8. Juli 2005

"Swahrzbraun issie Haselnuss ..."

Interview geführt von

Kaum erreichen Foto-Kollege Mengele und ich das unauffällig gelegene 4-Sterne-Hotel Mado in Köln, gleich um die Ecke am Prime Club, erblicken wir ihn schon: Jello Biafra. Der Mann, der vor rund 25 Jahren mit den Dead Kennedys amerikanische Punkrock-Geschichte schrieb, sitzt im grünen Innenhof vor zwei Journalisten und plaudert in einer unüberhörbaren Lautstärke. Die Worte Osama Bin Laden und Bush dröhnen zu uns herüber, wir sind also richtig. Beim späteren, auf 42 Minuten gestreckten 20-Minuten-Gespräch sollten auch wir vor allem drei Dinge erfahren: 1. Biafra liebt es, zu reden. 2. Biafra liebt es, sich selbst beim Reden zuzuhören. 3. So sehr sein Vortrag an mancher Stelle auch populistische Züge annimt; hinter den oftmals markigen Behauptungen steckt ein wacher Geist.

Jello Biafra veröffentlicht heute über sein Label Alternative Tentacles sowohl etablierte Bands wie Neurosis und D.O.A., als auch Newcomer-Acts und hat auch Spoken Word-Alben von Intellektuellen wie Noam Chomsky im Programm, der als führender Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik gilt. Klar, dass da auch engagierte Polit-Sampler wie die "Rock Against Bush"-Serie vorzüglich ins Vertriebskonzept passen. Biafra selbst hat der Musik längst nicht abgeschworen und spielte jüngst mit den Melvins ein Album ein, dem in Kürze ein zweiter Teil folgen wird.

Der ewigen Legende, Biafra sei nicht nur Heino-Fan, sondern gar ein leidenschaftlicher Sammler von Schallplatten des deutschen Schlager-Urgesteins, gehen wir unnachgiebig auf den Grund und überreichen ihm zur Begrüßung eine noch kurz vor dem Interview aufgetriebene Greatest Hits-Platte aus den frühen 70ern. "Swahrzbraun issie Haselnuss, swahrzbraun bin auch ick", schmettert uns Biafra grinsend entgegen und wirft einen kurzen Kennerblick auf's Albumcover: "Oh, got it already". Eines will er außerdem klarstellen: "Wollt ihr auch wissen, wieso ich Heino-Platten sammle? Damit ich meinen Freunden beweisen kann, was es für unglaubliche Scheißmusik auf dieser Welt gibt. So was glaubt einem ja keiner!"

Jello, bevor du mit den Melvins zurück gekehrt bist, hast du im Laufe der Jahre einige Spoken Word-Platten veröffentlicht ...

... aber auch ein paar mit Musik drauf!

Gut, aber bei den Platten mit Lard hast du dich sicher nicht so austoben können, wie nun mit King Buzzos Kapelle, oder? Kamen die Jungs auf dich zu oder lief's genau andersrum?

Eine Zeit lang war es frustrierend, Musiker aufzusuchen, die nicht nur an einer Neuauflage von "Fresh Fruit" (das berühmte Dead Kennedys-Debüt, Anm. d. Red.) interessiert waren. Ich wusste, dass die Melvins verdammt gut spielen, also dachte ich: Well, vielleicht sollte ich mir einfach wieder ein paar Musiker ausleihen, damit ich meinen Shit endlich aufgenommen kriege.

Dann war die Kollaboration also deine Idee?

Ursprünglich wollten sie mich dafür begeistern, ausschließlich mit Dead Kennedys-Songs auf Tournee gehen, einfach aus Protest gegen meine alten Bandkollegen, diese Betrügerbande, die bis heute mit einem schlechten Sänger unter dem Namen Dead Kennedys tourt. In Amerika verschickten sie teilweise sogar Promobilder mit meinem Gesicht an die Veranstalter, diese Raffzähne. Sie treten all das mit Füßen, wofür die Band einmal stand. Die Idee war also, das Erbe der Band auf diese Art und Weise zu bewahren. Ich wollte aber lieber etwas Neues machen und so kam eins zum anderen. Das Lustige ist, dass ich dann - die Melvins im Hinterkopf - harte Nummern anschleppte, und Buzz mit Punkrock-Songs ankam. Und doch klangen manche Sachen am Ende nach etwas, das noch keiner von uns vorher gemacht hat. Das ist es ja auch, was Punk in erster Linie bedeutet: etwas Neues.

