laut.de-Biographie
Juvenile
Vor einigen Jahren war Amerikas Süden für den Hip Hop-Interessierten noch bekannt für ordentlich Bling-Bling. Mittlerweile steht dieses Gefilde aber vor allem für zwei Begriffe: Crunk und Lil Jon. Das soll nicht heißen, dass Lil Jons Pokal nicht mit blitzenden Edelsteinen besetzt und von Gold überzogen ist. Trotzdem sind Cash und Money ein wenig in den Hintergrund geraten.
Die Rede ist natürlich von dem Label Cash Money Records, das für eine lange Zeit die Vormachtstellung hatte, wenn es darum ging, talentierte Künstler aus dem Süden auf die Landkarte der gesamt-amerikanischen Rap-Gemeinde zu katapultieren. In die für die Hip Hop-Karriere hilfreichen Hände dieses Labels gelangt auch ein gewisser Terius Gray.
Geboren in für einen angehenden Rapper wahrscheinlich viel versprechenden Verhältnissen, erblickt der junge Herr Ende der Siebziger in New Orleans Stadtteil Magnolia Projects das Licht der Welt, einer der gefährlicheren Gegenden. Ende des Jahres 2003 wird der aufstrebende No Limit-Rapper Soulja Slim in diesem Stadtteil, vor dem Haus seiner Mutter erschossen. Diesen Verhältnissen trotzend, erweist sich die Straße für Juvenile schnell als der schönste Spielplatz der Welt, und so ist bald die beste Tagesbeschäftigung das Hustlen mit den Homies. Doch dem Jungen wird klar, dass der Abstieg in die Kriminalität nicht sein Weg ist. Ab seinem zehnten Lebensjahr konzentriert er sich deswegen parallel auf seinen Traum, einmal Rap-Star zu sein.
Die richtigen Kollegen sind gleich gefunden, daraufhin gibt es für den mittlerweile Zwölfjährigen nichts anderes mehr, als das tägliche Schreiben und Präsentieren der Reime. Gemeinsam mit einigen Freunden gründet er die Gruppe UTP, der damals auch ein gewisser Young Buck angehört. Dieser werte Herr verkauft mit seiner neuen Crew G-Unit, die sich dank 50 Cent in den Kommerzhimmel geschossen hat, mittlerweile Platten im Doppel-Platin-Bereich.
Zu dieser Zeit ist es aber vornehmlich Juvenile, der die Ohren der Heads entzückt. Trotzdem gelingt ihm nicht der große Wurf, und so sind Gelegenheitsjobs, die das tägliche Leben finanzieren, unumgänglich. Der ambitionierte Rapper fristet also die nächsten Jahre ein Dasein zwischen Friteusen in Pommesbuden und Freestyles auf Partybühnen. Bis sich eines Tages seine Wege mit denen von Ronald "Suga Slim" und seinem Bruder Brian "Baby" Williams kreuzen. Das Geschwisterpaar ist Inhaber des besagten Labels Cash Money Records.
Auf eine spontane Rap-Einlage Juveniles auf seinem Weg zur Arbeit reagieren die beiden positiv, leider ist aber derzeit im Label-Rooster kein Platz frei. Trotzdem geben sie dem Talent eine Chance und versprechen eine Anstellung in den eigenen Reihen zu einem späteren Zeitpunkt. Mit folgender Hartnäckigkeit haben sie aber nicht gerechnet, denn Juvenile beginnt daraufhin, täglich bei Cash Money aufzukreuzen und seine neuesten Reime vorzutragen. Nach kurzer Zeit geben die Williams-Brüder nach und legen Juvenile die obligatorische Cash Money-Goldkette um den jugendlichen Hals - der erste Plattenvertrag liegt in trockenen Tüchern.
Bald sind die Arbeiten am Majorlabel-Debüt abgeschlossen, "Solja Rags" mausert sich mit über 200.000 verkauften Platten allein im Dirty South zum Gewinn für Label und Künstler. Auf der ersten Erfolgswelle schwimmend, reicht er auch seinen Kumpels aus alten Zeiten die Hand und verhilft seiner Crew Hot Boys zu nationalem Erfolg. Zusammen mit B. Gizzle, Turk und Lil Wayne veröffentlicht er das Album "Get It How U Live" und kommt der 500.000 verkaufte Alben-Grenze gefährlich nahe.
