17. November 2008
"Elke Heidenreich kämpft weiter"
Interview geführt von Alexander CordasCampino ist auf Promo-Tour für die Toten Hosen und hat einen vollgestopften Terminkalender. Von früh morgens bis spät am Abend lässt sich der Frontmann von der Journaille Löcher in den Bauch fragen.Dass der Delinquent nach so einem Marathon eventuell ein wenig unleidig reagiert, wenn man ihm als allerletzter Interviewpartner des Tages gegenüber tritt, war zu befürchten.
Campino macht dem aber einen Strich durch die Rechnung und präsentiert sich erstaunlich fit und aufgeräumt. Sein Geheimrezept: er ist gedopt. Und zwar mit Gummibärchen.
Geht's dir noch gut?
Ich hab gerade ein Bio-Hoch. Wahrscheinlich, weil ich zu viel von den Dingern da gegessen habe (zeigt auf ein paar Gummibärchen).
Ok, dann mal zu den hard facts. Ist das für dich ein Zwiespalt, zu wissen, dass am selben Tag "Palermo Shooting" Premiere feiert und das neue Hosen-Album rauskommt?
Ich bin völlig auf die Tournee konzentriert. Die Platte ist durch, da kann ich nichts mehr ändern, beim Film erst recht nicht. Ich möchte 100% da sein, wenn die Tour losgeht. Da gibt es auch überhaupt keine Emotionen in eine andere Richtung. Ich werde das sicher zur Kenntnis nehmen, ob es läuft oder nicht, oder was Leute dazu sagen, aber ich lass das gar nicht an mich ran. Ich muss mich darauf konzentrieren, dass ich bis Ende des Jahres jeden Abend voll da bin. Wenn wir uns schon ankündigen und die Leute ein Jahr drauf warten, hab ich keine Zeit für andere Sachen.
Die Meinung des Feuilletons geht dir also eher peripher vorbei?
Ohne den Damen und Herren des Feuilletons zu nahe treten zu wollen: Ich habe noch nie irgendwas für die gemacht. Weder ein Musikstück, noch eine Rolle in einem Film. Es geht darum, Menschen zu berühren. Im besten Fall erreichen wir das durch unsere Lieder, dass sich Leute darin wiederfinden. Was den Film angeht: Das möge man mir glauben, dass ich nicht als eines von sieben Geißlein durch den Wald laufen möchte, um einen Kassenschlager zu landen. Da ist schon der Anspruch da, mit dem Film zu überzeugen; das müssen nicht viele sein. Aber wenn einige Leute sagen, dass sie der Film berührt hat, dann ist auch hier der Job gemacht.
Spielt da nicht doch eine gewisse Eitelkeit mit rein, dass man schaut, was denn die anderen denken?
Weiß nicht, wie ich das sagen soll. Ich mach die Dinge nicht, um beklatscht zu werden. Ich erwarte, nicht dass mir die Welt applaudiert, nur, weil ich mal in einem anderen Genre auftauche. Ich habe den sechsmonatigen Theaterausflug und den Ausflug zum Film gemacht, um was zu lernen und um etwas für die Toten Hosen mitzunehmen.
Ich selber bin Angestellter in dem Riesenhaus 'Sprache Und Wort' und sitz da irgendwo im Erdgeschoss in so einem Raum. Ein Stockwerk höher sind die vom Film und da bin ich mal vorbei gegangen, hab mir ein bisschen was abgekuckt und nehme das mit runter in meine Welt. Im Keller sitzen die Journalisten (lacht), da geh ich auch manchmal hin und führe Interviews. Wir haben da letztendlich benachbarte Berufe. Sprache und Wort, irgendwo muss man da einen Zugang haben und das mögen, sonst ist man am falschen Platz. Wieso ist das so schwer zu verstehen, dass man einem Hexenmeister wie Klaus-Maria Brandauer gerne zuschaut, wie er mit Timing und Worten umgeht und sich bewusst bewegt? Bei den Hosen ist ja alles intuitiv. Das war spannend. Nur leider ist es so, dass man es nicht auch gleich kann, nur weil man zukuckt. Da geht es nur um Grunderkenntnisse und feine Momente, in denen er erklärt, was und warum er das so macht. Wenn so ein Mensch dir ein und denselben Satz in hundert Versionen und Tonlagen vorliest und du jedes mal denkst, "so muss es sein", ist das einfach ungeheuerlich. Brandauer hat mir die Dreigroschenoper mehrmals ganz alleine vorgelesen. Da saß ich einfach in einem Stuhl, habe eine Privatvorlesung bekommen und fühlte mich glücklich und privilegiert, so etwas erleben zu dürfen.
