11. September 2017
"Trends törnen mich ab!"
Interview geführt von Manuel BergerAbgesehen von In Flames erreicht wohl keine Melodic Death Metal-Band mehr Leute als Arch Enemy. Statt nach dem Verlust Angela Gossows vor drei Jahren einzugehen, wuchs die Popularität der Schweden seit dem Einstieg von Alissa White-Gluz und ihrem Debüt "War Eternal" nur noch weiter. Auch 2017 ist ihr "Will To Power" ungebrochen.
Es gibt ahnbarere Orte, eine Melodic Death Metal-Band zu treffen, als den Balkon des K.I.Z.-Managements. Doch die Aussicht über den Dächer Berlins ist super, die Sonne scheint, die Shades sitzen und Alissa White-Gluz und Michael Amott geben bereitwillig Auskunft über ihr neues Album "Will To Power". Gesprächsstoff bieten Arch Enemy anno 2017 nicht nur wegen der neuen Klargesang-Affinität.
Michael, in der Pressemitteilung zum neuen Album steht ein Zitat von dir: "Ich finde, die Szene ist ziemlich trendgetrieben."
Michael: Naja, ich meinte damit weniger, dass die Metalszene sehr trendgetrieben ist, sondern vielmehr, dass es Trends in ihr gibt.
Welche zum Beispiel?
Michael: Ach, ich weiß nicht. Ich bin ja schon eine Weile dabei und von Zeit zu Zeit kommt etwas auf, worüber alle reden. Erst war es Black Metal, dann Industrial Metal, dann Folk Metal. Und ein paar Jahre später interessiert sich plötzlich keiner mehr dafür. Es wandelt sich einfach ständig und neue Subgenres entstehen. Ich meinte das nicht negativ, sondern will damit ausdrücken, dass Metal eben keine statische Form von Musik ist, sondern sich verändert und entwickelt. Aber: Arch Enemy ist ewig. (grinst)
Versucht ihr auch selbst, euch – im Sinne der Weiterentwicklung – an Trends zu orientieren?
Michael: Nein, überhaupt nicht. Wir blicken eher 'nach innen', wenn es darum geht.
Alissa: Mich törnen Trends ab. Du siehst immer Leute, die einfach nur versuchen, das genaue Gegenteil von etwas zu tun. Ich habe bereits mein halbes Leben lang blaue Haare – seit 1999 oder so. Damals war das ein Statement. Heute hat es jeder und ich denke mir: "Scheiße, ich will braune Haare!" Aber indem man sich gegen den Trend stellt, bedient man ihn irgendwie trotzdem. Musikalisch schenken wir so etwas nicht wirklich Aufmerksamkeit. Wir wollen nicht etwas tun oder nicht tun, weil andere es tun. Wir machen einfach, was unserer Meinung nach den besten Song ergibt.
Michael: Ich sah befreundete Bands, die gerne auf sowas ansprangen und meinten: "Oh, diese Band ist groß, wir wollten mehr wie sie sein." Aber bis du tatsächlich ein paar Songs in diesem Stil zusammenhast und alle ihre Haare abgeschnitten haben, ist der Trend vielleicht schon vorüber.
Alissa: Du verlierst dabei auch ein Stück deiner Identität. Warum solltest du ändern wer du bist, sobald du weißt, wer du bist? Bloß basierend darauf, was andere Leute sagen, tun oder hören? Ich habe das nie verstanden. Ich hatte auch Freunde, die sich ein Jahr lang total Gothic-mäßig stylten, im nächsten auf Punk bürsteten und plötzlich Pop oder was auch immer waren. Und das ist nur das Aussehen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wobei sie sonst noch entschieden, es so mir nichts, dir nichts zu überholen ...
