laut.de-Biographie
Ibrahim el Minyawi
Das moderne Ägypten steht gemeinhin nicht im Fokus kultureller Beobachtung durch den Westen! Warum eigentlich nicht? Gebiert doch das Land am Nil bereits 3000 vor Christus eine der ältesten Hochkulturen der Menschheit, deren Erbe bis heute Millionen von Menschen in seinen Bann zieht. In erster Linie denken wir jedoch an alte Pharaonengräber, Pyramiden und die Sphinx, wenn das Wort Ägypten fällt. Selten bis nie kommt uns das aktuelle, kulturelle Schaffen in den Sinn und auch die Musikszene der arabischen Republik stößt nicht auf das Interesse europäischer Ohren.
Diesen Umstand zu ändern, hat sich der Tanz Raum vorgenommen. Das Label, das die Kunst des ägyptischen Tablavirtuosen Ibrahim el Minyawi zur Verfügung stellt, setzt sich seit vielen Jahren intensiv mit der Kultur Ägyptens und ihrem künstlerischem Ausdruck auseinander. "Ibrahim habe ich 1992 erstmals auf der Bühne erlebt. Er hat bei einem internationalen Festival mit einer Gruppe von ägyptischen Künstlerinnen und Künstlern mitgespielt. Dort sah ich 'the real thing', und wenn man 'the real thing' sieht und hört, weiß man plötzlich ganz genau, was vorher nicht so ganz gestimmt hat", erinnert sich Claudia Heinle, eine der beiden Labelleiterinnen, an das Schlüsselerlebnis. Sieben Jahre später erscheint mit "Spirit Of The Heart" die erste Tanz Raum-CD el Minyawis, der auf eine lange und vielseitige künstlerische Karriere zurück blickt.
Von Kindesbeinen an widmet der Perkussionist, der 1940 im oberägyptischen El Minya zur Welt kommt, sein Leben der Musik. Aufgewachsen mit den traditionellen Rhythmen seiner Heimat, zählt er heute zu den weltweit anerkannten Virtuosen seines Hauptinstruments, der Tabla. Dabei verliert er seine kulturellen Wurzeln nie aus dem Blickfeld.
Die ersten 20 Jahre seines Lebens verbringt der talentierte el Minyawi damit, von den alten Meistern arabischer Musik sein Handwerk zu erlernen. 1960 verschlägt es ihn schließlich nach Kairo, dem kulturellen Zentrum am Nil. Dort spielt er in nahezu allen Orchestern die in der ägyptischen Musiklandschaft etwas zu sagen haben, arbeitet für Radio und Fernsehen und ist auf zahlreichen Tonträgern als Sideman gelistet. Als sich die politische Situation während der 70er Jahre zuspitzt und die künstlerische Ausdrucksfreiheit zunehmend einengt, zieht el Minyawi die Konsequenzen und emigriert nach England.
Von seiner neuen Heimat London aus, sichert er sich alsbald die Aufmerksamkeit interessierter Ohren. Bei einem seiner zahlreichen Engagements sind unter ihnen auch die Lauscher Claudia Heinles, die die Begegnung mit seiner Kunst als Schlüsselerlebnis beschreibt. Seine "ästhetischen Prinzipien lassen die ägyptische Musiksprache erst wahrhaft erscheinen", stellt auch Caroline Chevat, die Partnerin Heinles, fasziniert fest.
Als einer der letzten Baladi-Musiker, die den traditionellen ägyptischen Tanz live begleiten (können), inspiriert er seitdem auch die Produktionen des Tanz Raums. Doch nicht nur auf die Tradition versteht sich el Minyawi, er begeistert auch als Künstler, der "eine alte Kultur in unsere Zeit überführt", so Heinle, "el Minyawi spielt mit den traditionellen, erdverbundenen Rhythmen und schafft Innovation aus einer Jahrtausende alten Tradition."
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