18. Juni 2013

"Ich habe nie gesagt, dass Wolfmother tot ist"

Interview geführt von

Jahrelang reiste Andrew Stockdale mit den unterschiedlichsten Wolfmother-Line Ups um die Welt. Damit ist jetzt Schluss. Papa Wolf lässt sein Rudel ziehen und geht fortan lieber eigene Wege.Bereits vor der Veröffentlichung seines ersten Albums unter eigenem Namen überraschte das australische Wunschmodel tausender Frisör-Azubis von Melbourne bis L.A. mit ungewohnt groovigen Beachsounds. Die vorab präsentierte "Keep Moving"-EP hatte nur noch wenig mit den kantigen Sabbath-Huldigungen vergangener Wolfmother-Werke zu tun. Auf dem gleichnamigen Longplayer segelt Stockdale völlig unbeirrt weiter in Richtung Sonnenuntergang. Wo kommt nur all die positive Energie auf einmal her? Wir fragten beim Verantwortlichen nach.

Hi Andrew, dein erstes Album unter eigenem Namen ist auf dem Markt. Wie fühlt sich das an?

Es ist ein tolles Gefühl. Ich habe in den letzten drei Jahren sehr hart an diesem Album gearbeitet. Dabei haben mich unheimlich viele wunderbare Menschen unterstützt, ohne die ich es wahrscheinlich gar nicht geschafft hätte.

Wer waren diese Menschen?

Oh, das waren echt viele. Lass mich mal überlegen ... Ian Peres, Vin Steele, Elliott Hammond, Hamish Rosser, Will Rockwell-Scott und Dave Atkins. Das sind erst einmal die, die man auch auf dem Album hört. Aber es gab auch viele Freunde und Kumpels, die für den Entstehungsprozess des Albums mindestens genauso wichtig waren, auch wenn sie letztlich nicht mit im Studio waren. Namen spielen aber auch keine Rolle. Ich habe ihre Gesichter und ihre Taten ganz fest in meinem Kopf und meinem Herzen verankert.

Wann kam dir denn das erste Mal der Gedanke, das neue Album nicht unter dem Wolfmother-Banner zu veröffentlichen?

Das war ein ziemlich langer Prozess. So richtig klar wurde mir das vor ungefähr einem Jahr.

Erzähl doch mal.

Naja, ich hatte davor schon längere Zeit ein schlechtes Gefühl mit dem Bandnamen. Es fühlte sich einfach falsch an, weil außer mir keiner der Namensgeber mehr an Bord war. Irgendwann flüsterte mir dann ein Männchen in meinem Hinterkopf zu, dass ich es doch einfach begraben solle. Ich ging also zu meinem Manager und erzählte ihm, dass ich das kommende Album unter meinem Namen veröffentlichen will.

Ich kann mir vorstellen, dass der wahrscheinlich nicht gerade begeistert in die Hände geklatscht hat, als er das hörte, oder?

(lacht) Es ging. Ich habe eigentlich mit wesentlich mehr Gegenwehr gerechnet.

Wie hat der Rest deines Umfeldes reagiert?

Es gab schon einige, die mich vehement davon abbringen wollten. Ich würde einen großen Namen beerdigen und so. Aber das war mir egal. Natürlich wäre es einfacher gewesen, so weiterzumachen. Aber wäre es auch authentisch? Ich glaube nicht. Geld ist nicht alles im Leben. Mir ist es wichtiger, hinter den Sachen stehen zu können, die ich anpacke. Und die Leute, die die neue Scheibe nicht hören wollen, nur weil nicht mehr Wolfmother vorne draufsteht, auf die kann ich gerne verzichten.

"Bei Wolfmother hatten wir eine etwas derbere Leichtigkeit"

Du hast 250.000 Pfund aus deiner eigenen Tasche in die Produktion gesteckt. Ging es dir dabei hauptsächlich um bedingungslose Freiheit?

Ja, absolut. Wenn man das Geld anderer Leute annimmt, um was Eigenes auf die Beine zu stellen, dann ist das irgendwie schief, finde ich – zumindest fühle ich im Moment so (lacht). Ich wollte einfach nur sicher gehen, dass ich unbeschwert arbeiten kann, ohne Zeitdruck, ohne Projektfremde im Hintergrund und vor allem mit der Gewissheit, dass ich der einzige bin, der sich über irgendwas beschweren kann, falls die Dinge aus dem Ruder laufen. Deshalb habe ich auch die Produktion übernommen.

Das klingt alles sehr zufrieden und positiv.

Oh, ja. Und wie! Ich bin einfach nur happy. Ich liebe dieses Album. Ich glaube, ich habe die meisten der Songs schon über 1000 Mal gehört. Und trotzdem hören sie sich immer noch frisch und neu für mich an.

Und irgendwie auch anders als das, was man bisher von dir kannte.

Das wollte ich auch. Es ging mir nicht darum, nur den Namen auszutauschen. Ich wollte komplett neue Wege gehen, wobei die Basis immer noch präsent ist. Nur die Stimmung ist eine andere.

Von der Wüste an den Strand, würde ich sagen.