Fühlst du ein tiefes Verständnis zu deinen neuen Musikern?

In mancherlei Hinsicht sehe ich sie mehr als Freunde an, als damals meine Dead Kennedys-Kollegen. Wir kennen uns einfach schon verdammt gut. Als ich sie zum ersten Mal in Los Angeles besuchte, brachte ich ein paar Songs mit, von denen sie manche mochten und andere wiederum nicht. Ich musste ihnen erst verschiedene Songs zeigen, um heraus zu finden, worauf sie Lust hatten. Mit der Zeit fand ich auch heraus, was Dale am Schlagzeug drauf hat. Das war die Zeit, als ich mit "Islamic Bomb" ankam, von dem ich ursprünglich überzeugt war, es erst aufnehmen zu können, wenn ich mal zwei Drummer habe. Aber natürlich konnte Dale es im Alleingang aufnehmen. Auf dem Album verwendeten wir zwar Overdubs für die Toms, aber wir spielen es auch live.

Ihr spielt nur vier Shows in Europa. Wem ist da die Schuld zu geben?

Buzz hat Verpflichtungen mit Fantômas, die ja auch mit uns spielen. Die Organisation war ziemlich schwierig, da wir uns alle ständig um verschiedene Dinge kümmern und nicht oft gemeinsam live spielen. Aber auch ich habe zuhause noch was zu tun, denn ich muss das zweite unserer beiden Alben fertig mischen, das Artwork machen und die Edits überwachen. Und dann wartet natürlich noch die Live-Version von "California Über Alles" mit neuem Schwarzenegger-Text auf ihren Mix. Hey, ihr denkt, George Bush ist eine Bedrohung für den Weltfrieden? Ich sage: Wartet mal ab, bis dieser Motherfucker aufkreuzt. Es kamen sogar schon Vorschläge ins Gespräch, die Verfassung zu ändern, damit Schwarzenegger Präsident werden kann. Und wenn er das tatsächlich mal werden sollte, werden wir George Bush noch richtig vermissen. Schwarzenegger ist bei weitem gefährlicher und rassistischer. Nehmt euch in Acht vor Österreichern, die die Welt regieren wollen. Muss ich mehr sagen?

Ich habe allerdings gehört, dass die öffentliche Meinung in Amerika auf diesen Vorschlag nicht gerade wohlwollend reagiert hat.

Oh, wenn Rupert Murdoch von Fox News und Sky TV und all die Großunternehmen, die die TV-Sender kontrollieren, zusammen mit der Presse entscheiden, dass der Vorschlag von der Masse für gut befunden werden soll, dann ändert sich die öffentliche Meinung ganz schnell. In den amerikanischen Medien ist der Geist von Joseph Goebbels noch quicklebendig. Hier in Deutschland wundert man sich ja immer: Wie könnt ihr in Amerika so blöd sein, George Bush ein zweites Mal zu wählen? Die Antwort ist ganz einfach: Amerikaner sind nicht informiert, weil die Medien bei uns so zensiert werden. Wir könnten auch locker im früheren Ostdeutschland leben, wenn wir davon sprechen, wieviel Wissen die Menschen vertragen dürfen. Über Außenpolitik wird in unseren Medien natürlich tunlichst geschwiegen, abgesehen natürlich von den bösen Terroristen, die uns daran hindern, den Irak zu besetzen und den bösen Franzosen, die gegen Bush opponieren. In diesem Zusammenhang, und wirklich ausschließlich dann, findet auch Deutschland Erwähnung.

Wisst ihr, die meisten Amerikaner könnten Deutschland noch nicht mal auf der Landkarte finden. Viele würden nicht mal Amerika finden, kein Scheiß, so schlecht sind unsere Schulen. Doch die Menschen sind zu geizig, Steuern zu bezahlen, um die Schulen wiederherzustellen und außerdem sind unsere Lehrpläne mehr und mehr danach ausgerichtet, hoch trainierte, digital versierte und effektive Dronen heran zu züchten, die gut mit Computern umgehen können und möglichst wenig Fragen stellen. Also Leute, für die das Leben nur darin besteht, morgens in ihre Arbeitsparzellen zu rennen, ein bisschen mit dem Computer zu spielen, auf dem Nachhauseweg noch eine DVD ausleihen und dann ins Bett gehen.