Michael: Manche Leuten suchen möglicherweise einfach nur nach einer Identität. Ich finde es wichtig, sich darauf zu konzentrieren, was dich wirklich erfüllt. Und vielleicht wendet sich eines Tages das Blatt und du wirst genau damit populär. (lacht)
Textlich bewegt ihr euch ja ohnehin zeitlos. Es geht in erster Linie um Umweltthemen und innere Konflikte. Bei "Murder Scene" habe ich mich allerdings gefragt, ob es sich auf die aktuelle Situation in den USA bezieht. Du lebst ja als Kanadierin direkt nebenan, Alissa.
Alissa: Das stimmt, die USA sind quasi mein Hinterhof. Jedenfalls bis sie die Mauer bauen. Oder wir eine, um die Amerikaner draußen zu halten ... Aber nein: ich schreibe nicht gern über spezifische Ereignisse. Etwas, das jetzt wie ein großes Ding erscheint, ist vielleicht bald wieder nichtig. Nimm zum Beispiel die Kony-Sache vor ein paar Jahren, Genozid in Afrika – plötzlich wollten alle was darüber wissen, doch einen Monat später kümmerte es niemanden mehr. Es gibt so manches auf der Welt, wofür sich die Leute interessieren sollten – und viel davon sind globale Probleme. Nicht jeder muss sich um das sorgen, worum ich mich sorge, aber ganz allgemein gesehen ... sollten sie das doch! (lacht) Lass es mich so formulieren: Manche Dinge, die gerade Aufmerksam bekommen sollten, haben einfach vielschichtige Auswirkungen auf die Welt insgesamt: Tierrechte, Frauenrechte, LGBT-Rechte, Rassismus ... Das sind die Themen, über die ich schreiben möchte. "Murder Scene" kam tatsächlich eher aus einem persönlichen Impuls heraus, als aus einem politischen.
Michael: Die Lyrics gehen diesmal in viele verschiedene Richtungen und lassen sich auch so interpretieren. Es ist ein relativ abwechslungsreiches Album für Arch Enemy würde ich sagen. Es sind auch einige politische Sachen dabei: "Blood In The Water", "The Race". "The Eagle Flies Alone" ist eine Hymne für Individualität. In "First Deadly Sin" beschäftige ich mich mit jüngerer Geschichte ...
Alissa: "First Day In Hell" meinst du! (lacht)
Michael: Oh shit, falsches Album, haha. First. Day. In. Hell! Wie auch immer: Noch ein Thema ist Depression, etwa in "A Fight I Must Win" und "My Shadow And I". Im Text zu letzterem beleuchte ich das Thema aus verschiedenen Perspektiven.
Also habt ihr das Schreiben wieder unter euch aufgeteilt?
Alissa: Ja, genau.
Michael: Wir sind das wirklich Song für Song angegangen. Was passt zum Track?
Es gab demnach kein dominierendes Konzept, sondern das dominierende Konzept wart mehr oder weniger ihr selbst.
Alissa: Exakt. Allein dadurch, wer wir sind, nehmen wir bestimmte Meinungen an, wir haben eine bestimmte Sichtweise auf die Welt. Diese wird immer irgendwie in Arch Enemy präsent sein.
In der Philosophie Friedrich Nietzsches fällt ja ebenfalls der Ausdruck "Will To Power". Hatte das einen Einfluss auf euch?
Michael: Darüber bin ich erst sehr spät im Albumprozess gestolpert. "Cooler Titel", dachte ich mir und habe ein bisschen mehr gelesen. Es passte tatsächlich. Es geht um uns, um menschliches Verhalten. Und auf dem Album geht es ebenfalls darum. Klar ist das sehr breit gedacht, aber wir haben in der Band diskutiert und uns dafür entschieden.
Es existierte auch eine Pop-Gruppe mit demselben Namen. Wusstet ihr das?
Alissa: Nee, von wo kommen sie?
Aus den USA. Aktiv Ende der 80er – Mitschwimmer der Synthie-Pop-Welle. Ich frage deshalb, weil auf eurem Album hie und da auch ein paar Pop-Elemente durchschimmern, finde ich. Das Keyboard in "The World Is Yours" zum Beispiel.
