laut.de-Kritik
Der Output beider Songwriter bleibt einfach zeitlos aktuell.
Review von Artur SchulzBei vorliegender CD handelt es sich um den Mitschnitt eines Auftritts im Stuttgarter Theaterhaus vom März des Jahres. Als Begleitmusiker liefern Jo Barnikel (Klavier), Hakim Ludin (Percussion) und Nils Tuxen (Gitarre) den stimmigen Sound-Rahmen. Anders als der doch recht bürgerliche Reinhard Mey gehen Konstantin Wecker und Hannes Wader zielstrebiger vor und stapfen heraus aus den linken Ecken der Republik.
Bissig gerät der gar nicht so angenehme Blick auf die Würde des Alters, die seit geraumer Zeit dem Ideal des Forever Young hinterher läuft. "Der Greis ist out / es wechselt der Trend / eher zum Zombie / der sich Senior nennt" ("Schön Ist Das Alter"). Gegenüber einem entfesselten Kapitalismus, der gerade in diesen Tagen seine unansehnliche Fratze zeigt, verbleibt immer die Sehnsucht nach einem anderen, vielleicht besseren Lebens-System.
Trotz manch negativer Erfahrungen: "Ein Sozialismus müsste her / mit neuem Schwung und alledem / denn wenn der wie der alte wär’ / würd’s wieder nichts, trotz alledem", heißt es in "Trotz Alledem III". "Gutti Land" bietet eine bös-sezierende, politische Abrechnung: in diesem Song entwerfen Wecker und Wader das Bild eines allzu ölig gegelten Außenministers, der unbeirrt Stimmung für die offiziell unkritisierbare deutsche Vorwärtsverteidigung am Hindukusch macht.
Kevin Johnsons "Rock'n'Roll (I Gave You All The Best Years Of My Life)" überzeugt als "Damals" besonders durch seine lyrische Bearbeitung. Sie enthält weit weniger Kitsch als das Original, was nicht zu Lasten der dennoch angenehm-sentimentalen Momente der Urfassung geht. Hinter "Feine Gesellschaft" klimpert nicht das Champagnerglas, sondern brät eine E-Gitarre.
Zwischendurch unterhalten die beiden mit informativen und amüsanten, aber nie zu langen Ansagen. Ein guter Song und ein guter Text passen immer in den Zeit(-Geist); der gerade herrscht. Beeindruckend, wie diese These auf die jahrzehntelange Arbeit von Wecker/Wader übertragbar ist.
Es sind gerade die konträren Persönlichkeiten beider Künstler, die dieses Live-Zusammenspiel so spannend gestalten. Auf der einen Seite der stille, scheinbar schmucklose Wader, auf der anderen das münchnerische Vitalitätsbündel, das schon so manchen Kampf mit Boulevard-Presse und Griffen ins (Lebens-)Klo ausfocht.
"Kein Ende In Sicht" als geglückte Zusammenstellung aus dem gemeinsamen Repertoire der Musiker bedeutet ein mutmachendes Signal, dass in unseren Landen noch längst nicht alles in vorlauter Fäkal-Comedy und belanglosem Singalong versunken ist. Es gibt sie noch, die aufmerksamen Barden mit weisem und wissendem Blick, die mit nur mit einem Satz aufmerksamen Zuhörern völlig neue Sichtweisen der Dinge eröffnen.
"Ich Singe Weil Ich Ein Lied Hab", bekennen Wecker und Wader. Was ganz nebenbei eine süffisante Spitze gegenüber so manch Künstler-Kollegen bedeutet. Sie in eine vorurteilsbehaftete, abgehalfterte 68er-Ecke zu stellen, wird Anspruch, Können und Bedeutung beider Künstler nicht gerecht.
Schon eine beängstigende Sache, dass tatsächliches Engagement und Courage, gepaart mit Scharfsinn und Wortwitz, immer weniger stattfinden. Weckers und Waders noch immer währender, wackerer und kluger Kampf gegen gesichtslose Political Correctness aller Zeiten ist daher ein bewundernswertes Unterfangen.
2 Kommentare
Ich kenne die seit Kindheitstagen, wobei ich die texte damals nicht immer kapiert haben. Die Ws sind neben Element Of Crime, sicher für mich, und vielleicht annähernd sicher für deutschsprachige Musik, das beste und intelligenteste, was man in eben jener Sprache vertont kriegen wird.
Wecker ist einfach nur Klasse.