25. September 2024

"Es tat weh, meine vier Frauen mit einem neuen Mann zu sehen"

Interview geführt von

Nach 13 Jahren kehrte der ursprüngliche Dream Theater-Drummer und Bandmitbegründer vergangenen Oktober zur Band zurück. Viele Fans vollführten Freudensprünge und können die Progger ab Oktober auf Welttournee erleben. Das 16. Studioalbum steht ebenfalls vor der Veröffentlichung.

Vorbereitung ist das A und O, weswegen es mich doch überrascht, dass sich Mike Portnoy nicht sehr gesprächig und aufgeschlossen wie in anderen Interviews und Social Media-Clips zeigt, sondern meist ziemlich verhalten oder einsilbig (wenn auch immer noch freundlich) reagierte, was das Gespräch nicht unbedingt einfacher macht. Vielleicht hätte er den Tag lieber draußen verbracht als drinnen mit Interviewterminen. Dennoch gab er auch Persönliches preis, etwa seine Gefühlslage während der 13 Jahre ohne Dream Theater.

Eure Tour beginnt im Oktober. Wie sehr freust du dich, wieder zu touren, nachdem ihr wahrscheinlich ziemlich lange mit Schreiben und im Studio verbracht habt. Gibt es etwas, worauf du dich besonders freust?

Ja, ich freue mich darauf, wieder für Dream Theater auf der Bühne Schlagzeug zu spielen. Vergiss, wie lange wir schon im Studio sind. Wir standen seit fast 15 Jahren nicht mehr zusammen auf der Bühne. Also ja, das ist für mich auf jeden Fall die große Schlagzeile.

Bald steht das 40-jährige Jubiläum von Dream Theater an. Was hat sich verändert, was ist gleich geblieben seit den ersten Tagen der Band?

Nun, wir haben diese Band vor fast 40 Jahren gegründet, als wir Teenager an der Musikhochschule Berklee waren. Und jetzt arbeiten wir hier alle in unseren 50ern und 60ern. Das ist also mehr als ein ganzes Leben. Es sind ein paar gemeinsame Leben. Was ist gleich geblieben, und was hat sich verändert? Ich meine, offensichtlich hat sich unser Alter geändert. Aber unsere Persönlichkeiten sind gleich geblieben. Wir sind immer noch die gleichen Kids, die vor all den Jahren in den 90ern angefangen haben, miteinander zu reden. Wir sind einfach sehr dankbar, dass wir das schon so lange machen können.

Dein Schlagzeug war schon immer ziemlich imposant. Wirst du das Kit, was wir auf Bildern aus dem Studio sehen konnten, mit auf Tour nehmen, und hast du für das neue Album spezielle Änderungen an deinem Set-up vorgenommen?

Also auf dem Album habe ich mein Siamese Monster benutzt, das ich schon auf Train Of Thought und auf anderen Alben benutzt habe. Ich habe dasselbe Kit auf den Six Degrees Of Inner Turbulence- und Train Of Thought-Touren benutzt. Also, ja, ich habe diesen alten Freund nach 20 Jahren zurückgebracht, einfach aus Nostalgie. Und dann werde ich ein neues Touring-Kit haben, wenn die Tour im Oktober beginnt. Und das wird natürlich gigantisch sein.

Auf der Bühne bist du als Schlagzeuger am weitesten von den Leuten entfernt. Wie stellst du trotzdem eine Verbindung zu den Fans her?

Es dreht sich alles um die Verbindung, die Liebe. Ich meine, wenn man Platten macht, dann macht man sie für vier Wände und sich selbst, ohne Feedback, ohne Interaktion. Es ist also auf einer kreativen Ebene befriedigend, eine Platte zu machen und im Studio zu sein. Aber für mich ist es befriedigender, auf Tournee zu sein und auf der Bühne zu stehen und mit den Leuten in den Dialog zu treten und diese Interaktion zu haben. Und ja, ich bin der am weitesten hinten auf der Bühne, aber ich bin wahrscheinlich auch der am weitesten vorne, wenn es darum geht, den Zuschauern in die Augen zu schauen und mit ihnen in Kontakt zu treten und mit ihnen Air Drums zu spielen. Für mich geht es nur um diese menschliche Verbindung. Ich wünschte, ich wäre nicht ganz hinten. Es gibt ein paar Sachen, bei denen das Schlagzeug vorne auf der Bühne steht, wie z.B. bei Transatlantic [ein anderes Projekt Portnoys, Anm. d. Red.]. Das ist immer eine nette Abwechslung und es ist schön, mit den Leuten zu connecten, auch physisch. Aber, ja, ich muss das Beste daraus machen, wenn ich auf der Bühne bin.

"Es fühlt sich an, als wäre kein Tag vergangen"

In einem Interview im März hast du gesagt, dass du derjenige warst, der Spaß daran hatte, die Setlists zu erstellen und sie abwechslungsreich zu halten. Und dass John Petrucci es gerne sehen würde, wenn du das wieder tätest. Wie gehst du vor, wenn du die Setlists erstellst?