Und Schwarzenegger ist für dich der neue Bush?

Es gibt Stimmen, die sagen, er soll 2012 Präsident werden. Vor allem deswegen weil sie natürlich ein bisschen Zeit brauchen, um das Gesetz zu ändern. 2008 werden sie eher Bushs Bruder Jeb favorisieren oder einen anderen, noch verrückteren fundamentalistischen Christen als Bush suchen. Und die Demokraten werden wahrscheinlich wieder eine Nullnummer zur Kandidatur aufstellen, wie immer eben, denn das ist es, was die Unternehmen von ihnen verlangen.

Wie du schon richtig gesagt hast, verstehen es die Deutschen nur schwer, warum Bush wiedergewählt wurde. Man erfährt von all der Gewalt und der gleichzeitigen Hochhaltung konservativer Werte ...

Ja, aber all das fürchtet die Leute nicht so sehr wie die Aussicht, im Fernsehen plötzlich auf zwei küssende Männer zu stoßen, was natürlich passiert wäre, hätte Kerry die Wahl gewonnen. verstellt die Stimme: So was dürfen wir nicht zulassen! Wir müssen Amerikas Moral wahren! Stupid shit like that. Ihr müsst wissen, die fundamentalistischen Kirchen sind bei uns sehr gut organisiert und sie erscheinen in großer Zahl bei den Wahlen. Wie sagte es Michael Moore gleich? Die sind halt nicht so drauf wie die progressiven Linken, die Spaß am Leben haben wollen, denn sie springen jeden Morgen nur so aus ihren Betten und sind ganz heiß auf ihre Arbeit, nur um dort neue Wege zu finden, wie sie die Armen ein weiteres Mal bescheißen können.

Hätte Kerry es besser gemacht?

Nicht wirklich. Er stammt auch aus einer sehr reichen Familie und weiß, dass man von ihm erwartet, Reichtümer zu schützen und anzureichern. Kerry hat wahrlich genug Chancen, Bush zu anzugreifen, vor allem in Zeiten des Irak-Kriegs, aber er hat nichts getan. Ich habe ihn auch nicht gewählt.

Bushs Sieg war aber auch für dich eine Überraschung, oder?

Ich glaube auch diesmal nicht, dass er wirklich gewählt wurde, er wurde ausgewählt. Bei beiden Wahlen gab es massiven Betrug, in erster Linie mit den elektronischen Zählmaschinen. Hey, vertraut hier in Deutschland niemals elektronischen Zählmaschinen, sie sind viel einfacher zu manipulieren, um das Ergebnis zu ändern. Es gibt nicht nur hinreichen Belege dafür, dass Gore die Wahl 2000 gewonnen hat, sondern auch für Kerrys Sieg. Es war er, der den Staat Ohio holte, der letztlich aber Bush zur Wahl verhalf. Niemals zuvor habe ich es erlebt, dass sich die Medienkonzerne so früh auf einen Kandidaten festlegen. Als wäre Kerry eine Bedrohung für sie persönlich. Ich hätte wirklich niemals geglaubt, dass die Bewahrung des gesetzgebenden Wahlrechts für alle Menschen einmal eines der großen politischen Themen wird. Einige Staaten, darunter Kalifornien, ließen Schwarze und Latinos, die wahrscheinlich Kerry gewählt hätten, länger als acht Stunden in der Wahlschlange warten. Viele Leute aus ärmeren Gegenden können es sich natürlich überhaupt nicht leisten, einen ganzen Tag nur für die Wahl freizunehmen, also gingen sie irgendwann wieder oder blieben gleich ganz zu Hause. Das war alles geplant und noch viel mehr solcher Scheiße.

