laut.de-Kritik
Ein schönes Konzert und eine letzte Träne im Auge.
Review von Olaf SchmidtKennt jemand die "Mundorgel"? Dieses aus dem Umfeld der evangelischen Kirche stammende Sammelwerk vereinte ab den 50er Jahren Fahrten- und Wanderlieder deutscher Zunge. Hin und wieder ergänzt durch einige Popsongs oder andere populäre Lieder. In den 80ern lag in jedem Haushalt mit einer Gitarre auch mindestens eine "Mundorgel" herum. Und so kennen viele Menschen in diesem Land zumindest ein Lied von Hannes Wader: "Heute Hier, Morgen Dort". Es sollte sein größter Erfolg bleiben.
Wader zählt mittlerweile 75 Lenze und beackerte Deutschland als fahrender Liedermacher über fünf Jahrzehnte lang. Aber das Alter fordert seinen Tribut. Und so kündigte der umtriebige Westfale im vergangenen Jahr seine Abschiedstournee an. Eigentlich sollte diese letzte Reise noch bis ins Jahr 2018 dauern, aber gesundheitliche Gründe machten Wader einen Strich durch die Rechnung.
Und so spielte er am 30. November 2017 sein finales Konzert im Berliner Tempodrom, das dieser Tage unter dem Titel "Macht's Gut" erscheint. In Berlin begann seine Karriere in den 60ern, dort endet sie auch. Die 17 Stücke auf der CD stellen nur einen Ausschnitt des Konzertes dar. Es bleibt unklar, warum Wader nicht den ganze Abend veröffentlicht. Sei's drum.
Los geht's mit dem besagtem "Heute Hier, Morgen Dort". Hannes Waders Zupftechnik stellte mich seinerzeit vor eine Herausforderung, als mein Gitarrenlehrer das Stück zur Verbesserung meiner bescheidenen Fähigkeiten vorschlug. An diesem Novemberabend in Berlin vor dem Hintergrund eines nahenden Bühnenabschiedes bekommt das bekannte Lied eine neue, melancholische Note. Dieses Gefühl von Abschied und Unwiederbringlichkeit zieht sich durch den ganzen Abend, ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass wir um die Einzigartigkeit dieses Auftritts beim Hören schon wissen.
Schwer fällt es, einzelne Songs aus diesem schönen Konzert hervorzuheben. Vielleicht "Schön Ist Das Alter"? Waders ironisch amüsante Betrachtung des Älterwerdens hat nun auch schon etliche Lenze auf dem Buckel, aber nie passten seine Zeilen so gut wie heute, und selten hat er sie mit so viel Schmunzeln in der Stimme vorgetragen: "Vergangen ist vergangen / vor der Zukunft graut es mir / ich lebe lieber jetzt und hier."
Wader bietet seinem Publikum eine durchdachte Mischung aus Eigenkompositionen, adaptierten Traditionals und eigenen Übersetzungen von Fremdmaterial. Stimmlich gereift führt er durch viele verschiedene Gemütslagen und beweist ein letztes Mal, dass eine Stimme und eine Gitarre absolut ausreichen, um Tausende von Menschen zu bewegen. Seine Lieder transportieren Botschaften, seine Zuhörer beklatschen einzelne Textzeilen wie beispielsweise im Antikriegslied "Es Ist An Der Zeit". Auf der anderen Seite scheute sich der Westfale aber nie, mit Liedern unterhalten und Humor vermitteln zu wollen. "Ankes Bioladen" beweist das eindrücklich.
Zusammen mit dem allgegenwärtigen Gefühl der Vergänglichkeit machen Waders launische, persönliche Ansagen mit einem Augenzwinkern diese Aufnahme zu etwas Besonderem. Wer da nicht eine kleine Träne im Auge hat, dem ist kaum mehr zu helfen. Mach's gut, Hannes. Wir werden dich vermissen.
1 Kommentar mit einer Antwort
Unvergessen das Einheitsfrontlied gesungen von Hannes Wader
Ist auch mein liebstes von ihm.