Ja, das war schon immer eine große, große Leidenschaft von mir. Etwas, mit dem ich sehr viel Zeit verbringe und von dem ich besessen bin. In all den Jahren, in den 90ern, im Jahr 2000, habe ich die Setlist für Dream Theater geschrieben. Immer. Und jetzt, wo ich wieder in der Band bin, haben sie mich gebeten, diese Rolle wieder zu übernehmen. Aber es ist ein bisschen anders, 2010 eine Setlist für die Band zu schreiben als im Jahr 2024. Weißt du, als ich 2010 die Setlists geschrieben habe, hatten wir schon Tausende von Shows zusammen gespielt, und wir hatten jeden Song bereits mehrfach gespielt. Für mich war es 2010, als ich aufgehört habe, wichtig, für jede Show eine andere Setlist zu schreiben, damit es sowohl für uns als auch für die Fans interessant und aufregend bleibt.

Aber jetzt, im Jahr 2024, ist es ganz anders. Da ich seit fast 15 Jahren nicht mehr mit der Band live gespielt habe, wird es spannend. Jeder einzelne Song, jede einzelne Show, jede einzelne Stadt wird aufregend sein, weil wir schon so lange nicht mehr zusammen auf der Bühne gestanden sind. Es ist also eine etwas andere Herangehensweise als damals, verstehst du? Jetzt könnte ich fast ein Greatest Hits-Set schreiben, weil es so lange her ist, und es eine ganze Generation von Leuten gibt, die dieses Line-Up noch nie gesehen haben. Du siehst sehr jung aus, also kann ich mir vorstellen, dass du diese Besetzung wahrscheinlich nie zusammen gesehen habe. Du warst vielleicht sogar nicht einmal geboren.

Ich bin 22. Ich habe Dream Theater kurz vor der Pandemie gesehen, also ...

Ja, es wird also eine Menge Leute im Publikum geben, die diese Band nie gesehen haben. Damals, im Jahr 2010, wäre es vielleicht sehr langweilig für uns gewesen, "Pull Me Under" zum 20.000sten Mal zu spielen. Aber jetzt, im Jahr 2024, wo wir wissen, dass es Leute wie dich im Publikum geben wird, die es noch nie gesehen haben, wird es sehr aufregend und inspirierend sein, jeden einzelnen Abend.

Wo wir gerade von Live-Auftritten sprechen: Glaubst du, dass die Verbindung auf der Bühne zwischen euch allen immer noch dieselbe ist? Dass ihr immer noch auf derselben Wellenlänge seid?

Das wissen wir noch nicht. Wir legen am 20. Oktober los. Bislang haben wir noch nicht zusammen auf einer Bühne gestanden, wir waren in den letzten sechs Monaten zusammen im Studio. Das ist eine ganz andere Umgebung, als wenn man auf der Bühne steht. Bis jetzt ist die Chemie so, als wäre kein Tag vergangen.

Das ist gut zu hören. Ich habe Dream Theater, wie gesagt, 2020 gesehen und sie haben "Metropolis, Pt. 2: Scenes From A Memory" in voller Länge gespielt, was ziemlich cool war. Würdest du so etwas auch bald gerne mal machen?

Ja. Ich meine, es gibt einen Teil von mir, der es schade findet, dass sie "Images And Words" und "Scenes From A Memory" vor kurzem schon ohne mich gespielt haben, denn das wären die offensichtlichen Alben, die wir gerne noch einmal zusammen spielen würden. Es gibt so viele Alben im Katalog, und wir haben viele von ihnen im Laufe der Jahre sowieso komplett gespielt. Aber ja, wir werden sehen, welche wir in der Zukunft wieder aufgreifen werden. Die Zeit wird es zeigen.

Gibt es eine Platte von euch, die du besonders magst oder ist es zu schwer für dich, dich für eine zu entscheiden?

Nun, ich liebe sie alle aus verschiedenen Gründen, aber "Scenes From A Memory" und "Images And Words", das sind ganz besondere, weil sie in einer Zeit entstanden sind, in der es für die Band um Leben und Tod ging. In beiden Situationen kamen wir aus sehr, sehr frustrierenden Jahren, in denen sich die Band fast aufgelöst hätte. Diese beiden Perioden haben die Band wieder aufleben lassen, also haben beide einen ganz besonderen Platz für mich persönlich.

"Es war schmerzhaft"

Und als du wieder bei Dream Theater eingestiegen bist, hattest du schon Songs im Kopf, bei denen du dachtest, 'Ich kann es kaum erwarten, diese Songs wieder mit den Jungs zu spielen'?

Ja, absolut. Es gibt eine lange Liste von Songs, auf die wir uns besonders freuen.

Kannst du ein paar davon nennen?

