23. Februar 2015
"Man kann sich nicht aussuchen, in welcher Szene man stattfindet"
Interview geführt von Thomas HaasDie wahrscheinlich längste Promophase der Welt findet im März ihr Ende. Seit fünf Jahren angekündigt, erscheint der selbsternannte Klassiker "Normaler Samt" von Audio88 & Yassin nun tatsächlich.
Es wird normal. Keine Neuauflage ihrer "Herrengedeck"-Reihe, also. Selbst der vermutlich vorurteilsbehaftetste Albumtitel im Deutschrap schreckt Audio88 & Yassin nicht ab, ihrem Unmut der Szene gegenüber Ausdruck zu verleihen. Zwischen deinem "Hundestammbaum" und "Schmutzige[n] Rapper[n]" formulieren die beiden mehr Wahrheiten, als so mancher wahrhaben mag. Kurz vor der Veröffentlichung sprachen wir mit den beiden über ihren Albumtitel, inhaltliche Verschiebungen, Einflüsse und politischen Rap.
Deutschrap-historisch betrachtet tretet ihr mit eurem Albumtitel, sagen wir mal, in Fußstapfen. Wie ist die Anlehnung zu verstehen? Besonders in Bezug darauf, dass Torch ja auch ein paar giftige Zeilen abbekommt.
Y: Das kam nicht unbedingt daher, dass wir gesagt haben: "Torch hat ein Album gemacht, das hieß so, jetzt müssen wir unseres auch so ähnlich nennen." Wir wussten halt, dass wir einen Klassiker geschaffen haben. Und um den Leuten das möglichst schnell klar zu machen, haben wir den Titel gewählt. Und weil wir einfach den normalsten Samt von allen haben.
In die Richtung wäre auch meine nächste Frage gegangen: Was macht euren Samt so normal? Und wieso hat er keine Farbe?
A: Wir haben den so normal gemacht. Und Farben sind rassistisch!
Ihr habt aber keine Ambitionen, mit "normal" oder wahlweise auch "Schmutz" das nächste Jugendwort des Jahres zu liefern?
Y: Das können wir ja nicht entscheiden, das entscheidet die Jugend.
A: Ich glaube nicht, dass Haftbefehl vorhatte, dass "Babo" Jugendwort wird.
Audio, in sozialen Netzwerken postest du recht regelmäßig deine "Platte des Tages". Im Rahmen dessen hast du "Normaler Samt" als "Platte des Lebens" bezeichnet. Floskel oder Ernst?
A: Das ist mein Ernst.
Yassin, gilt das auch für dich?
Y: Ja, da hat er wohl recht.
A: Hab' ich oft.
"Savas hat uns geprägt, da können wir das auch sagen"
Euer letztes offizielles Album "Nochmal Zwei Herrengedeck, Bitte" liegt bereits fünf Jahre zurück. In der Zeit hat sich für euch sicherlich viel geändert. Hat das auch inhaltliche und soundtechnische Auswirkungen?
A: Das lässt sich ja gar nicht vermeiden.
Y: Das ist bei jedem Künstler so, dass neben der Musik oder auch durch die Musik Dinge passieren, die sich dann auch in der Musik wiederfinden. So war das bei uns eben auch. Unsere Werte sind trotzdem größtenteils die gleichen geblieben, nur die Art und Weise, wie wir diese in Worte fassen, hat sich vielleicht ein bisschen verändert.
Konkret? Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass sich euer Themenspektrum ein wenig vom Alkohol abgewendet hat. Zudem habt ihr in jedem Track eine Hook, teilweise sogar gesungen.
Y: Na ja, wir konnten uns einfach keinen Alkohol mehr leisten. Deswegen haben wir Hooks gemacht, um uns wieder welchen leisten zu können.
A: Ja, sicherlich. Zum Malen haben wir hier einfach einen anderen Pinsel benutzt. Das Bild ist ja trotzdem unseres.
Y: Wir hatten beim Schreiben oder Ausproduzieren nicht das Gefühl, dass wir aufgrund eines anderen Sounds oder einer anderen musikalischen Herangehensweise inhaltliche Abstriche machen mussten.
A: Nö.
Y: Wir sind immer noch genauso deep wie vorher.
Wie schon bei "Dies, Das" mit Dexter, das ja zu einem kleinen Sommerhit avancierte, basiert der Track "Schmutzige Rapper" auf einer alten Savas-Line. Ist das euer neues Erfolgsrezept?
A: Hoffentlich. [lacht]
Y: Es ist nicht zu leugnen, dass Savas auf jeden, der nicht gerade erst vor zwei Jahren mit dem Rappen angefangen hat, einen großen Einfluss hatte. Dieser Einfluss findet sich bei uns jetzt auch wieder, wenn auch ein wenig später als bei anderen. Wir haben in letzter Zeit einfach gemerkt, dass er damals Sachen gesagt hat, die einfach gut waren und die man am Leben erhalten sollte.
