlossen, zu fünfundzwanzigst einen Song zu schreiben. Das war ein Spaß – aber immer würde ich das nicht machen wollen. Aber wenn Leute so schreiben ist das okay. Gerade gestern hat mich mein Sohn angerufen. Ich fragte ihn, was er denn so treibt. 'Bin gerade im Studio', meinte er. 'Mit deiner Band?', fragte ich. 'Nein mit den Strokes'. 'Nehmt ihr auf?' - 'Nein wir schreiben Songs'. 'Alle?' - mir wären das einfach zu viele. Aber wenn man so schreiben kann, warum nicht?
1 Kommentar
Albert Hammond !!!
Ich hatte seinen Namen immer mal wieder gehört.
Ein ganz großer Musiker, das ahnte ich damals schon als ich noch regelmäßiger Radiosendungen hörte.
Dann kamen die Beatles, Stones und Status Quo dazu.
Aber Alberts gute Musik tauchte immer wieder auf.