laut.de-Biographie
Gentleman
Tilmann Otto spricht Patois. Er lebt in Köln, serviert dessen ungeachtet aber Reggae, der genau so gut aus dem Herzen Jamaikas stammen könnte. Tilmann Otto ist Gentleman.
Im zarten Alter von 17 Jahren reist er das erste Mal auf sich allein gestellt nach Jamaika. Die Reggae-Platten seines Bruders haben ihn auf den Geschmack gebracht.
Gentleman legt den Grundstein für eine stetig wachsende Reggae- und Dancehall-Bewegung in Deutschland. Mit zahlreichen rockenden Auftritten bei Festivals sowie kommerziell erfolgreichen Kollabos mit dem Freundeskreis verhilft er seinem Sound zu mehr Popularität.
Sein Debüt im Jahr 1999, "Trodin On", schlägt ein. Das Pflänzchen Reggae beginnt auch im hiesigen rauen Klima zu sprießen.
Nicht genug, dass Herr Otto die Entwicklung in heimischen Landen voran treibt (etwa zusammen mit dem Pow Pow Movement). In seiner zweiten Heimat Jamaika erscheinen seine Alben ebenfalls. Seine Styles tönen dort über den Äther. In Kingston wird dem weißen Raggamuffin die Ehre zuteil, vor einer 30.000 Mann starken Menge auftreten zu dürfen.
Die häufigen Aufenthalte in Jamaika und seine vorzüglichen Kontakte zu dortigen Künstlern, verleihen ihm nicht nur Glaubwürdigkeit. Sie ermöglichen Gentleman darüber hinaus, Teile seines Albums "Journey To Jah" in den Tuff Gong Studios vor Ort aufzunehmen.
Auch über die Grenzen Jamaikas hinaus anerkannte Stars wie zum Beispiel Bounty Killer geben sich die Ehre. Immer wieder peppen Gastauftritte von Größen des Genres Gentlemans Alben auf. Berührungsängste hegt der Kölner dabei keine, er bleibt dennoch seinen Prinzipien treu:
"Auf meinen Alben werden keine Minderheiten gedisst, sondern sie werden unterstützt. Kein Künstler, der mit mir zusammengearbeitet hat, disst auf meinem Album irgendwelche Schwulen, das ist mir wichtig." Auch wenn ihm klar ist: "Ich kann keine Gesellschaft verändern."
Gemeinsam mit der Far East Band, in der Gentlemans Frau Tamika im Background singt, nimmt er 2003 sein erstes Live-Album auf. Ein Jahr darauf folgt mit "Confidence" die dritte Platte des Wahljamaikaners.
2005 tritt Gentleman gemeinsam mit Mamadee beim Bundesvision Song Contest von Initiator Stefan Raab für sein Bundesland Nordrhein-Westfalen an. Im Jahr darauf gründet er mit seinem Manager Stephan Schulmeister das Label Bushhouse Records und veröffentlicht als erste Single "Lass Los" - von besagter Mamadee.
Irgendwann entdecken endlich auch die großen Plattenfirmen Gentlemans Potenzial. 2010 veröffentlicht er sein erstes Major-Album - unter dem Dach von Sony.
"Diversity" und "New Day Dawn" reihen sich nahtlos in Gentlemans solide Diskografie ein. Erneut gelingt ein Brückenschlag zwischen zwei weit auseinander klaffenden Kulturen.
Die Traditionen und die Vibes von Jamaikas Bevölkerung und Musik bleiben bei Gentleman tief verwurzelt - vermutlich auch ein Grund dafür, dass er 2014 als erster Reggae-Künstler überhaupt ein "MTV Unplugged"-Album aufnehmen darf.
2017 veröffentlicht Gentleman, der übrigens Mitglied beim 1. FC Köln ist, mehrere Kollaborationen mit internationalem Flair. Zustande kommen eine Single mit dem Jamaikaner Sean Paul, eine Zusammenarbeit mit dem Iren Michael Patrick Kelly und eine Kooperation mit dem Belgier Aloe Blacc.
Weitaus höhere Wellen schlägt allerdings die große Comeback-Single der Beginner. Mit seinem Chorus, der auf die Pre-Hook von 187-Rapper Gzuz folgt, trägt Gentleman maßgeblich zum Erfolg von "Ahnma" bei. iTunes kürt den Track sogar zum "Song des Jahres". 2020 betritt Gentleman mit seiner ersten auf Deutsch gesungenen Single Neuland.
Werte wie Righteous- und Consciousness hat er verinnerlicht und macht sie zum Gegenstand seiner Lyrics. Zum 75. Geburtstag Bob Marleys doziert Gentleman 2020 im Berliner "Tagesspiegel": "Auch mir gab er in schwierigen Lebensphasen immer Kraft und Motivation. Und wenn es nur darum ging, mein Haus aufzuräumen. (...) Manche mögen sagen, dass es angesichts heutiger Probleme naiv klingt, aber für mich wird die Idee des Liberalismus und von Diversität in seiner Musik manifest." Der Kölner hebt dann auf seine eigenen Reisen auf die Insel ab und stellt fest, "wenn ich als Europäer ernsthaft Interesse an der jamaikanischen Kultur bekunde, bekomme ich dort heute meist viel Liebe."
Im Frühjahr 2021 gibt es ein Wiedersehen mit seiner "Roots To Grow"-Duettpartnerin Stefanie Heinzmann, und zwar vor laufender Kamera: Die VOX-Serie "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert" bietet Gentleman Gelegenheit, Steffis "Little Universe" zu covern, während sie sich "Ahoi" aus Gentlemans deutschsprachigen Album zu eigen macht.
In "Ahoi" wechselt der in der Serie sichtlich von Midlife-Identitätsfindung geplagte Rheinländer in den Blickwinkel eines Rentners. "Irgendwann sagst du dir: 'So gut hat es keiner' / Fühlt ihr das, dann push up your lighter / push up (...) Früher hieß es 'run away', heute 'Namasté' (...) Dies ist eine Vorschau auf mein'n Rückblick / Seh' mich an als Opa / mit den Enkeln auf dem Rücksitz / Mit 'ner kleinen Plauze spielen", so jongliert der Künstler mit einigermaßen gebogenen Reimen.
In der besagten VOX-Reihe singt Nura "Intoxication" (2004), während die meisten Musiker*innen-Kollegen sich nur an die deutschen Texte ran trauen. "Die Songs auf Deutsch waren wichtig und notwendig und haben mich als Künstler auch stärker definiert", resümiert der Sänger.
Ende 2022 steht das Album "Mad World" an. Es reift in Mallorca, wo Gentleman Angaben seiner Plattenfirma zufolge während der Entstehungsphase vor allem Bio-Essen verzehrt habe.
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