Und das macht er heute nicht mehr?
Y: Doch, bestimmt. Das hat aber einfach noch nicht den gleichen nostalgischen Wert.
A: Man kann einfach sagen, dass Savas bei uns beiden in der Jugend sehr prägend war. Jetzt sind wir halt geprägt, dann können wir das auch sagen.
Mal abgesehen von eurer ganzen Battle-Thematik seid ihr auch für eure gesellschaftskritischen Texte bekannt. Habt ihr jemals darüber gesprochen, ein noch politischeres Album zu machen?
Y: Wir haben das ehrlich gesagt nie so wahrgenommen, das wurde uns nur immer gesagt. Es war nie unsere Absicht, etwas politisches zu sagen, was sonst keiner sagt. Wir beschäftigen uns eben mit Dingen, und eines davon ist neben deutschem Rap einfach die Realität. Allein dadurch findet sich so etwas dann auch in den Texten wieder. Es war noch nie unser ausgegebenes Ziel, deswegen haben wir auch noch nie darüber gesprochen, ob wir ein politisches Album machen sollen.
"Normaler Samt" hat vier oder fünf Jahre Verspätung oder ist zumindest schon so lange angekündigt. Hats wirklich so lange gedauert oder ist jetzt der richtige Zeitpunkt, wenn man die aktuellen Entwicklungen im Deutschrap betrachtet?
A: Hat tatsächlich so lange gedauert. Aber es ist vielleicht auch mal ganz interessant für andere Menschen, wenn man sich ein Album anhört, wofür man sich Zeit genommen hat. Da hört man einfach, dass es besser klingt.
"Wenn wir ein Gegenpol sind, kann ich gut damit leben"
Was euch auch zu stören scheint, ist die zielgruppenorientiere Ausrichtung der eigenen Kunst. Audio, du rappst: "Wie fühlt sich das an, wenn nur Kinder einen ernst nehmen?" Definiert ihr euch ein wenig als Gegenpol zu dieser ganzen selbstoptimierten, technikaffinen Ecke?
A: Als erstes definieren wir uns ganz einfach als wir selbst und als Menschen, die sich an gewissen Dingen stören. Wir wollen uns nicht in der Deutschrapszene als Gegenpol von irgendetwas anderem hochstilisieren. Wenn wir das am Ende sind, kann ich aber gut damit leben.
In "Nett Sind Sie Alle" beschreibt ihr eine unangenehme Backstage-Konfrontation. Wie ernst könnt ihr die Szene überhaupt nehmen? Ist es euch manchmal auch peinlich, als Teil davon betrachtet zu werden?
Y: Ne, überhaupt nicht. Sonst würde ich wahrscheinlich auch keinen deutschen Rap machen. Wenn das so wäre, dann …
A: … würdest du auf Französisch flowen.
Y: Ne. Nur weil Ozzy Osbourne einer Fledermaus den Kopf abgebissen hat, heißt das ja nicht, dass es keine anderen Rocker geben kann, die sich vielleicht für Tierrechte einsetzen. Man kann sich nicht aussuchen, in welcher Szene man stattfindet. Man kann sich aber aussuchen, was für Musik man macht.
In Anlehnung an die Generation Y und die omnipräsente Amazon-Boxen liegt in eurer Premium-Edition ein Taschentuch bei. Damit habt ihr so ein bisschen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, oder?
Y: Welche denn?
Na, dass ihr die Generation Y mit dem Taschentuch aufs Korn nehmt. Und dass ihr euch über die teilweise irrwitzigen Beilagen zu den Boxen lustig macht.
Y: Eigentlich haben wir nur gemacht, was unser Manager uns gesagt hat.
Sprich, ihr hättet am liebsten selber eine mit Trashartikeln überladene Box gehabt?
Y: Am liebsten hätten wir unserer Box eine komplette Montur beigelegt. Wenn man wirklich will, dass die Leute das eigene Merch durch die Gegend tragen, dann doch gleich als Hose, Pulli, Jacke und so weiter. Ein bisschen doof daran ist nur, dass die Leute dann auf den Konzerten nichts mehr kaufen. Außer man macht es besonders hässlich, was vielleicht auch oft extra so gemacht wird.
A: Meinst du, das ist wirklich deren Strategie?
Y: Ja, klar. Noch mal ein schönes beim Konzert kaufen.
A: Oder halt eines, das passt.
Abschließende Frage: Wann kommt der Song mit Massiv?
Y: Das weiß nur Massiv.
Interesse besteht aber weiterhin?
A & Y: Ja.
1 Kommentar
Ich mag die ja sehr gerne, aber solche Interviews kann man sich auch gleich sparen. Man merkt, die hatten keine Lust, warum also das Ganze? Ist ja nicht so, dass da irgendein fettgesichtiger A&R oder Labelboss hinter denen steht, der sie zu sowas zwingt.