11. Juli 2025

"Ich kann alles machen, was ich will"

Interview geführt von

Crystal F hat sich nie angepasst, weder musikalisch noch persönlich. Was als Horrorcore-Nische begann, ist heute ein kreatives Ventil für düstere Lebensphasen, psychische Tiefen und radikale Ehrlichkeit.

Im Interview spricht der Berliner Musiker über künstlerische Freiheit, Drogenpausen, ein neues Soloalbum und warum es manchmal besser ist, einfach nüchtern zu bleiben.

Wie war dein Tag?

Alles hat gut geklappt. Ich habe ja echt bei jeder Sache, die ich gemacht habe, mich ganz schön unter Druck gesetzt, und na ja, also sehr positiver Druck. Heute waren so Sachen wie das DJ-Set und dann auch diese Cypher, wo wir noch gerappt haben. Das sind immer so Sachen, wo ich früher gedacht habe: "Warum fragt mich denn keiner, ob ich auch mal mitmachen möchte?" Und dann war es jetzt so weit, dass Magda das geklärt hat. Dass ich da mitmachen kann. Dann war ich so: "Ach du Scheiße, muss jetzt ja auch abliefern."

Das war jetzt dein erstes Beat-Set?

Ja, wir haben jetzt ja angefangen, Techno aufzulegen, und das ist dann doch noch mal was anderes, und ich wusste auch nicht genau, also was passiert denn da? Dachte da stehen halt nur fünf meiner Freunde, aber der Platz war voll, es hat voll Spaß gemacht.

Wann hast du angefangen, das zu machen?

2008 hat mir das mal jemand erklärt. Die Anfangszeit, die Ruffiction-Zeit, habe ich hauptsächlich die Sachen produziert und auch gemischt. Dann habe ich 2012 komplett aufgehört bis 2022. 2020 hatte ich dann voll viel Freizeit, da hab ich dann auch Ikarus kennengelernt. Dann war ich irgendwie einmal alle vier Wochen im Studio für ein paar Tage, hab richtig gute Mucke gemacht und hatte ansonsten nichts mehr zu tun. Das war natürlich auch während Corona, da hatte man dann nicht so viel zu tun. Dann dachte ich, Ikarus ist halt so voll inspirierend, und war dann irgendwie so, das will ich auch. Dann hab ich mir Ableton erklären lassen.

Wie läuft so ein Tag bei euch im Studio ab?

Also wir treffen uns, dann hat entweder jemand eine Idee, also entweder bringe ich ein bisschen was mit oder Ika hat eine Idee oder wir haben gerade neue Musik gefunden, die uns inspiriert. Das ist bei mir jetzt die letzten Jahre, aber ganz viel ist darüber gegangen, wenn ich Musik gefunden habe, die ich selber inspirierend finde. Ich habe ja früher sehr viel extreme, textliche Musik gemacht und irgendwann bin ich darüber gegangen, dass die Musik eher experimentell geworden ist, weil ich schon zu ein bisschen extremeren Sachen neige, aber das textlich nicht mehr machen, weil ich das nicht mehr gefühlt habe. Aber ich habe halt so gedacht: "Oka, jetzt habe ich die Möglichkeit, alles auszuführen". Wenn man früher irgendein Tua-Album gehört hat, dachte man so, was soll ich denn da machen? Wenn er so Drum & Bass gemacht hat, dann habe ich mit Ika angefangen, Mucke zu machen. Ich habe gemerkt, ich kann alles machen, was ich will. Mein Umfeld ist ja auch total kreativ, und dann will man da nicht nachhängen, sondern denkt: "Ich will ich auch mal ausprobieren."

"Die meisten Probleme sind auch ohne Kiffen da"

Was ist noch offen?

Ich würde gerne nochmal einen ruhigen Singer-Songwriter-Song machen. Da habe ich irgendwie Bock drauf. Mit Karina Rose habe ich letztens so ein Akustik-Cover gemacht. Das war ganz cool. Mit Antifuchs habe ich damals auch eine Akustik-Piano-Version von "Ey Fotze" gemacht. Das war auch sehr lustig, aber das ist auch schon weit weg. Aber darauf hätte ich ein bisschen Lust. Das neue Album ist sehr so, die letzten drei Jahre zusammen, also auf einem Song dann Trance und Trap und dann noch mal irgendwas anderes oder Indie und Trance zusammenwerfen, ja so sehr viel Genre zusammengeworfen. Ich freue mich natürlich, wenn ich Musik finde, die mich wieder richtig inspiriert. Ich weiß gerade nicht, ich habe aber so viel Musik gerade fertig, die aufs releasen wartet.

Worauf freust du dich am meisten, was rauskommt?

Mein Soloalbum, normalerweise habe ich immer so drei Monate für ein Soloalbum gebraucht, das waren dann meistens so zwölf Wochen Ausschnitt aus meinem Leben. Dann war man woanders und hat dann vielleicht neue Mucke gemacht, und jetzt arbeitest du seit einem Jahr knapp daran, weil ich auch noch Projekte nebenbei habe. Dieses Jahr merke ich halt einfach, wie unterschiedlich meine Lebenssituation in einem Jahr sein kann. Von absolut depressiv, unglücklich mit mir selbst und Probleme ohne Ende, dann irgendwie auch viel Kiffen, sich darin vergraben und so, dann in Arbeit zu werfen. Man denkt, ich werfe mich in die Arbeit, dann wird alles besser, und dann läuft es mit Musik mal ein bisschen besser, mal ein bisschen schlechter. Dann gibt es irgendwas, was total gut ist, und es ist irgendwie verrückt für mich zu sehen. Ja, aber ich freue mich, wenn es dann rauskommt. Ich bin sehr stolz drauf.