Es ist eine Taktik, die schon der Ku-Klux-Clan in den 40ern, 50ern und 60ern verwendete, und die auch Senator Jesse Helms anwandte, um in North Carolina wiedergewählt zu werden (Der Hardliner Helms, der gute Verbindungen zum Großkapital besaß, galt als Sprecher des faschistischen Flügels der Republikaner, Anm. d. Red.). Als es danach aussah, als würde Helms gegen Harvey Gantt verlieren, einen Afro-Amerikaner, wurde sicher gestellt, dass in zentralen Städten wie Charlotte in den schwarzen Gebieten nicht genug Zählmaschinen aufgestellt werden. Vielleicht wäre die Wahl sonst verloren gegangen. Und so was passiert auch in San Francisco, wo eine Menge Leute dagegen votierten, dass ein neues Footballstadion gebaut wird. Aber oohh, das Stadion wird gebaut, die Leute haben es entschieden, und einige Zeit später findet man Container voller Wahlzettel zwölf Meilen von San Francisco entfernt im Ozean. Unfassbar! Zum Glück merken immer mehr Leute, was wirklich abgeht und regen sich darüber furchtbar auf. Jeb Bush, der Gouverneur von Florida ist, hat sogar mal die Polizei beauftragt, Häuser alter Afro-Amerikaner zu überfallen, die sich noch an Lynchmorde erinnern können, um nach Wahlbetrug-Indizien zu suchen. Auf diese Weise schüchterte man die alten Ladies, die die falsche Hautfarbe haben, ganz gezielt ein, um sie von der Wahl fernzuhalten.

Gerade ist vor allem das US-Gefangenenlager Guantanamo in den Schlagzeilen. Aufgrund internationalen Protests und zunehmend schärfer werdender Kritik auch innerhalb der Republikanischen Partei steht das Camp mehr denn je in Frage. Ein demokratischer Senator hat sich jüngst offen dafür ausgesprochen, das Camp zu schließen.

Wieso ihm das erst jetzt einfällt ... Aber nein, sie werden das Camp nicht schließen. Du hörst jeden Tag aus dem Fernsehen, vor allem auf Fox News, wie großartig Guantanamo doch ist. Nur mit so einem Lager können wir weitere 11. September-Vorfälle verhindern. Man kann es leicht rechtfertigen, weil nur Araber dort gefangen gehalten werden. Sie verraten uns natürlich nicht, dass auch etwa 700 Menschen aus dem Mittleren Osten ohne jede Anklage festgehalten werden - und zwar in Amerika! 10.000 weitere stehen im Irak anklagelos unter amerikanischer Bewachung, die weder mit ihren Familien sprechen noch einen Anwalt sehen dürfen. Erinnert euch das vielleicht an eine bestimmte Regierung aus Deutschlands jüngster Geschichte? (lacht) So was macht mir Angst.

Die Forderung des demokratischen Senators zur Camp-Schließung könnte aber doch zu weiteren hochrangigen Meinungen und zu noch mehr öffentlichem Druck auf die Regierung führen, oder?

Diejenigen, die wissen, was sich hinter Guantanamo verbirgt, wollen es auch geschlossen sehen. Ein Großteil der Amerikaner ist ja bekanntlich auch gegen Bushs Politik, aber der hört natürlich weg. Er hat seine Mehrheit im Kongress, die nicht nur aus Republikanern, sondern auch aus einem Flügel extremer Rechter besteht, die über alle Regeln hinweggehen würden, um das durchzuboxen, woran sie glauben. Solange die Republikaner an der Macht sind, wird es keine Untersuchungen des Senats geben, sei es in Guantanamo Bay, Abu Ghraib oder all derjenigen, die gesagt haben, dass Saddam diese gefährlichen Waffen besitzt, die er nebenbei eh nur von uns gekauft haben kann. Die Republikaner sagen einfach, wir haben die Mehrheit, wir entscheiden, dass es keine Untersuchungen gibt. Es ist nicht dasselbe wie mit Watergate, wo Nixons Partei damals im Kongress nicht federführend war. Wenn die Republikaner damals die Mehrheit im Kongress gestellt hätten, wir hätten nie von Watergate gehört. They wouldn't give a fuck!

Kandidierst du noch für die Grünen?