Michael: Beim Breakdown meinst du? (singt) "Da da dada…"
Alissa: Ich selbst höre keine Popmusik. Von mir kommt der Einfluss jedenfalls nicht. Aber ich habe auch nicht diesen Keyboard-Part geschrieben. (lacht)
Michael: Ich hab ihn geschrieben. An Pop habe ich dabei nicht wirklich gedacht. Ich dachte an Melodie. Und Melodie ist ja wesentlicher Bestandteil Arch Enemys. Weißt du, ich will nicht dauernd schwarz-weiß malen, ein bisschen Farbe tut ab und an auch mal gut – solange es im Bandrahmen bleibt. Wir haben ja schon einen gewissen Sound und davon möchte ich mich nicht zu weit wegbewegen.
Alissa: Versteh uns nicht falsch: Es gibt großartigen Pop! Michael Jackson zum Beispiel. Aber da hört mein Popwissen ehrlich gesagt auch schon wieder auf. (lacht)
"Growls hätten lächerlich geklungen"
Ihr habt wieder mit Orchesterarrangements gearbeitet. Beim Vorgänger "War Eternal" waren die Streicher ja schon auf "Time Is Black" recht dominant. Habt ihr das das bewusst vom Vorgänger 'mitgenommen'?
Michael: Bei "War Eternal" haben wir das ja zum ersten Mal ausprobiert. Und entsprechend hatten wir den Kontakt zu jemandem, der arrangiert und klassisch komponiert. Wir fanden, es könnte spaßig werden, das nochmal zu machen. "A Fight I Must Win" schrie irgendwie nach etwas in dieser Richtung. Ich wollte unbedingt wieder Orchesterelemente ins Album einbauen – allzu viele passende Songs gab es dann aber auch nicht. Du willst ja die Arrangements nicht einfach draufpacken, nur um sie zu haben. Es muss schon passen. Wir spielen keinen Symphonic Metal. Für ein paar Songs engagierten wir außerdem einen Gastkeyboarder – Jens Johansson. All das sind weitere Farben, die wir verwenden können – wenn sie passen.
Die neue 'Farbe' zu der ihr momentan wohl am meisten gefragt werdet, dürften die Clean Vocals sein. Wessen Idee war es, diesmal Klargesang zu verwenden? Alissa?
Alissa: Ich wars tatsächlich nicht (lacht). Michael ist schuld. Oder kam das von Daniel? Michael jedenfalls hat den Song ("Reason To Believe") und die Lyrics dazu geschrieben.
Michael: Nachdem das Instrumental fertig war, dachte ich mir, es wäre echt cool, Klargesang dazu zu haben.
Also stand der Song bereits und die Idee kam erst anschließend.
Michael: Genau. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie man durch diesen Song durchgrowlen oder -screamen sollte. Das klänge wohl ziemlich lächerlich. (lacht)
Alissa: Oh ja!
Michael: Manchmal passiert sowas beim Songschreiben einfach. "Reason To Believe" ist eine Ballade – eine Heavy-Ballade, zugegeben. Eine Arch Enemy-Ballade! Der Song ist der erste seiner Art! Wir mussten uns überlegen, wie wir das vocal-technisch angehen wollen. Viele Bands schreien in den Strophen und singen dann im Refrain clean. Das ist ja seit vielen Jahren gängige Praxis. Ich dachte mir: Vielleicht können wir das umdrehen. Also probierten wir, clean anzufangen und später in die Screams zu gehen.
Du gestaltest den Übergang ja auch nicht abrupt, Alissa, sondern gehst erst von melodischem Klargesang in einen etwas rockigeren Ton über und von dort schließlich zum Growl.