Doch Juvenile vergisst seine Solo-Karriere nicht. 1998 folgt das neue Album "400 Degreez" und manifestiert den Dirty South als feste Größe im amerikanischen wie auch im internationalen Rap-Zirkus. Die Single "Back That Azz Up" hört man jedenfalls in jedem Club von Louisiana bis Leverkusen. Neben dem einprägsamen Rap-Stil von Juvenile sind es vor allem die energiegeladenen Beats des Produzenten Mannie Fresh, die jede Tanzfläche zum Beben bringen. Die Zusammenarbeit der beiden klappt so gut, dass auch die darauf folgende Kollaboration, das Zweitwerk der Hot Boys- "Guerrilla Warfare"- zum vollen Erfolg avanciert. Im gleichen Jahr bekommt der Rapper nach dem Respekt der Straße auch noch den Respekt der Industrie gezollt. Neben Auszeichnungen bei den Billboard-, Source- und Soul Train-Awards freut er sich auch über eine Nominierung bei den American Music Awards.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere klingt jedoch der Hype um den Rapper aus dem Süden etwas ab. Die drei nachfolgenden Alben können an dieser Entwicklung auch nichts ändern. "Tha G-Code", "Playaz Of Da Game" und "Project English" glänzen allesamt mit ihrer Durchschnittlichkeit und reißen nicht einmal mehr die Hip Hop-Gemeinde in Amerikas Süden vom Hocker. Der ausbleibende Erfolg könnte auch der Grund sein, dass es zu verschiedenen Differenzen zwischen Juvenile und der Cash Money-Belegschaft kommt. Man hört von Trennungsgerüchten, die aber weder der Künstler noch das Label selbst bestätigen.
So verstreichen die Jahre, und allmählich beginnt der dreckige Süden für ein neues Phänomen den Platz zu räumen. 2003 steigt Lil Jon in seinen Crunk-Monstertruck und überrollt das Land zu. Dieser feindlichen Übernahme will Juvenile natürlich nicht tatenlos zusehen. Auf einmal sind alle Streitigkeiten zwischen ihm und Cash Money gegessen, und Ende 2003 steht sein neuster Streich "Juve The Great" in den Plattenläden. Trotz der vermeintlichen Übermacht des Crunks geht die Rechnung für Juvenile auf. Beharrend auf der alten Erfolgsformel lädt er erneut Mannie Fresh an die Regler ein und verhilft mit dem Album und der ersten Single seinem Label zum lange nicht da gewesenen Gold-Status in Amerika. Wahrscheinlich aufgrund dieser Verkaufszahlen ist das Kriegsbeil endgültig begraben, Künstler und Label schauen gemeinsam in eine rosige Zukunft- trotz der bedrohlichen Allmacht des Crunks.
Die neue, alte Freundschaft mit Cash Money hält aber nicht lange. Juvenile verlässt Mitte 2005 das Label. Damit nicht genug. Im August 2005 überrollt Hurrikan Katrina Juveniles Heimatstadt New Orleans und macht auch das wahre Cash und Money zunichte. Die Dämme brechen wenige hundert Meter hinter Juveniles Anwesen und Wassermassen reißen das komplette Hab und Gut des Rappers mit sich. Juvenile steht wie tausende Andere, zum größten Teil aus der schwarzen Community New Orleans, vor den Trümmern ihrer eigenen Existenz.
Doch Juvenile ist ein Kämpfer, schon immer gewesen. Nur wenige Monate nach der verheerenden Naturkatastrophe erscheint "Reality Check", das achte Album des Rappers. Nach dem Ende der Beziehung zu Cash Money kommt Juve mit seinem eigenen Label UTP Records bei Atlantic Records unter und macht sich an den Wiederaufbau der eigenen Existenz - als Künstler und Mensch.
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