laut.de-Biographie
Bernard Herrmann
"Es liegt in der Natur des Kinos, dass es Musik braucht. Sobald sie eine Geschichte als Film erzählen, wird Musik fast unabdingbar. Bernard Herrmann gehört über 35 Jahre zu den prägendsten Figuren der Filmmusik. Dabei wehrt er sich zeitlebens dagegen, sich auf die von ihm nicht immer bevorzugte Kunstform reduzieren zu lassen. Perfektionismus und musikalische Leidenschaft treiben ihn jedoch stets an wie seine dritte Ehefrau Norma verrät: "Er arbeitete sehr hart, um sicherzustellen, dass er für einen Film sein Bestes gegeben hatte. Er würde nicht ruhen, bis alles richtig war.
Bernard Herrmann kommt im Sommer 1911 in New York zur Welt. Sein Vater fördert das früh erkennbare musikalische Interesse. Nach seinem Studium an der Juilliard School beginnt er, 1934 als Dirigent beim Radio zu arbeiten. Er steigt zum Chefdirigent des CBS Symphony Orchestras auf und entwickelt nebenbei für den Sender Hörspielmusik. In diesem Rahmen lernt er das Multitalent Orson Welles kennen, der kurz darauf mit seiner Hörspielfassung von "Der Krieg Der Welten" nachhaltig für Furore sorgen soll. Welles drängt Herrmann dazu, die Musik für seinen ersten Film zu entwickeln.
1941 feiern sie mit dem Maßstäbe setzenden "Citizen Kane" ihr Kinodebüt. Herrmann erhält eine Oscar-Nominierung und kann sich mit der Musik zu "Der Teufel Und Daniel Webster" nur selbst schlagen. Früh zeigt sich der New Yorker offen für musikalische Experimente. 1951 verwendet er für "Der Tag, An Dem Die Erde Stillstand" zwei Theremins, womit er den Sound von Science-Fiction-Filmen generell prägt. Nach ihrer Kooperation für sein Regiedebüt "Der Mann Aus Kentucky" nennt Burt Lancaster den Komponisten den schwierigsten Mann, mit dem er je zusammengearbeitet habe.
Die Begegnung mit einem gleichermaßen schwierigen Charakter leitet die fruchtbarste Kollaboration in Herrmanns Laufbahn ein. 1955 arbeitet er für "Immer Ärger Mit Harry" erstmals mit Alfred Hitchcock zusammen. Umgehend avanciert er zum Stammkomponisten des Masters of Suspense. Es folgen "Der Mann, Der Zuviel Wußte", "Der Falsche Mann" und "Vertigo", das etwa Lady Gaga noch Jahrzehnte später im Video zu "Born This Way" ausgiebig zitiert sowie "Der Unsichtbare Dritte". Für den Briten findet er nur Lob: "Hitchcock ist ein außergewöhnlich gut organisierter Filmemacher.
Mit dem filmischen Meilenstein "Psycho" erreicht die Zusammenarbeit 1960 ihren Höhepunkt. Für "Die Vögel" tritt er lediglich als musikalischer Berater von Oskar Sala auf. Noch einmal entwickelt er eine symphonische Filmmusik für "Marnie". Doch vor dem Hintergrund des aktuellen Zeitgeistes und dem am Horizont aufziehenden New Hollywood verlangt Universal 1966 für "Der Zerrissene Vorhang" Unterhaltungsmusik. Der ernste Herrmann weigert sich, die Vorgaben zu erfüllen. Als er Hitchcock seine Kompositionen vorspielt, kommt es zum lautstarken Bruch zwischen beiden.
Zwar konnte sich Herrmann mit der Musik zu Fantasy- und Science-Fiction-Filmen wie "Jason Und Die Argonauten" und "Die Reise Zum Mittelpunkt Der Erde" sowie dem brachialen Score zu "Ein Köder Für Die Bestie" auch abseits von Hitchcock einen Namen machen, dennoch endet seine Zeit in Hollywood. Er zieht nach England und komponiert für "Fahrenheit 451" und "Die Braut Trug Schwarz" des Regisseurs François Truffaut. Das unheimliche Pfeifen im wenig bekannten "Teufelskreis Y" erfährt späten Ruhm durch die Wiederverwendung in Quentin Tarantinos "Kill Bill".
Der auf Hitchcocks Spuren wandelnde Brian De Palma engagiert Herrmann für seine Filme "Die Schwestern Des Bösen" und "Schwarzer Engel". "Seine Musik erinnert mich an Wagner und 'Tristan und Isolde'", lobt auch Martin Scorsese den Komponisten: "Gerade wenn Sie denken, dass es zu Ende ist, fängt es wieder von vorne an. Es ist wie ein emotionaler Sog mit einer tiefen psychologischen Kraft." Für "Taxi Driver" entwickelt der Komponist 1975 einen für ihn untypischen Soundtrack, der mit wehmütigem Jazz die Isolation der von Robert De Niro gespielten Titelfigur unterstreicht.
"Er hatte das Gefühl, etwas Neues zu beginnen", erzählt Scorsese. Doch ein Neuanfang ist ihm nicht mehr vergönnt. Nur einen Tag nach Fertigstellung der Musik zu "Taxi Driver" stirbt er im Schlaf. Seine Tochter Dorothy berichtet später von seinem Gefühl, seine Ziele nie erreicht zu haben: "Ich denke, ein Grund für sein Unglück während seines ganzen Lebens war seine Rastlosigkeit. Es lag in seiner Natur, niemals ganz zufrieden zu sein." Bernard Herrmanns eigenes Resümee fällt gleichermaßen deprimierend aus: "Ich werde wahrscheinlich nur für ein paar miese Filme in Erinnerung bleiben."
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