Alissa: Ja, genau. Ich finde, das spiegelt sich im Song selbst auch wider. Er ist sehr dynamisch, fängt soft an, baut sich immer weiter auf, bis er im Refrain explodiert! Und dann geht es zurück – es implodiert gewissermaßen zurück zum persönlichen Sound – um sich dann wieder aufzubauen! Das Stück gleicht einem großen Push/Pull-System.
Ist das Clean-Singen für dich auch ein Schritt weg von Angelas 'Vermächtnis'?
Alissa: Nee, es war in keinster Weise eine Rebellion oder überhaupt als etwas in der Art intendiert. Ehrlich gesagt habe ich beim Aufnehmen überhaupt nicht an Angela gedacht – abgesehen vom Management-Zeug natürlich. Bei "War Eternal" sagte ich mir ja auch nicht: "Oh Gott, das klingt nicht wie Angela." Sie war in beiden Fällen nicht im Studio anwesend. Klar möchte ich, dass ihr die Songs gefallen – ich möchte, dass jedem die Songs gefallen!
Gefällts ihr?
Alissa: Ja!
Mit Angela habt ihr ja einst alte Johan Liiva-Songs neu aufgenommen...
Anm. d. Red.: Gründungsmitglied Johan Liiva sang auf den ersten drei Arch Enemy-Alben.
Michael: Nein, wir planen nichts dergleichen mit Alissa!
Darauf wollte ich gar nicht hinaus. Könntet ihr euch vorstellen, einige im Original gegrowlte Songs mit Clean-Vocals neu aufzunehmen?
Michael: Ah!
Alissa: Ich wollte das schon immer mal machen! Aber weißt du...
Michael: Wie das immer so ist mit Dingen, über die man spricht... Darüber haben wir tatsächlich schon gesprochen oder?
Alissa: Ja.
Oder vielleicht eine Live-Umsetzung?
Alissa: Um das umzusetzen, wäre ein recht großer Arrangement-Aufwand vonnöten. Ich müsste ja neue Gesangsmelodien schreiben. Es wäre wohl fast, als würden wir einen neuen Song schreiben. Denn je nachdem wie die Melodie ausfällt, würden wir im Zuge dessen ja auch die Instrumentalparts umarrangieren. Es klänge seltsam, die exakt gleiche Instrumentierung zu haben, aber kein Screaming. Ich habe mal überlegt, sowas als Akustik-Ding aufzuziehen. Aber in der Zeit, die zur Vorbereitung nötig wäre, könnten wir wohl auch einfach ein neues Album schreiben.
Michael: Ja, solche Sachen kosten schlicht wahnsinnig viel Zeit.
Alissa: Beim Soundcheck improvisiere ich manchmal mit Clean-Vocals. Weil es Spaß macht. Aber es klingt nicht unbedingt gut. (lacht) Wenn man das richtig machen würde, würde ich viel Zeit in die Melodien investieren.
Du arbeitest ja gerade an einem anderen Projekt, wobei man dich wohl ohnehin clean singen hören wird.
Alissa: Ja, ich werde ein Soloalbum rausbringen. Wenn Arch Enemy eine Pause machen – was nicht allzu oft vorkommt – drehe ich immer ein bisschen durch. Ich muss einfach irgendwas tun! Die Idee zum Soloprojekt stammt übrigens von Angela. Napalm Records sprangen sofort enthusiastisch drauf an. Also entschieden wir uns für diese Partnerschaft: Angela übernimmt das Management, Napalm bringt es raus und ich fing an, daran zu arbeiten. Für mich ist es ein weiterer kreatives Ventil. Es wird definitiv anders als Arch Enemy. Es gibt mir etwas zu tun – zum Beispiel wenn Michael und Sharlee (D’Angelo – Bass, Anm. d. Red.) mit Spiritual Beggars beschäftigt sind oder Jeff (Loomis – Gitarre, Anm. d. Red.) Gitarren-Workshops veranstaltet. Wir sind alle Workaholics und ich brauchte Beschäftigung für die Auszeiten. Arch Enemy hat aber natürlich nach wie vor Priorität.