Wieso sollte ich dann vor Leuten Angst haben, die eine Kritik schreiben? Die verstehen das alles doch gar nicht. Die sehen am Ende ein Ergebnis und sollen das für andere bewerten. Das ist auch richtig so. Aber die Geschichten dahinter, welche zwischenmenschlichen Momente man erlebt hat, welche Aha-Erlebnisse man teilen durfte, das kann doch niemals nachempfunden werden. Nach diesen Kriterien beurteile ich, ob irgendwas gut oder schlecht war. Dasselbe gilt für den Film. Was wäre denn, wenn der erfolgreich wäre, die Zeit aber ätzend gewesen ist und man sich sonst nichts zu sagen gehabt hätte? Das könnte ich nicht genießen. Das war aber ein Spitzenteam bei dieser Filmproduktion und wenn es nach mir ginge, würden wir den heute noch drehen und der müsste auch nie gezeigt werden. Aber irgendwann war da auch mal Schluss. Es wäre natürlich schade, wenn der Film ein kompletter Reinfall wäre, das belastet dann doch irgendwo. Ich wäre schon froh über ein Unentschieden; einen Punkt mitnehmen!
"Meine Lieblingsszenen wurden rausgeschnitten"
Da du gerade die Zusammenhänge angesprochen hast: Mir kommt es so vor, als ob der Film auf die Texte des neuen Albums abgefärbt hat.So habe ich auch versucht, es der Band zu erklären. Die haben zuerst euphorisch reagiert, als es hieß, Campino geht zum Theater. Als ich aber dann mit dieser Filmidee ankam, war die Begeisterung nicht groß. Die meinten dann "schon wieder ne Ablenkung? Wir würden aber gerne anfangen, zu proben." Da ging es darum, denen zu erklären, dass das nicht etwas Gegenteiliges oder etwas Ablenkendes ist, sondern etwas Inspirierendes und Ergänzendes. Irgendwo muss man nach 27 Jahren aufpassen, dass man nicht im eigenen Saft brät. Wo soll denn da die Inspiration her kommen? Wie ein Proberaum aussieht, weiß ich inzwischen, und was die anderen denken, weiß ich mittlerweile auch ganz gut. Es geht also darum, seine Antennen weiter auszustrecken. Das haben dann alle auch schnell kapiert.
Das kann durchaus sein, dass Sachen aus dem Film mit in die Texte geflossen sind, weil ich mir ja auch die ganze Zeit Gedanken über die Rolle gemacht habe und das einfach hin und her sprang. Ich wollte aber trotzdem keine Musik für den Film machen. Wim hat zwar gefragt, aber ich wollte das getrennt halten. Ehe das so etwas wird wie Elvis Presley für Arme, so im Vorbeigehen auch noch was singen ... das sollte schon separat bleiben. Der Soundtrack gefällt mir sehr. Ich bin ganz glücklich, dass Nick Cave extra zwei Stücke geschrieben hat und ich mag das Portishead-Lied sehr gerne. Während des Drehs war ständig Musik im Raum und es wurde viel über Musik geredet. Es gab da übrigens zwei fantastische Szenen. Eine, in der ein italienischer Cellist zwei Minuten ein Stück gespielt hat, und eine Szene in einem Theater, in der ein Pianist eine unheimlich traurige und melancholische Melodie anstimmt. Das waren meine zwei Lieblingsmomente, sie sind aber beide rausgeschnitten worden.
Wieso sind die Szenen raus geflogen?