Ich habe gerade gehört, du hast drei Monate nicht gekifft. Wie fühlt es sich an?

Ich hatte eine Lungenentzündung und deswegen musste ich Pause machen, weil ich nicht wollte, dass ich das sechs Monate mit mir rumschleppe. Vorher habe ich auch irgendwann aufgehört, Tabak zu rauchen, das hat schon viel von diesem Suchtpotenzial weggenommen. Ich war so ein bisschen auch darüber.

Wenn ich irgendwas zu viel mache oder zu lange, dann bin ich auch ein bisschen satt davon. Deswegen ist mir das mit dem Kiffen aufhören gerade nicht so schwergefallen. Ich hatte auch einfach viele so Phasen, wo ich so in Gedankenspiralen saß. Wie gesagt, ich war letztes Jahr echt lange Zeit ganz unglücklich mit mir selbst, und dann sitzt man da wieder und raucht Gras und vergräbt sich auch irgendwie in solchen Gedanken manchmal. Dann dachte ich, vielleicht wird es besser dadurch, wenn ich auch mal aufhöre, und gemerkt habe, es wird nicht unbedingt besser.

Die meisten meiner Probleme sind auch ohne Kiffen da. Ich mache nur keine Pause mehr, also ich stürze mich die ganze Zeit in die Arbeit und gehe von der einen zur anderen Sache. Aber ich merke dann doch, dass es schön ist, auch manchen Problemen nüchtern zu begegnen, weil ich Katzen habe und da war letztens was, und es gab eine OP. Da bin ich irgendwann aus dem Studio nach Hause und dachte: "Also, wenn jetzt was wäre mit den Katzen, wäre ich zumindest nüchtern, mein Kopf würde funktionieren". Wenn früher was war und ich dann high war und Sachen passiert sind, die mich echt überfordert haben, habe ich auch oft Panikattacken gekriegt. Da habe ich gemerkt, dass es auch ganz gut ist, wenn man mal nüchtern ist.

"Textlich ruft gerade nichts in mir"

Verarbeitest du dann auch so Themen auf dem neuen Album?

Also ich habe das Album eigentlich vor meiner nüchternen Phase so gut wie abgeschlossen. Wir haben jetzt einen Song, der noch so ein bisschen in der Schwebe steckt. Die letzten drei Monate eher Musik für andere gemacht, weil textlich gerade nichts in mir ruft: "Du musst jetzt den nächsten Song schreiben". Außer es ergibt sich jetzt irgendwas, weil ich 80 Songs oder so rumliegen habe, die herauskommen. Es passieren ja auch gerade total schöne Sachen, wie auch der Song, den ich mit Karina Rose gerade vor zwei Wochen rausgebracht habe, der noch mal eine ganz andere Tür aufgemacht hat.

Auf was kann man sich noch von dir freuen?

Wir haben ein Ruffiction-Album fast fertig. Ich hab ja leider das Problem, dass mein Bandkollege Crack Claus jetzt so für fast ein Jahr abgetaucht war. Wir hatten das Album, glaube ich, so auf 85% fertig, und er hat sich dann einfach nicht mehr bei mir gemeldet. Er war dann einfach weg für fast ein Jahr und war anscheinend mit sich selbst und seinen Problemen beschäftigt. Das hat die Planung ein bisschen umgeworfen, aber das Album kommt. Dann habe ich ein EP mit Tamas und Johnboy fertig. Mit Karina Rose mache ich gerade Mucke und freue mich darüber, dass es kommt. Mit Admiral Klatsch kommt jetzt noch EP. Davon habe ich gestern, glaube ich, den ersten Song herausgebracht. Das sind drei Songs, die noch kommen. Ich glaube, das war's erstmal

Wann nächstes Hardcore Konzert?

Eine befreundete Band aus Dresden, da war ich letztes Mal in Berlin auf einer Show und habe gemerkt: Wow, das hat sich voll verändert. Früher war das halt so richtig dieses Bollo und wir treten uns nur ins Gesicht beim Tanzen und nur violent Dancing, Crowd Killing, und das hat sich echt geändert, und ich fand es total gut. Ich habe dann auch die Jungs mit ins Studio genommen und wir haben auch einen Song angefangen und dann ist leider mein Laptop kaputt gegangen. Da ist Kaffee drüber gekippt, ist doof. Ich hatte auch zwei Songs mit Jost Klein, und die sind auch weg. Ich vermisse das schon irgendwie, auch mal wieder rumzuschreien. Und ja, ich hoffe, das kommt, aber es wird bestimmt.

Hast du eine Künstler-Empfehlung?

Was ich in letzter Zeit gehört habe: Kyok, der kommt aus Prag. Er ist, ich glaube, so Anfang, Mitte 20-jähriger Prager Rapper, russischsprachig, so Liquid Drum und Future Bass absolut krass, also super geil. Ich glaube, ich habe ADHS, ist nicht diagnostiziert, aber ich würde jetzt mal darauf tippen, und das beruhigt mich. Heffy finde ich total krass, das habe ich letztes Jahr so viel gehört, der hat ein Album, das heißt "Sick and Sad Obsession", das 2023 kam, das fand ich krass, absolute Empfehlung. Karina Rose: Natürlich würde ich euch empfehlen, das fängt gerade erst an und ich glaube, das wird noch richtig, richtig, richtig, richtig interessant und groß. Und sie ist auch eine absolut tolle Texterin. Pures Talent

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