Hast du schon was aufgenommen?
Alissa: Nee, wir haben ja gerade erst "Will To Power" fertiggestellt. 2017 stand bislang ganz im Zeichen davon. Aber 2016 habe ich zumindest 'das Gebiet abgesteckt', wenn du so willst. Ich habe mir ein Home-Studio eingerichtet, mir die Technik beigebracht, ein paar neue Gitarren besorgt und darauf geübt, Gesang auf neue Weise trainiert und ein paar Kollaborateure angesprochen. Das Grundgerüst steht, fünf Songs sind schon geschrieben. Die Hauptsache ist Spaß und gutqualitative Musik, die mir zusagt. Und ich werde es erst veröffentlichen, wenn es wirklich bereit ist. Ich will nicht zwischen zwei Arch Enemy-Touren in einer Woche durchhasten. Ein realistisches Datum für die Veröffentlichung ist wohl Ende 2018.
"Jeff klingt einfach geil!"
Michael, du warst letztes Jahr ja noch mit Black Earth beschäftigt. Mit Johan Liiva und deinem Bruder (Christopher Amott, Gründungsgitarrist; Anm. d. Red.) bist du durch Japan getourt, um ausschließlich Songs aus den Anfangstagen Arch Enemys zu performen. Die DVD erscheint ebenfalls nur in Japan. Wieso eigentlich?
Michael: Naja, gewissermaßen startete die Band dort richtig. Als wir anfingen und hier in Europa noch keine wirkliche Fanbase hatten, sprangen die Japaner drauf an. Die Verbindung ist immer noch sehr stark. Es war schon so ein Nostalgie-Ding. Aber auch viele Kids besuchten die Shows. Sieben Konzerte haben wir mit Black Earth in Japan gespielt und auf einer gewissen Ebene lief das sehr erfolgreich.
Die aktuelle Arch Enemy-Besetzung hat sich ja verändert: Jeff Loomis stieß als Gitarrist dazu. Am Songwriting war er meines Wissens ja nicht beteiligt, aber hat sich dein Songwriting verändert, weil du wusstest, dass Jeff in der Band ist? "The World Is Yours" zum Beispiel ist ja ein wahnsinnig schneller Song und er ist irgendwie bekannt für...
Alissa: ... Geschwindigkeit? (lacht)
Michael: Naja, dieser Song ist einfach nur schnell. Wir hatten ja vorher auch schon schnelle Songs, wie "Nemesis" zum Beispiel.
Alissa: Das Coole an Jeff als Gitarrist ist, dass du wirklich alles schreiben kannst und dir trotzdem sicher sein kannst, dass er in der Lage ist, es zu spielen und dabei geil klingt. Du musst nicht nachdenken, ob er das hinkriegt oder der Part vielleicht zu kompliziert ist.
Michael: Was das Songwriting angeht: Ich habe schon immer mehr oder weniger allein geschrieben. Wenn jemand Arch Enemy mag, mag er mein Songwriting. So ist das einfach. Ich will nicht wie ein Arschloch klingen, aber so ist es eben.
Das funktioniert immerhin seit 20 Jahren recht gut.
Michael: Manchmal ist es schon schwierig. Wir haben großartige Musiker in der Band und jeder will etwas beitragen. Und durch ihr Spiel tragen sie ja auch etwas bei. Es wäre nicht Arch Enemy, wenn wir nicht alle spielen würden. Wenn andere Bands unsere Songs covern, klingt das nicht wirklich nach Arch Enemy. Bei dieser Art von Musik macht individuelle Musikalität einfach ein großen Teil aus. Über die Jahre hatten wir ein paar Gitarristen und jeder brachte seine eigene Note in den Sound ein.
Apropos Besetzungswechsel: Die laufen bei euch ja immer recht smooth ab.