Ich bin noch Mitglied und habe bei der letzten Wahl Ralph Nader gewählt. Die amerikanische Grüne Partei unterscheidet sich sehr von den deutschen Grünen. Es ist ein kleinerer und radikalerer Kreis. Also wie eure Grünen ganz am Anfang. Viele sind auch desillusioniert über das, was mit der Partei passiert ist. Aber so läuft es in der Demokratie: wenn man ein wenig Macht erhält, muss man plötzlich auf alle möglichen Meinungen eingehen, also auch auf die, die nicht mit deiner Meinung einverstanden sind. Ich weiß nicht, was ich in Deutschland wählen würde, eure Grünen waren ja auch dafür, in Afghanistan einzumarschieren. Andererseits musste das Taliban-Regime gehen. Doch leider ist das, was Afghanistan im Moment hat, keinen Deut besser, deshalb ist die Sache ja so fucked up, mehr noch als im Irak. Wir vernichteten das Land nicht nur einmal, sondern zweimal.

Erstens, weil wir uns eine Mehrheit verschafft haben, um Osama Bin Laden zu unterstützen, und als die Sowjets dann draußen waren, kümmerten wir uns keinen Strich um die afghanische Bevölkerung oder all die zerstörten Gebäude. Wir überließen all die Kontrolle den Kriegstreibern da unten. Außerdem brauchte die CIA noch jemanden für die Opiumlieferungen, um auch weiterhin den Heroinhandel kontrollieren zu können. So verarschten wir die Afghanen ein weiteres Mal. Wenn jetzt all die Taliban-Anhänger aus dem Boden sprießen, müssen wir die Schuld bei uns suchen. Das alles macht mich unendlich traurig und wütend. Und die meisten Amerikaner haben Afghanistan bereits völlig vergessen, das Land kommt auch nicht mehr in den Nachrichten vor. Der jetzige Präsident Afghanistans, Hamid Karsai, der früher mal für die Ölfirma Unocal arbeitete, kann heute nur am Tag nach draußen gehen. Er ist eigentlich nur tagsüber Bürgermeister von Kabul, nachts muss er sich verstecken. Wie will er da bitte sein Land regieren? Das geht gar nicht.

Ein Kollege sprach kürzlich mit Barney Greenway von Napalm Death, der meinte, er überlege ernsthaft, für die Grünen in England zu kandidieren. Hast du ihn auf die Idee gebracht, als ihr euch kürzlich getroffen habt?

Nein, wir haben nie darüber gesprochen. Wir haben uns nur ganz kurz gesehen, als ich ein paar Gastvocals für seine Band abliefern sollte. Danach musste er gleich zu einer Show, ich hoffe also, wir treffen uns mal wieder. Aber es klingt sehr gut, denn ich habe ehrlich gesagt noch kein richtiges Lebenszeichen einer britischen Grünen-Partei wahr genommen. Blair kommt unter anderem deshalb so gut mit seinem rechtslastigen Programm weg, weil seine Partei als einzige Hoffnung für die Linken gilt. Es ist dasselbe wie bei den Demokraten nach Reagan, wo sie ja unbedingt den nächsten Reagan vorbringen wollten. Ich meine, Clinton machte einen ganz guten Job, auch wenn ein Gutteil seiner Politik auf Richard Nixon zurück ging.

Das meiste, was Blair macht, ist aber Thatcher-Bullshit. Leider ist es aber die falsche Partei, also werden die Konservativen noch konservativer, entsetzlich Einwanderer feindlich, schlimmer als die Rechten in Deutschland oder Le Pen. Blair kann froh sein, dass es keine Alternative gibt. Es gibt wohl mehrere kleine Parteien, aber keine größere, die in sich geschlossen auftritt. Das muss sich aber dringend ändern, damit einige Labour-Leute merken, wie konservativ Blair eigentlich ist. Bei uns ist es ähnlich, ich glaube die Grünen in Amerika sind derzeit noch unorganisierter als im Jahr 2000. Aber ich bin noch immer am liebsten ein Teil von ihnen, als beispielsweise ein Demokrat.

Würdest du zustimmen, dass Menschen eher der politischen Meinung von Musikern Glauben schenken, als den Aussagen von Politikern?