(lacht) Yeah, das klingt gut. Seit ich an der Ostküste wohne, fühlt sich alles irgendwie lockerer und leichter an, verstehst du? Ich meine, wir hingen viele Tage einfach nur am Strand ab und haben drauflos gejammt. Dann saß ich irgendwann in irgendwelchen Hotelzimmern oder im Tourbus und wollte all die Ideen und Eindrücke festhalten.

Hat dir diese Leichtigkeit in der Vergangenheit auch ein bisschen gefehlt?

Das ist schwer zu sagen. Dieses Projekt ist von der Atmosphäre her eine ganz andere Baustelle. Songs wie "Keep Moving" oder "Long Way To Go" hätten sich unter dem Wolfmother-Banner schwer getan. Bei Wolfmother hatten wir eine andere, etwas derbere Leichtigkeit. Das war auch toll.

So toll, dass eine Rückkehr nicht komplett ausgeschlossen ist?

Ich habe nie gesagt, dass Wolfmother tot ist. Wir werden sehen, wie es in der Zukunft weitergeht. Momentan steht aber dieses Projekt an erster Stelle.

"Kinder sind das größte Glück der Erde"

Hast du noch Kontakt zu Chris (Chriss Ross) und Myles (Myles Hesket)?

Nein, im Moment nicht. Wir haben uns einmal getroffen und über dieses und jenes gequatscht, aber mehr war da nicht. In der Vergangenheit sind einfach ziemlich viele Brücken um uns herum eingestürzt, so dass von der einstigen Freundschaft nicht mehr viel übrig geblieben ist.

Klingt traurig.

Ja, das ist es auch. Aber manchmal ist das Leben halt so. Dennoch würde ich nie einen Schlussstrich unter das Kapitel Wolfmother ziehen. Wer weiß schon, was in ein paar Jahren wieder möglich ist? Es gibt Bands, bei denen sich die Beteiligten irgendwann noch weniger zu sagen hatten und heute trotzdem wieder auf der Bühne stehen. We'll see.

Du bist mittlerweile Vater einer vierjährigen Tochter. Jennifer heißt sie, richtig?

Ja, sie ist bezaubernd. Kinder sind das größte Glück der Erde.

Die Geburt eines Kindes verändert alles. Der Fokus wird komplett neu ausgerichtet. Wie war das bei dir?

Nun, zu Beginn war es ungewohnt, keine Frage. Plötzlich ist da ein kleiner Mensch, der deine volle Aufmerksamkeit braucht. Das ist schon eine große Umstellung. Aber die Liebe fängt alles auf. Damals bewegte ich mich ja auch noch in einem Umfeld, das mich sehr vereinnahmte. Ich war nur ein kleines Rädchen. Damit ich abends zufrieden ins Bett gehen konnte, mussten tagsüber dutzende Menschen funktionieren. Diese Abhängigkeit war Bestandteil meines Alltags. Als meine Tochter dann zur Welt kam, war auf einmal alles anders.

Ich wachte morgens auf, mein Kalender war voller Termine und meine Tochter schrie. Ich cancelte alle Dates und kümmerte mich um Jennifer. Ich verabschiedete mich allmählich von festen Abläufen. So fand ich zu dem Bewusstsein, dass ich die meisten Arbeiten, die bisher andere Leute für mich erledigt hatten, selbst in die Hand nehmen kann. Und weißt du, was das Beste daran war? Es funktionierte nicht nur, es lief sogar besser als je zuvor. Es mag sein, dass es viele Menschen gibt, die nach der Geburt eines Kindes im Arbeitsleben Probleme kriegen. Bei mir war es zum Glück anders. Ich sprühte nur so über vor Tatendrang.

Hast du dich seitdem auch als Musiker verändert?

Ja, ich denke schon. Das eigene Fleisch und Blut aufwachsen zu sehen ist ungemein inspirierend. Da schießen einem plötzlich Ideen und Visionen durch den Kopf, die man kaum beschreiben kann. Es geht um die Energie der Liebe. Manchmal steht Jennifer morgens auf und malt acht Stunden am Stück mit Fingerfarbe. Hallo? Wie geil ist das denn? Ich sitze dann daneben und kann meine Augen nicht abwenden – so viel Kreativität und so viel Unbekümmertheit. Kinder sind so unverdorben.

Wir Erwachsenen kriegen es doch heutzutage nicht mal mehr hin, uns für eine halbe Stunde fallenzulassen: Im Hinterkopf brummt es, das Telefon klingelt, der will dies, die will das. Das ist doch Scheiße. Ich wollte auch wieder einfach leben, verstehst du? Und Jennifer hat mir dabei geholfen.

Sie hat gemalt, sich Bilder angeguckt, oder einfach nur dagesessen und gelächelt. Ich wollte das auch. Ich wollte auch wieder ich sein – das tun, was ich will, ohne dabei auf die Uhr zu schauen, oder mir Gedanken zu machen, was draußen in der Welt gerade vor sich geht. Ich meine, hör dir mein Album an. Da steckt ganz viel Freiheit drin.

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