8. Juli 2011
Vom Roadie zum Popstar
Interview geführt von Michael SchuhDaryl Bamonte sitzt in seinem Büro in London, wo er seit 2005 eine Band-Managementfirma leitet. Allerdings auf sehr kleiner Ebene. In einer seiner Bands spielt er nun selbst mit: Compact Space.Man könnte meinen, dass Bamontes Band-Mitstreiter Christian Eigner als aktueller Drummer von Depeche Mode das prominenteste Mitglied des Trios ist. Doch der Brite schleppte bereits 1980 die Synthesizer für Gahan und Co. auf die Bühne von Londoner Discotheken.
1995 beendete er seine Tätigkeiten als Roadie und Tourmanager bei seinen mittlerweile weltberühmten Jugendfreunden und arbeitete fortan zehn Jahre hinter den Kulissen für The Cure, wo damals sein Bruder Perry Gitarrist war. Nun darf er selbst Interviews geben.
Daryl, was war dein erster Gedanke, als Christian Eigner dich fragte, ob du einen Songtext für ihn schreiben könntest?
Ich fiel nicht aus allen Wolken, wie man vielleicht denken könnte. Es war vielmehr völlig normal. Er spielte mir seine Songs vor und meinte, er bräuchte nun Texte und Gesangsmelodien dafür.
Ihr hattet also sowieso vor, zusammen Songs zu schreiben?
Nein, das nicht. Ich kann dir nicht sagen, warum er mich gefragt hat. Aber ab dem Moment lief alles super an.
Christian Eigner stammt ja ebenso wie Sänger Florian Kraemmer aus Wien, das heißt, ihr könnt euch nicht jede Woche locker im Proberaum treffen. Wie funktionierte denn das Komponieren für euer Album?
Also entweder habe ich Christian neue Texte zugeschickt oder er mir neue Songideen. Wir haben beide Varianten ausprobiert. Wenn er Text und Musik zusammen hatte, traf er sich mit Florian im Studio. Ein paar Mal bin ich auch runter nach Wien geflogen und ich muss sagen, dass das insgesamt die schönsten Momente waren. Diese Sessions werden wir in Zukunft auf jeden Fall intensivieren.
Wie oft warst du denn in Wien?
Nicht so häufig wie im Moment, wo die ganze Promotion fürs Album ansteht. Vielleicht so drei Mal. Der Rest lief übers Internet. Und das funktioniert ja auch bestens.
Kanntest du Sänger Florian vorher schon?
Nein, wir haben uns das erste Mal zuhause bei Christian getroffen, als er und ich schon an einigen Songs gearbeitet hatten. Florian und er kennen sich wiederum schon seit etwa zehn Jahren und waren schon an einigen Projekten gemeinsam beteiligt, so dass ich mir sicher war, dass aus unserer Zusammenarbeit etwas werden könnte.
Nehmen wir mal an, Christian schreibt eine Melodie, die dir überhaupt nicht in den Kram passt. Wie diskutiert ihr zu dritt darüber?
Also es läuft schon so, dass ich Christian die Texte schicke und Florian sich daraufhin Melodien überlegt. In dieser Phase arbeitet jeder für sich. Aber wenn sie dann die Musik zu mir zurück schicken, kommt es schon vor, dass ich einiges umschreiben muss, damit es auf die Musik passt. Wir diskutieren dann eher über ein bestimmtes Arrangement oder über die Richtung eines Songs. Zum Glück waren wir in diesen Punkten meist einer Meinung.
Du hast früher lange Jahre als Roadie und Produzent für Depeche Mode und The Cure gearbeitet. Glaubst du, dein Songwriting wurde dadurch in irgendeiner Form beeinflusst?
Ich würde sagen nein, aber das kann ich selbst natürlich schwer beurteilen. Wenn ich mich zuhause hinsetze, um zu schreiben, denke ich jedenfalls nicht an diese Zeit zurück. Ich habe jede Menge musikalische Einflüsse, da ich ganz verschiedene Sachen höre. Vielleicht ist von den zwei genannten Bands tatsächlich etwas hängengeblieben, es sind beides brilliante Bands. Aber eben lange nicht die einzigen, deren Musik ich höre.
Ist es dann ein kompletter Zufall, dass Compact Space eine Elektro-Band ist?
Es ist in erster Linie das Resultat von Christians Aufnahmevorlieben. Obwohl er ein ausgezeichneter Drummer ist, programmiert er seine Songs eben am Rechner. Ich will aber nicht ausschließen, dass das in Zukunft in eine ganz andere Richtung tendieren könnte.
"Wir wollten Martin Gores spezielles Gitarrenspiel"
Mit Compact Space und der Gründung deiner Plattenfirma rückst du mit deiner Person mehr und mehr in die Öffentlichkeit. Eine bewusste Entscheidung?Ich gebe zu, es ist eine kuriose Entwicklung, denn ich war bisher nie in der Position des Künstlers. Ich habe zwar schon länger Texte geschrieben, aber es gab in meinem Leben nie das plötzliche Verlangen, eine prominentere Rolle einzunehmen. Es passierte einfach ganz natürlich. Wenn Christian mich damals nicht gefragt hätte, würden wir hier heute nicht telefonieren. Ich freue mich natürlich, dass wir das jetzt tun, aber es war nie von langer Hand geplant.