Naja, ich mag es, wenn die Setlists eine Überraschung sind, also werde ich diese Überraschung nicht verderben. Die Songs, die ich am liebsten spielen würde oder am meisten vermisse, werden wir spielen.

Okay, nun gut. Deine liebsten Dream Theater-Werke hast du ja schon verraten, aber ich habe mal einen Post von dir auf Instagram gesehen, in dem du gesagt hast, dass "Absolution" von Muse in deinen Top Ten-Lieblingsalben ist. Ich habe ein Muse-Poster hinter mir, das hat mich also ziemlich gefreut. Welche sind denn die anderen neun Alben?

Nun, ich meine, ich habe so viele Platten, die ich liebe. Ich könnte dir jetzt eine Top 50 geben. Aber ich habe meine Top Ten, und meine Top Ten bestehen zur Hälfte aus Klassikern und zur Hälfte aus modernen Songs. Die Top Five, also die Old School-Klassiker, sind Pink Floyd - The Wall, The Beatles - Sgt. Pepper, The Who - Tommy, Elton John - Goodbye Yellow Brick Road und David Bowie - Ziggy Stardust. Das sind also meine Top Five der Klassiker. Meine fünf liebsten modernen Alben sind Absolution von Muse, Radioheads OK Computer, Jellyfish - Spilt Milk, das erste Mr. Bungle-Album und Beastie Boys - Paul's Boutique. Das sind meine zehn Favoriten.

Gute Auswahl. Ich mag zwar Kid A lieber, aber "OK Computer" ist natürlich ein Klassiker. Wie war es denn für dich, wieder mit deinen Kollegen aufzunehmen, und was kann man von der kommenden LP erwarten?

Es war bisher eine unglaubliche Erfahrung. Wir haben seit 15 Jahren keine gemeinsame Platte mehr aufgenommen, seit wir 2009 Black Clouds And Silver Linings gemacht haben. Es war also etwas ganz Besonderes, wieder zusammen zu sein und diese persönliche und musikalische Verbindung bei der Arbeit zu spüren. Und wie klingt es? Es klingt wie die klassischen Dream Theater. Wenn man sich die Reihe an Alben ansieht, die diese Besetzung gemacht hat, angefangen bei "Scenes From A Memory" über die nächsten zehn Jahre bis hin zu "Black Clouds And Silver Linings" - das ist der Sound dieser Gruppe. Wenn man sich also diese Alben anschaut, sind das wahrscheinlich gute Beispiele, auf die man verweisen kann.

Du hattest mal erwähnt, dass es naheliegend wäre, ein zweites "Scenes From A Memory" zu produzieren, aber dass ihr es dann nicht machen würdet, weil es zu offensichtlich wäre. Auch deshalb hatte ich gefragt.

Die Bandmitglieder empfinden das unterschiedlich. Ich glaube, ein paar würden ein weiteres "Metropolis" in Betracht ziehen, und einige sind von der Idee nicht so begeistert, also werden wir sehen. Die Zeit wird es zeigen.

Okay, dann warten wir mal ab. Hast du in der Zwischenzeit, als du nicht bei Dream Theater warst - du warst natürlich mit deinen eigenen Projekten beschäftigt - verfolgt, was deine Bandkollegen in den letzten Jahren gemacht haben? Du warst im März 2022 auf einem Konzert von ihnen, aber wie sehr hast du sie 'beobachtet'?

Als ich sie zum ersten Mal live gesehen habe, war das eine verrückte Erfahrung. Das war etwas, wovon ich geträumt hatte, weißt du? Es tatsächlich zu erleben, war also definitiv surreal. Aber um deine Frage zu beantworten: Habe ich in all den Jahren verfolgt, was sie gemacht haben? Ich tat es aus der Ferne. Wenn sie ein neues Album herausgebrachten, habe ich es mir ein- oder zweimal angehört, um zu sehen, was sie machen, einfach aus Neugier. Aber um ehrlich zu sein, hat es all die Jahre weh getan, verstehst du? Es war ein bisschen schmerzhaft für mich, meine vier Frauen mit einem neuen Mann zu sehen. Denn so ist es nun mal, wenn man in einer Band ist, wisst ihr? Wirklich. Wenn man sich also scheiden lässt, ist es irgendwie hart, seine Ex-Frau mit einem anderen Mann zu sehen. Es war also, um ehrlich zu sein, ein bisschen schmerzhaft für mich, zu viel Zeit damit zu verbringen, sie zu beobachten und mich auf sie zu konzentrieren.

Ja, das verstehe ich. Das wäre es sogar auch schon von meiner Seite, danke für deine Zeit und hab einen schönen Nachmittag.

Danke, es ist ein schöner Tag heute, also werde ich ein bisschen Sonne tanken gehen, wenn ich mit den Interviews fertig bin. Tschüss, es war nett, mit dir zu reden.

Tschüss!

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