Genau das ist der Grund, warum sich das große amerikanische Mediennetzwerk Künstlern gegenüber so unglaublich fies und schmutzig verhielt, als einige während des Krieges Bush kritisierten. Nach dem Motto: Jetzt schaut euch mal diese gottverdammten Musik- und Fernsehstars an, die ihr öffentliches Feld dazu missbrauchen, eine Meinung zu erheben. (lacht) Aber alles ist in allerbester Ordnung, sobald rechte Showstars aktiv werden. Wenn Schwarzenegger was zu sagen hat, ist das okay, wenn es Lynrd Skynrd oder Toby Keith ist, ebenfalls. Sonst nicht. Ich denke, man regt sich so darüber auf, weil man genau weiß, dass die Leute Musikern viel eher zuhören, als dass sie sich selbst hinsetzen und anhand eines Kommentars eines heuchlerischen Politikers überlegen, was nun wohl die Wahrheit ist. Wisst ihr, ich glaube nicht, dass es allzu viele Menschen auf der Welt gibt, die der Meinung sind, einer der einflussreichsten Philosophen, der es vermochte Gedankenanstöße zu geben, sei Bill Clinton oder John Kerry gewesen. (lacht)

Paul Weller hat mal gesagt, dass alle Politiker, die er bislang getroffen hat, noch weit mehr auf Aufmerksamkeit geil waren als jeder einzelne Musiker.

Haha, tja, irgendwie schon. Washington D.C. ist ein bisschen wie Hollywood. Die Politiker haben Egos, so groß wie die von Filmstars, und es geht ja auch ständig darum, wer mit wem hintenrum wieder rummacht. Aber sie tragen eben diesen Schein von Respekt mit sich rum. Es ist wirklich verrückt, wie viele Republikaner ihre Sekretärinnen vögeln oder wen auch immer.

Wie lautet also deine Berufsbezeichnung, wenn du in ein Hotel eincheckst? Eher Musiker als Politiker?

Ich gebe gar nichts an. Ich würde vielleicht Entertainer schreiben. Meistens checke ich einfach unter falschem Namen ein. Mister J. Gacy, Tourist. (lacht) Oder C. Manson.

Als du mit den Dead Kennedys anfingst, war dein Katalysator die Wut auf Bands wie E.L.O. oder Yes. Was macht dich heute wütend?

Oh, der Hass auf die Mainstream-Äquivalente davon. Oder auf Pop-Punkbands, die klingen wie die Eagles mit lauten Gitarren. Ihre Frisur mag so aussehen wie die von Johnny Rotten, aber in ihrem Kopf sind sie eine reine Boyband. Das Leben ist zu kurz, um schlechte Musik anzuhören. Wann immer ich ein Demo in die Finger kriege, das so ähnlich klingt, sofort raus aus meiner Anlage. Nein, im wesentlichen inspirieren mich positive Dinge. Ich denke, ich schreibe noch immer gute Songs, die manche Leute hören wollen. Es bedeutet mir sehr viel, wenn ich etwas entwickeln kann, das sich in meinem Kopf abspielt, wenn ich etwa Buzz einen Part vorsinge, was auch immer. Wenn der Song dann Gestalt annimmt und er am Ende funktioniert und cool klingt, das ist ein verdammt geiles Gefühl. Das ist einer der besten Momente für mich.

Apropos Pop-Punk: Green Day nannten ihr neues Album "American Idiot", Madonna ihres "American Life". Obwohl sie das dazugehörige Single-Video gegen Bush dann zurück zog, waren das schon deutliche Signale der Pop- und Rock-Elite gegen George W., oder?

Ich kenne die Jungs von Green Day und ich bin überhaupt nicht überrascht, dass sie so handelten, wie sie gehandelt haben. So viel Scheiße sie auch gemacht haben mögen, ihre Herzen sind offen und sitzen am rechten Fleck. Sie wissen was politisch abgeht, wussten es schon immer. Bei Madonna war ich auch nicht so überrascht. Ich meine, es hat mich weggeblasen, als die Dixie Chicks Bush runter machten. Als das ganze Land auf sie eindrosch und sie ins Fernsehen gingen, dachte jeder, sie würden sich entschuldigen, aber sie weigerten sich.

Was meinst du, warum Madonna ihr Video zurück gehalten hat?

Sie hätte es locker ins Netz stellen können, oder nicht? Tja. Sie ist eben ein Produkt der Entertainment-Industrie. Genug Kohle hätte sie ja gehabt, um es selbst rauszubringen. Naja, aber da sie fundamentalistischen Christen immer mal wieder eine reinwürgt, schätze ich sie sehr. (lacht)

Ich weiß, es ist ein empfindliches Thema für dich, aber nochmal zurück zu den Dead Kennedys: Ist da nur noch Bitterkeit in dir angesichts der Tatsache, dass deine alten Kollegen ohne dich weiter touren und ihr euch gegenseitig prozessiert?