Zum Album: Auf einem Song spielt zwar Martin Gore Gitarre, ansonsten habt ihr auf Promi-Gäste jedoch verzichtet. Dabei hättest speziell du ja etliche fragen können, etwa den DM-Produzenten Gareth Jones. Wurde darüber im Vorfeld gesprochen?
Was den Produzenten angeht: Da Christian die Platte produziert hat, stellte sich die Frage gar nicht, ob wir jemand Auswärtigen einladen sollten. Martins Beitrag kam schlicht und ergreifend deswegen zustande, weil Christian der Meinung war, dass sein spezielles Gitarrenspiel unserem Song nutzen würde. Und so ist es auch geworden. Es ging uns nie darum, seinen Namen aufs Cover zu drucken. Ansonsten hatte niemand von uns das Bedürfnis, andere Celebrities zu kontaktieren.
Den Bekanntheitsgrad von Christian und dir habt ihr auch visuell nicht betont: Auf dem "Nameless"-Cover und den meisten Pressebildern ist ausschließlich Florian zu sehen.
Stimmt. Wir fanden, dass die Bilder mit ihm alleine ein gutes visuelles Statement für unsere Band und für ein Debütalbum abgeben. Was nicht heißt, dass das beim nächsten Album immer noch so sein muss. Viele Leute wissen ja auch, dass wir ein Trio sind, und wenn nicht, können sie es in den Album-Credits nachlesen.
Mir gefallen die Songs "Push Push" und "Red Alert", weil ihr da sehr eigen klingt. Bei den anderen Songs musste ich oft an andere Gruppen, etwa Mesh, denken. Wie beschreibst du denn euren Sound?
Ich bin sehr froh, nicht in deiner Position zu sein, denn ich tue mich schwer mit Kategorisierungen. Ich freue mich natürlich, wenn du einige Songs als eigen beschreibst. So denken wir auch. Genres sind uns total egal. Und es ist interessant, dass du "Red Alert" erwähnst, weil mir schon viele gesagt haben, dass dies ihr Lieblingssong sei.
"1994? Ich kann mich kaum erinnern!"
Deinen frühesten Popstar-Moment hattest du 1994, als du in Südamerika einige Konzerte als viertes Depeche Mode-Mitglied anstelle des erkrankten Andy Fletcher gespielt hast. Alan Wilder soll dir dahingehend binnen einer Woche auf Hawaii das Keyboardspielen beigebracht haben. Was denkst du heute über diese Zeit?Nun, ich kann mich kaum erinnern (lacht).
Was heißt kaum? An gar nichts?
Ach nein, es war einfach eine sehr einmalige Erfahrung, die ich damals natürlich genossen habe. Man kann da aber keinen Zusammenhang zu meiner jetzigen Arbeit ziehen. Ich hatte damals sicher nicht das Bedürfnis, eine Karriere anzustreben.
Du bist also seither kein versierter Synthesizer-Spieler geworden?
Nein. Wie du schon sagtest, hatte ich vorher ja nie Keyboard gespielt, sondern Bass. Aber ich verbringe meine Zeit eigentlich nicht damit, Instrumente zu spielen.
Du warst Roadie und Tourmanager von Depeche Mode und Produzent von The Cure. Fällt es dir nun einfacher, Musiker zu sein?
Ich würde nicht sagen, dass das eine einfacher ist als das andere. Ich finde aber schon, dass Texteschreiben eine sehr befriedigende Angelegenheit ist. Von daher befinde ich mich momentan im schönsten Abschnitt meiner Karriere. Songs zu schreiben fühlt sich eben nicht wie der morgendliche Gang zur Arbeit an.
Wann hast du deinen ersten Song geschrieben?
Das muss 2008 gewesen sein, als Christian und ich die fixe Idee hatten, ein paar Songs aufzunehmen, die wir anderen Leuten aber als Coverversionen verkaufen wollten. Damals war die Bandidee noch nicht mal in Sichtweite. Erst als "Push Push" entstand, festigte sich allmählich der Gedanke, dass man das auch als Band veröffentlichen könnte.
Warum hast du aufgehört, für Depeche Mode und The Cure zu arbeiten?
Die Antwort ist bei beiden Bands die gleiche: Ich wollte einfach etwas anderes machen: Ich mag es, neue Dinge auszuprobieren. Im Rückblick sieht man auch, dass ich in beiden Fällen anschließend etwas total anderes gemacht habe.
Wenn du jetzt in ein Hotel eincheckst, was schreibst du dann ins Feld "Berufsbezeichnung"? Musiker oder Manager?
Haha, gute Frage. Ich glaube, ich war überhaupt erst in einem Hotel, seit ich bei Compact Space bin. Und die haben mich nicht gefragt. Aber darüber werde ich noch nachdenken müssen, fürchte ich.
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