Alissa: Naja, der Kern der Band steht: Michael, Daniel (Erlandsson – Schlagzeug, Anm. d. Red.) und Sharlee sind schon eine Weile dabei. Und obwohl ich Angela als Sängerin ersetzt habe, ist sie als Managerin immer noch Teil des Bandgefüges. Sie wollte immer, dass Arch Enemy Erfolg haben und die Welt erobern und das tut sie nach wie vor. Aber ja, ich nehme an, wir befinden uns damit in einer recht einzigartigen Situation. Wir hatten Glück.
Michael: Immer wenn du deinen Laptop aufmachst, siehst du Neuigkeiten aus der Metal-Welt und denkst dir: "Hm, das ist nicht gut." Leute steigen aus oder werden gefeuert, es gibt böses Blut oder sie sprechen öffentlich darüber. Das kann echt hässlich werden. Als Angela aufhörte, legte sie uns Alissa ans Herz. Sie sagte: "Die würde ich nehmen. Probierts mal." Wir kannten ihre Arbeit ohnehin. Es war ein einzigartiger Übergang. Ein Sängerwechsel ist ein großes Ding und normalerweise entsteht dadurch erst einmal eine große Lücke.
Alissa: Der Übergang zu Jeff lief ähnlich glücklich. Er ist eine Ikone an der Gitarre und die Leute freuen sich einfach, ihn zu sehen. Er hatte damals keine aktiv tourende Band, also haben ihn die Fans sofort mit offenen Armen empfangen. Und er ist ein supernetter Typ, es ist total entspannt, ihn im Tourbus zu haben.
Michael: Bisher lief es wirklich dramenfrei. Ich bin ja auch nicht scharf auf all diese Line-Up-Wechsel. Du gründest schließlich keine Band und sagst: "Hey, das wird super und wir werden viele Besetzungswechsel durchlaufen!" (lacht) Es passiert einfach – das Leben passiert. Menschen ändern ihre Prioritäten, wollen mehr Zeit zuhause oder mit ihrer Familie verbringen oder es passt zwar noch auf musikalischer, aber nicht mehr auf persönlicher Ebene. Eine Band wie Arch Enemy verschluckt dich einfach, nimmt dein ganzes Leben ein. Sowas frisst wahnsinnig viel Zeit und es ist definitiv nicht für jeden was. Du musst schon ein bisschen verrückt sein dafür. (lacht) Du musst eine Menge dafür opfern. Das gilt freilich nicht nur für Arch Enemy, sondern für jede andere Band da draußen, die viel tourt.
Und du hast sogar zwei Bands.
Michael: Das sagt einiges oder? (lacht) Ich mache das schon so lange, es ist zu einem Lifestyle geworden.
Bereut oder vermisst ihr manchmal etwas?
Alissa: Ich versuche, ohne Reue zu leben – und genauso ohne Erwartungen. Ohne diese beiden Dinge zu leben, macht dich glücklich. Wenn du zu viel erwartest, wirst du immer enttäuscht. Wenn du alles bereust, lebst du in der Vergangenheit.
Michael: Ich bin ganz bei Alissa. Wobei ich hinzufügen möchte, dass es bei uns ja funktioniert hat. Wenn alles plötzlich im Sand verlaufen wäre, sitzt du natürlich da und denkst dir hättekönntesolltewürde. Wir sind drangeblieben. Es war nicht immer einfach – wir konnten nicht immer nett über den Dächern Berlins sitzen und den ganzen Tag mit Leuten reden. Es war eine Reise und ein Mischmasch aus mehreren Erfolgslevels. Wenn du dranbleibst und deinem Herzen folgst, ist das der beste Weg, denke ich.
Welch Schlussworte!
Michael: Scheiß Schlussworte waren das. Folge deinem Herzen – oh mein Gott!
Alissa: Mach deine Träume wahr!
1 Kommentar
Einfach sympathische Leute und eine coole Band! Gutes Interview!