Es kotzt mich an, denn sie behandeln mich wie Dreck. Sie lassen mich nicht in die Bücher schauen, sondern schicken mir ab und an einen Scheck, auf dem auch mal 25% so genannter Ausgaben gelistet werden, über die sie mich aber nicht informieren. "Viva Las Vegas" wurde neulich sogar in der furchtbaren TV-Show "American Idol" verwendet. Und dann sind da noch ihre Reunion-Shows. Wenn ich sie darauf anspreche, dass mein Foto da bitte nicht auftauchen soll, schieben sie es auf die bösen Promoter, die es aus dem Internet gezogen hätten. Wisst ihr, die Dead Kennedys bedeuten mir sehr viel, es ist ein großer Teil meines Lebens. Mitanzusehen, wie die Musik, unser Erbe und eine ganz besondere Vision derart hintergangen und verraten wird, als sei es Blink 182 oder irgendeine Boyband, macht mich traurig. Und ständig ihre beschissenen Anwälte mit ihren Drohungen: Neulich bekam ich einen Brief, dass ich bald gar keine Kohle mehr sehen würde, weil sie mich aus dem Band-Partnerschaft-Vertrag rauswerfen würden, schließlich würde ich ja den Back Catalogue gar nicht promoten.

Jetzt sagt mir mal: Warum sollte ich elend schlecht gemachte Neuauflagen unserer guter Alben promoten? Sie pissen auf all das, wofür wir jemals gestanden haben. Nichts von dem hat mit mir zu tun. Das ist nicht das, was ich daraus gemacht hätte. Einmal wollten sie mich sogar überreden, wieder einzusteigen. Hey, ich würde eher für McDonalds arbeiten, als für euch Fucker. Und jetzt gibt es diese Ausbeutung-Ausgabe von "Fresh Fruit" zum 25-jährigen Bandjubiläum mit einer DVD-Doku, gefilmt von East Bay Eay ... Aber er war schon eine bittere Person, schon bevor die Band auseinander brach und eben auch in obsessiver Form geldgierig. Und Klaus war schließlich fertig mit mir, als ich gegen die Levis-Kampagne war, die er unter allen Umständen machen wollte. (Levis verwendete schließlich einen Pretenders-Song, Anm. d. Red.) Nachdem ich ihm erklärte, dass der Spot den Ausverkauf all unserer Ideale bedeuten würde, schlug dieser Typ mir allen Ernstes vor, der Presse eben zu erzählen, dass wir die Kohle spenden würden, um sie insgeheim aber einzusacken. Und Klaus war früher mal wie ein Bruder zu mir. Glaubt mir, diesen Jungs zu vertrauen war der größte Fehler, den ich in meinem ganzen Leben gemacht habe.

Letzte Frage: Kennst du die Nouvelle Vague-Coverversion von "Too Drunk To Fuck"?

Was? Wie heißen die? Nie gehört! Ach so, die Bossanova-Version? Doch, die kenne ich vom Hörensagen. Sie wurde ja Titelsong einer britischen Fernsehshow.

Magst du den jazzigen Laid Back-Faktor, den die Nummer versprüht?

Ich muss sagen, je mehr die Leute alte Songs von mir ruinieren, desto besser finde ich sie. Wieso sollte man es so ähnlich klingen lassen wie das Original? Außer du spielst unsere Version besser, so wie Sepultura mit "Drug Me". Aber solche Momente sind sehr rar. Ich liebe die Version der Disposable Heroes Of Hiphoprisy von "California Über Alles". Aber diese Bossanova-Nummer habe ich noch nicht gehört. Ich muss aber auch sagen, dass es ja wohl das Mindeste wäre, gerade nach dem ganzen Rummel, dass die Band mir mal eine CD rüberschicken.

Darauf kann man kommen.

Vergiss es. Die sind auf V2, einem Virgin-Label. Glaubst du etwa, jemand von Virgin käme an seinem ereignisreichen Arbeitstag darauf, mir eine Kopie zu schicken? Ich habe mittlerweile gelernt, so etwas nicht mehr zu erwarten.

Das Interview führte Michael Schuh.

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