Der Film war ursprünglich ungefähr 40 Minuten länger als er jetzt gezeigt wird. Da gab es dann die Angst, dass man sich verrennt. Das ist dann die Kunst des Cuttens: Wie bleibt man beim Wesentlichen? Der Regisseur und jeder, der dabei war, weist dann auf Stellen hin, die seiner Meinung nach rein gehören. Irgendwann ist es dann zu viel. Dann fliegen nicht einmal unbedingt die schlechtesten Szenen raus, sondern die, die im Kontext gesehen nicht so viel Sinn ergeben.
Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass man dich zum Texten fürs neue Album fast hätte einschließen müssen. Ist das dann eine spezielle Drucksituation, wenn der Fahrplan steht und man unbedingt zu Potte kommen muss?
Wir hatten mit den Demos schon vor dem Film angefangen. Wir sind also nicht von Null gestartet, als ich nach Hause gekommen bin. Im Grunde kann man bis circa sechs Monate vor einer Veröffentlichung relativ unbefangen arbeiten. Das ist ungefähr der point of no return. Wenn man dann sagt, dass man im Winter so weit ist, muss es auch fluppen, denn dann werden die Hallen gebucht, dann gibt es kein Zurück, dann läuft diese Maschinerie. Wenn man im Juni dasteht und noch vier richtig gute Lieder fehlen, denkt man sich "kein Problem, das haben wir im Griff". Wenn im August diese vier Lieder leider immer noch nicht aus der Feder geflossen sind, wirds knapp. Dann muss man auch mit Kompromissen leben. Das ist das wahre Leben. Besser wäre natürlich, man hätte im Juni schon 100% gehabt.
So etwas passiert. Das ist auf der letzten Platte geschehen, als wir nicht konzentriert waren und unter Zeitdruck standen. Wir waren schnell mit Ergebnissen zufrieden, die wir eigentlich höchstens auf eine B-Seite hätten packen sollen. Da spielen viele Sachen eine Rolle. Zum Beispiel, was einem privat widerfahren ist. Da gibts Krankheiten, Todesfälle oder Ärger in der Familie. Wenn das in der entscheidenden Phase passiert, bringst du eben nicht die 100%, die wichtig gewesen wären. Das kannst du im Lauf von 26 Jahren nicht verhindern.
Ist es aber dann nicht schön, zu sehen, dass auch wenn ihr die Platte noch nicht am Start habt, nahezu die komplette Tour ausverkauft ist? Ihr habt ja auch keine kleinen Hütten gebucht.
Das ist schon ein riesiger Vertrauensvorschuss, die Leute scheinen uns in guter Erinnerung zu haben. Irgendwas haben wir wohl richtig gemacht. Wir werden alles tun, um dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Normalerweise schwingen nach drei, vier Jahren Pause ziemliche Ängste mit: Ob man's selber noch drauf hat, ob die Leute noch so sind, wie wir sie kannten. Wie werden sie das neue Material aufnehmen? Da gibt es jede Menge Fragen, die man sich abends im Bett stellen kann. Diese Sorgen sind uns aber genommen worden, da wir im Sommer schon zwei Festivals gespielt haben. Da haben wir gesehen, dass die Band noch in Ordnung ist und dass man auch mit einem Gipsfuß korrekt angenommen wird. Jetzt bin ich sogar auf zwei gesunden Beinen unterwegs und dann müsste ja eigentlich alles doppelt so gut laufen. Das war zu spüren, dass die Leute noch Lust haben, deshalb herrscht große Vorfreude.
Hat euch der Rock Am Ring-Auftritt derart gut gefallen, dass ihr ihn gleich auf DVD veröffentlicht?
Das war nicht geplant. Wegen des gebrochenen Fußes ist das einfach ein besonderer Abend geworden. Das Publikum hat uns auf eine ganz liebe Art unterstützt, wie das vielleicht nicht der Fall gewesen wäre, wenn es nicht so viel Mitleid gehabt hätten. Dieser Mitleidsfaktor "Ach kuck mal, die Armen da oben!" spielte eine Rolle. Das war für unsere Verhältnisse schon ein legendärer Abend.
