laut.de-Biographie
Alex Christensen
Die Titelmelodie zu "Das Boot" geht eigentlich auf das Konto Klaus Doldingers. Tatsächlich reitet aber ein anderes U-Boot die Welle des Erfolgs. An Bord der U96 freut sich Produzent und DJ Alex Christensen Anfang der 90er Jahre über den bisher größten Erfolg seiner Laufbahn. In 22 Ländern stürmt der Track samt selbstgeschnittenem Video die Spitzen der Charts. In Deutschland hält er sich satte 13 Wochen auf der Eins. Christensen und das ebenfalls beteiligte Produzenten-Team Matiz haben alles richtig gemacht.
Obwohl man ihn in Techno-Kreisen - ähnlich wie die Kollegen von Scooter - gar nicht so gerne um sich haben möchte ("Das ist doch kein Techno, das ist Eurodance!"): Christensen und Kollegen nehmen für sich in Anspruch, ein ganzes Genre revolutioniert zu haben. "Das Boot" habe Techno, wenn nicht salon-, so doch wenigstens chartsfähig gemacht.
Im Rückblick zeigt sich Christensen gelassen: "Prinzipiell ist das immer Glückssache", räumt der 1967 in Hamburg-Wilhelmsburg Geborene im Interview mit dd-inside.com ein. "Wenn du den Zeitgeist triffst, hast du auch Erfolg." Die Jagd nach dem Zeitgeist vollzieht sich auf verschlungenen Wegen. Auf eine Stilrichtung will sich Christensen nicht festnageln lassen.
"Ich lasse mich von allen Musikströmungen leiten. Mir macht es Spaß, zwischen den Genres hin und her zu springen und mich eben nicht festzulegen, um zum Beispiel nur der Techno-Guru zu sein. Diese Zeit hatte ich vor 17 Jahren, da war das auch ganz spannend. Aber auf die Dauer wird das langweilig."
Tatsächlich tanzt der Mann, der ab 1996 alleine hinter dem Projekt U96 steckt, auf vielen Hochzeiten. Er legt rund um den Globus zusammen mit Mitstreitern wie Sven Väth, Moby oder Westbam auf, avanciert zum gefragten Remixer und versucht sich sogar als Schauspieler. Sein Hauptbetätigungsfeld beackert er jedoch als Produzent. Mit U96 kreiert er einen ganz eigenen Sound, der sich, angereichert mit eingängigen, meist aus wenigen Worten bestehenden Refrains, im Gehör festsetzt.
Seine Beteiligung als Jury-Mitglied bei "Popstars" verschafft ihm 2001 einen Popularitäts-Schub. Für die Sieger der Staffel, Bro'Sis, schreibt und produziert er die Nummer "I Believe": der Titel landet wieder auf Platz 1 der Charts. Christensen kassiert einen Echo in der Kategorie "Bester Produzent National". Ab 2002 veröffentlicht er auch unter dem Kürzel Alex C. Mit der Sängerin Yasmin Knock, später Y-Ass, entspinnt sich in dieser Zeit eine Jahre währende Zusammenarbeit.
Nach weniger erfolgreichen Comeback-Versuchen mit U96 verlegt er sich noch weiter weg vom Techno, hin zu Eurodance mit deutschen Texten. "In der Sprache fühle ich mich sehr wohl und kann mich gut ausdrücken." Betrachtet man die Titel der Ergüsse, die 2007 in den Äther entfleuchen, kommen einem daran durchaus leise Zweifel: "Du Hast Den Schönsten Arsch Der Welt", heißt es da. Oder "Du Bist So Porno".
"Ich glaube es ist einfach die Sprache der Straße, die mich inspiriert hat." Nun, ja. Der Erfolg gibt dem Hamburger recht: Auch mit "Du Hast Den Schönsten Arsch Der Welt" landet er wieder auf dem Spitzenplatz von Klingelton- und sonstigen Charts. Plagiatsvorwürfe, die Nummer stamme eigentlich von The Soundlovers und bereits aus dem Jahr 1996, fügen den Verkaufszahlen keinen Schaden zu.
Nach dem gefloppten U96-Album "Out Of Wilhelmsburg" 2007 steigt Christensen aus. Es ist das erste U96-Album, das nicht in die Top 100 eingestiegen ist. Hayo Lewerentz und Ingo Hauss machen ohne Christensen und Hoinkis weiter und veröffentlichen 2015 das Album "Reboot". Derweil arbeitet Christensen im Laufe der Jahre mit den unterschiedlichsten Künstlern zusammen: N'Sync, Yvonne Catterfeld, Ben & Kate Hall, Lukas Hilbert und Oli P., Tom Jones, Marianne Rosenberg, Right Said Fred, Das Bo oder Jose Carreras. Dem DSDS-Zweiten des Jahres 2008, Fady Maalouf, produziert Christensen dessen Debüt-Album "Blessed".
Ab 2005 versucht er sich zudem auf dem Swing- und Jazz-Parkett. Mit Paul Anka entsteht "Rock Swings", mit Michael Bolton "Bolton Swings Sinatra". Zusammen mit dem Broadway-Sänger Oscar Loya bildet er das Projekt Alex Swings Oscar Sings.
Nach dem blamablen Abschneiden der No Angels beim Eurovision Songcontest in Belgrad 2008 fällt der Vorentscheid durch das TV-Publikum weg. Eine Jury, in der unter anderem Guildo Horn sitzt, soll einen aussichtsreichen Kandidaten zum Wettbewerb nach Moskau entsenden. Die Wahl fällt auf Christensens Projekt, das aber trotz Unterstützung der Edel-Stripperin Dita von Teese mit "Miss Kiss Kiss Bang" im Wettbewerb gnadenlos untergeht.
Im Jahr 2012 übernimmt er eine Nebenrolle in der von Studio Braun initiierten NDW-Persiflage "Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte". Für das Fraktus-Debüt "Millennium Edition" remixt er den Song "Affe Sucht Liebe".
Für Helene Fischer produziert er das Album "Weihnachten". 2017 tritt er wieder solo in Erscheinung. Gemeinsam mit dem Berlin Orchestra nimmt er sich 2017 für "Classical 90s Dance" Hits der 90er Jahre vor, die er neu arrangiert. Das Konzept setzt sich durch: In den Folgejahren erscheinen zwei weitere Teile. Dann hat Christensen die 90er durch und geht noch ein bisschen weiter zurück: "Classical 80's Dance" konzentriert sich logischerweise auf das vorangegangene Jahrzehnt. Auch hier gewinnt er wieder zahlreiche Kolleg*innen der Branche, die den Gesang der Klassiker übernehmen, darunter Ronan Keating, Sophie Ellis-Bextor, Gary Barlow und Bonnie Tyler, die ihren Originalsong gleich selbst singt.
Auch hier fühlt Christensen eine direkte Verbindung zu seinem eigenen Schaffen: "Wenn wir uns an Ikonen dieser Zeit, an Boy George und Divine, oder an Songklassiker wie 'Smalltown Boy' erinnern, wurden Freiheitsaussagen getroffen, von denen wir in der Techno-Dance-Bewegung ein paar Jahre später, in den 90er Jahren, stark profitierten. Die Kernbotschaft war damals: Liebe wen auch immer du willst! Der Übergang zwischen der Freiheitsbewegung in den 80er Jahren und unserer Techno-Bewegung in den 90s war fließend. Mein neues Album feiert die Songs mit denen ich aufwuchs, während ich die Musik des Folgejahrzehnts aktiv mitgestalten konnte."
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