laut.de-Biographie
Hannes Wader
Er gilt als einer der letzten aktiven Liedermacher und steht für politische Überzeugung: Hannes Wader. 1942 erblickt er in Bethel bei Bielefeld das Licht der Welt. Das künstlerische Talent liegt ihm wohl von Anfang an im Blut, aber dies zeigt sich zunächst nur anhand der Zeichnungen auf dem Butterbrotpapier.
Erst während der Zeit seiner Lehre als Dekorateur in einem Schuhgeschäft entdeckt er Mandoline und Gitarre für sich. Später kommen Saxophon und Klarinette hinzu. Seine Musikalität büßt er allerdings mit einem Rausschmiss aus dem Schuhgeschäft, weil er immer wieder dabei erwischt wird, wie er lieber Saxophon spielt als zu arbeiten.
Auf Anraten seiner damaligen Kurzzeitverlobten beginnt er 1962 an der Werkkunstschule Bielefeld sein Studium. Doch dort hält er es nicht lange aus und schlägt sich lieber als Barmusiker und Klarinettist einer Jazzband durch.
In Berlin, wo Wader ab 1963 einen zweiten Studienversuch an der heutigen Hochschule der Künste startet, gibt es eine Szene für Musiker und Maler, der er bald angehört. Er entdeckt den französischen Chansonisten Georges Brassens und ist sofort von ihm und seiner Musik fasziniert. Neben seinem Studium, er hat die feste Absicht, Grafiker zu werden, schreibt er seine ersten Lieder und lässt sich von der damaligen Folkwelle mitreißen.
1966 tritt der Liedermacher zum ersten Mal auf der Burg Waldeck auf, wo das Folk- und Songfestival stattfindet. Er gilt als Geheimtipp und ist mittlerweile schon ein fester Bestandteil der Berliner Liedermacherszene. Er steht jeden Abend auf der Bühne und kassiert Spitzengagen. Es kommt, wie es kommen muss: Wader bricht 1968 sein Studium ab und tourt bald darauf mit Reinhard Mey durch Clubs und Bars. Bald trifft Wader auf Knut Kiesewetter, der ebenfalls ein Liedermacher, aber auch Produzent ist. Er nimmt mit Wader 1969 sein erstes Album "Hannes Wader Singt" auf.
Nach einer weiteren Platte wird Wader berlinmüde und zieht nach Hamburg. 1972 nimmt er mit "7 Lieder" eine seiner besten und wichtigsten Platten auf, darauf auch einige seiner bekanntesten Stücke: Mit "Heute Hier, Morgen Dort", eine Ode ans Leben on the road, wird er bis zu seinem Karriereende die allermeisten seiner Konzerte einleiten. "Langeweile" und vor allem "Der Tankerkönig" sind Talking-Blues-Großtaten, in deutscher Sprache selten erreichte Gipfel grotesken Humors und ebenfalls Klassiker seines Liverepertoires. "Kokain" schließlich ist ein ebenso charmanter wie respektloser Blick darauf, was vom Hasch der '68er übrig blieb, an deren Mythen der Zyniker Wader wohl sowieso nie richtig geglaubt hat.
Seine Wohnung überlässt er während einer Rundreise durch Europa einer jungen Frau namens Hella Utesch, angeblich freie Mitarbeiterin beim NDR. Nach seiner Rückkehr wird er bei einem Konzert in Essen quasi von der Bühne herunter verhaftet. Es stellt sich heraus, dass Hella Utesch in Wirklichkeit Gudrun Ensslin heißt, die Waders Wohnung als Versteck nutzte und im Zuge ihrer Bombenbauexperimente gründlich verwüstete. Der Liedermacher wird wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung angeklagt, er und seine Freunde werden abgehört. Die Medien boykottieren ihn. Erst nach Jahren wird das Verfahren eingestellt.
Wader zieht nun nicht nach Hamburg, sondern in eine alte Windmühle in Nordfriesland, wo viele seiner Alben entstehen, unter anderem "Der Rattenfänger" und "Kleines Testament". Der Boykott der Öffentlichkeit verstärkt sich, als Wader 1977 in die Deutsche Kommunistische Partei eintritt. Er wechselt von seiner Plattenfirma Phonogramm zu Pläne Records, die zu der Zeit der DKP nahe stehen, und besiegelt diesen Neuanfang mit einer Liveaufnahme von "Hannes Wader Singt Arbeiterlieder". Dank der Unterstützung und Solidarität seiner Freunde ist er als Liedermacher trotz des Boykotts nicht dem Untergang geweiht. Er ist mittlerweile durch seine politischen Texte zum Star der linksalternativen Szene in Deutschland geworden.