"Dem Reich-Ranitzki lassen sie die Luft bald raus"
Hast du nicht selbst am lautesten lachen müssen, nachdem du gegen die Tonne getreten und dir dabei den Fuß gebrochen hast?Ich hab mich geschämt! Ich hatte vorher zwei große Gläser starken Cider getrunken, tret vor diese Tonne, es macht "knack" und dann hab ich vor lauter Verzweiflung geheult. Ich wusste in dem Moment sofort, was passiert war und dachte nur "Du Idiot!" Ich hatte sofort ein Schuldbewusstsein gegenüber der Band: "Wie kannst du nur nach drei Jahren Pause den ersten Auftritt so versauen?" Dann hab ich ein bisschen gejammert und gehofft, dass er doch nur verstaucht ist, hab mir zwei Schmerztabletten reingehauen und dann gings schon wieder. Zwei Tage später bin ich zur Kernspin. Da gab es keine Zweifel mehr, das war ein sauberer Mittelfußbruch. Es war klar, dass ich acht Wochen eine Schiene tragen müsste. Ich weiß noch, wie mir dieser Arzt sagte: "für Cannes krieg ich dich hin! Ich schaff das, dass du da über den Teppich laufen kannst", ich meinte nur "wie bitte? Ich muss fünf Tage später ein Konzert spielen!" Da fingen die auf einmal an, betreten zu kucken und dachten wahrscheinlich, der Typ hat auch noch einen Kopfschaden. Ich bin danach jeden Tag in die Reha gelaufen und hatte diesen Spezialschuh, so dass das ganz gut lief, aber noch einmal möchte ich das nicht erleben.
Was mich bei der letzten DVD etwas überrascht hat: wieso gibt's bei einer Band aus der Altbierstadt backstage Beck's Gold zu trinken?
Das ist eine interessante Problematik, die uns außerhalb der Region Düsseldorf und Ruhrgebiet unheimlich Kopfschmerzen bereitet. Die ganzen Festivals sind ja alle gesponsert und ich bin mir ziemlich sicher, die jeweiligen Sponsoren würden ziemlich doof kucken, wenn die Band einen Drink auf der Bühne hätte, an dem sie nicht irgendwie beteiligt wären. Festivals werden von Getränkefirmen extrem ausgerüstet. Die Bereitschaft, dann immer das eigene kleine Kistchen mitzuschleppen, ist bei uns nicht da. Wenn man genau ist, wird dieses Gesöff, das eigentlich in Castoren gehört und nicht bei uns in die Garderobe, von uns gar nicht getrunken. Vor dem Auftritt trinken wir nichts mehr und danach darf das auch mal ne Flasche Wein sein oder sonst was, wenn wir irgendwo sind, wo es kein Altbier gibt. Aber wie gesagt: dafür sind Castor-Behälter da ... wer es braucht ... Allerdings kann man mir als Durstlöscher fast alles andrehen.
Die ewig junge Frage: schafft die Fortuna dieses Jahr den Sprung in die zweite Liga?
Die sind so nah dran, wie schon lange nicht mehr. Ich konnte mich noch am letzten Samstag im Stadion davon überzeugen, dass die Bratwürste nach wie vor Erstligaqualität besitzen. Ein überzeugendes 3:1 gegen den Wuppertaler SV hat mich ermutigt, daran zu glauben, dass die Fortuna nächstes Jahr ein Zweitligaclub ist, aber es wird ein harter Kampf. Irgendeiner da oben - vielleicht Union Berlin - muss stolpern. Unsere Jungs kämpfen aufopferungsvoller als in den Jahren davor.
Wenn es um richtigen Fußball geht, kuck ich ja immer wieder bei Liverpool vorbei, und die haben in dieser Saison ja ganz gute Karten. Glauben kann ich nicht, dass sie Meister werden, ist ja mittlerweile auch schon über 20 Jahre her, aber sie haben selten so ein starkes Wörtchen mitgeredet. Bist du Stuttgart-Fan?
Nie im Leben
Ach, Karlsruhe. Die haben es ja auch nicht einfach. Mit den ganzen Talenten, die da nach München abgewandert sind. Mehmet Scholl, Oliver Kahn und wie sie alle heißen. Damit findet man sich in Karlsruhe ab?
Was bleibt denn anderes übrig?
Stimmt. Da kann man wohl nicht so viel machen.
Übrigens, wie war das eigentlich. Bist du schon auf dem gepackten Bücherstapel gesessen, als das ZDF die Sendung deiner Tante (Heidenreich) abgesetzt hat? Du warst ja als ihr nächster Gast eingeplant.
Sie wollte ein Buch vorstellen, das heißt "Scherbenpark", und da bin ich ganz froh, dass ich das in die Finger bekommen habe. Das Buch, das ich vorstellen wollte, kenn ich ja in und auswendig, insofern bin ich nicht daran zerbrochen in dem Sinne, dass ich mich endlos vorbereitet hätte.
Ich wollte dir gerade die Chance geben, nachzuholen, was das ZDF dir versagt hat.
Was soll ich dazu sagen? Ich glaube, dass sie sich in dem Moment ungeschickt verhalten hat, denke aber, dass die Dresche, die sie dafür bekommen hat, völlig überzogen war. Mir kommt das wie eine Altherrenrache vom ZDF vor. Reich-Ranicki hat sich mit seiner Reaktion auch nicht mit Ruhm bekleckert. Ansonsten interessiert mich das nicht sehr. Ich weiß, dass Elke im Internet eine Plattform für sich gefunden hat, um ihre Sendung weiter durchzuziehen. Ich bin auch schon mit ihr verabredet, um das nachzuholen. Sie kämpft weiter. Aber abgesehen davon, dass ich persönlich große Stücke auf sie halte, finde ich es schade, dass der Fernsehzuschauer um eine Sendung gebracht wurde, die relativ verlässlich gute Bücher weiter empfohlen hat. Am Ende des Tages muss man sich fragen, ob das ZDF den Service am Kunden gewährleistet hat. Haben die ihren Zuschauern einen Gefallen getan, dass diese Sendung nicht mehr stattfindet? Die hat das doch gut gemacht.
Da spielen wohl gekränkte Eitelkeiten eine Rolle.
Auf beiden Seiten. Aber am lustigsten ist diese Kasperle-Meldung, Reich-Ranicki sitzt jetzt mit im Beirat, um den Kulturauftrag des ZDF mit zu beobachten. Das ist dann spätestens der Moment, an dem man ausschaltet. Wahnsinn! Wie die sich in kürzester Zeit dermaßen blamiert haben, ist sensationell.
Ich habe mir die Sendung mit Gottschalk und Reich-Ranitzki schon nicht mehr angeschaut.
Nicht? Ich habs versucht. Das war ja der Moment, an dem alles den Bach runter ging. Seine Rede bei der Preisverleihung und die Tatsache, dass man Reich-Ranicki nicht böse sein kann, weil er unheimlich charming ist, egal, was er für einen Quatsch redet. Das war ja noch alles vollkommen ok. Aber das dann so zu zerreden ...
Ich wär ja eher sauer gewesen, wenn er NICHT so eine Rede gehalten hätte.
Ich hätts ihm nicht zugetraut. Ich habs gar nicht live mitbekommen, hab mir das im Netz angeschaut: Groß! Einen Punk gabs da also noch. Aber der Typ ist leider zu egoman. Er hätte nicht auch noch auf Frau Heidenreich draufhauen sollen. In einer falschen Form der Solidarisierung mit Gottschalk. Das fand ich stillos. Der Mann sitzt halt in seinem eigenen Einmann-Boot und da kommt kein anderer rein. Gut, so lange fährt der da auch nicht mehr rum. Dem lassen sie die Luft bald raus.
Ihr macht euren Fans ja ein nettes Geschenk und veröffentlicht jedes Konzert der anstehenden Tour auf USB-Stick.