Sein politisches Engagement lässt jedoch nach, als in den 80er Jahren Michail Gorbatschow die politische Bühne betritt. Die kommunistische Welt, die Grundlage der Ideologie Waders, bricht zusammen. Wader tritt 1991 aus der DKP aus. Der Kern seiner politischen Überzeugung bleibt jedoch bestehen.
Nach einigen Turbulenzen mit der Plattenfirma arbeitet Wader ab 1995 wieder so viel wie zuvor. Auf die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern legt er sehr viel Wert. Vor allem mit Konstantin Wecker und Reinhard Mey verbindet ihn viel. So entsteht 2003 nach einem Konzert anlässlich Waders 60. Geburtstag mit diesen beiden zusammen das Album "Mey Wader Wecker - Das Konzert".
Als Trio singen die drei auch im Rahmen einer Demo in Berlin, an der 500.000 Menschen teilnehmen, gegen den (ersten) Irak-Krieg. Doch vor allem die Arbeit mit Wecker trägt Früchte. In der Folge gehen beide wiederholt zusammen auf Tour, auch zwei Live-Alben entstehen bei der Gelegenheit ("Was Für Eine Nacht", 2006, "Kein Ende In Sicht", 2010).
2005 erscheint ein Querschnitt von Waders Arbeit der letzten zehn Jahre unter dem Titel "Jahr Für Jahr", mit "Mal Angenommen" (2006) oder "Nah Dran" (2012) veröffentlicht Wader aber auch weiterhin Studioalben.
2017 beendet er seine Abschiedstour früher als geplant, das Alter macht sich endgültig bemerkbar. Wader braucht Ruhe. Nach 50 Jahren auf großer Tour als Querkopf, Zyniker, Lebemann und Lyriker kann man ihm die auch nur gönnen. Er verabschiedet sich am 30. November des selben Jahres von Publikum und Showgeschäft im Berliner Tempodrom, die Aufnahme "Macht's Gut" legt davon Zeugnis ab.
Wieder live, ausgerechnet als es keine Konzerte gibt: Die CD "Poetenweg" zeigt Wader bei einem Einzel-Gig unplugged im Herbst 2020. Ganz strikt: Nur die Gitarre, eine Kerze, ein Hocker und er. Später bemerkt die Stimme der Working Class, dass es noch einiges Neues zu sagen und zu singen gäbe. "Was Ich Noch Singen wollte" lautet der Untertitel der folgenden CD. Der ersten mit neuem Material nach sieben Jahren mit weißen Haaren. "Noch Hier" - so kommentiert 2022 die Scheibe das Lebensgefühl des alten Weisen.
Was wäre denn so eine Kirsche-auf-der-Torte-Bonus-Platte nach all der langen Zeit (1969-2015), ohne ...? Natürlich, geht das nicht ohne Kollege Reinhard mit ins Boot zu holen: Wader und Mey versuchen sich an französischem Chanson. Kommunistenpoet Hannes lotst anhand von Hölderlin-Gedichten und Gedanken durch das Album, während der deutsche Dichter und Denker doch schon lebte, als es das Wort 'Kommunismus' noch gar nicht gegeben hat.
Die Themen in Waders Liedern sind gesellschaftskritisch und handeln oft von Außenseitern. Dabei betrachtet er nicht nur deren Stellung in der Gesellschaft, sondern übt auch Kritik an dem Handeln und Verhalten dieser Leute. Wader vertritt nämlich die These, dass das System so ist wie es ist, weil die Leute sich entsprechend verhalten, und nicht, weil die Leute Opfer des Systems sind.
Doch Wader steht nicht nur für politische Themen. Ein großes Anliegen sind ihm auch Volkslieder, die lange Zeit verpönt und in die rechte Ecke gedrängt waren. Oft wurde es als merkwürdig empfunden, dass er als linksorientierter Musiker diese Lieder singt und interpretiert, aber auf lange Sicht hat Wader auch unser inzwischen entspannteres Verhätnis zum Volksliedgut mitbegründet und durchgesetzt.
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