Das ist ein Experiment. Das haben auch ein paar andere Bands schon gemacht, aber wir sind relativ weit vorne damit. Ich weiß nicht, wie gut das umzusetzen ist, aber die Idee, dass ich zum Beispiel zu einem AC/DC-Konzert gehe und danach mein persönlich miterlebtes Konzert als Soundtrack mit nach Hause nehmen darf, finde ich cool. Das ist für mich auch ein Versuch, einen Vorteil aus dem ganzen Internet-Ding herauszuholen. Die ganze Art und Weise, wie runtergeladen wird, können wir in der Entwicklung noch nicht richtig bewerten, aber es besteht ja gleichzeitig eine große Chance, auch tolle Sachen damit zu machen. Deshalb bin ich persönlich auch sehr aufgeregt und gespannt, wie wir das hinkriegen.
Trifft euch die Download-Geschichte und der Rückgang der Plattenverkäufe ähnlich hart wie die Musikindustrie allgemein?
Das ist auf jeden Fall eine folgenschwere Geschichte. Ich kann das nicht genau mit Zahlen belegen, aber ich schätze mal, dass man so rechnen kann, dass man heutzutage ein Viertel dessen verkauft, was noch vor zehn oder 15 Jahren gelaufen wäre. Die Schritte von Jahr zu Jahr sind rasant. Da kann man sich nichts vormachen oder etwas schön reden. Das ist auf jeden Fall eine diffizile Geschichte.
Wenn ich kein oder wenig Geld hätte und besäße die Möglichkeit, umsonst auf etwas zuzugreifen, würde ich das genauso tun. So ein Download hinterlässt nie den Geschmack eines Diebstahls, und dennoch sind die Folgen für die Gruppen hart. Eine etablierte Band wie wir leidet noch am wenigsten darunter. Aber für die ganzen jungen Gruppen, die mit jedem Pfennig rechnen müssen, ist das geradezu existenziell, ob sie jetzt 20.000 Scheiben verkaufen, 5.000 oder 2.000. Da werden jede Menge Bands über die Klippe springen, die es früher geschafft hätten, zu überleben. Es wird auch kaum eine Plattenfirma einer neuen Band einen Vertrag geben. Die haben alle fürchterlich Angst, eine Fehlinvestition rauszuhauen. Also muss sich das irgendwann am Ende der Kette auch aufs Niveau auswirken. Da fallen viele durch den Rost, die gut gewesen wären.
Ich merke an mir selbst, dass ich aus der Generation rauswachse. Auch wenn ich die Möglichkeit hätte, mir den ganzen Musik-Katalog aus dem Internet zu laden, weiß ich nicht, wo da noch der Musikgenuss sein soll, wenn man sich jeden neuen Scheiß zieht und sich am Ende nur noch oberflächlich damit beschäftigt.
Ich gehöre auch zu denjenigen, die was festhalten müssen.
Ich sehe den Sinn nicht, sich Gigabyte-weise Songs auf den Rechner zu ziehen, mit denen man sich am Ende gar nicht wirklich beschäftigen kann.
Ich weiß es nicht. Hängt auch sicher damit zusammen, dass die Kids damit groß werden und schon mit zwei, drei Jahren ihre Kisten haben, wo alles drauf ist. Ob die noch einmal dafür zu begeistern sind, sich so altmodische Sachen wie eine Schallplatte oder CD zuzulegen, kann ich nicht beurteilen. Die Musik selbst muss sich keine Sorgen machen. Es wird immer Musik geben, zu allem möglichen Scheiß. Musik ist zur Zeit so viel im Raum wie noch nie zuvor, auch wegen des Internets. Das ist ja auch eine fantastische Vorstellung, dass Fans in den entlegensten Dörfern von Ostfriesland bis nach Argentinien zeitgleich diese Scheibe runterladen können, wenn sie wollen.
Überhaupt Argentinien. Ihr müsst mal nach Buenos Aires gehen, alle dreihundert Meter gibts da Läden für Rock-T-Shirts mit allen möglichen Motiven. Fantastische Toten Hosen-Shirts! Nie einen Penny dafür gesehen und auch nie versucht, einen Penny dafür zu sehen.
Campino, danke für das Interview.
Cool, dann mach ich mal die Brezeln auf, oder? Damit die Stimmungskurve gleich noch mal nach oben schnellt.
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