30. März 2015
"Musik ist eine Hassliebe"
Interview geführt von Laura SprengerKontra K steht für klassische Werte: Ehre, Stolz und Anstand. Genau diese thematisiert er auch auf seinem aktuellen Album "Aus Dem Schatten Ins Licht". Warum er trotzdem jedem anderen Rapper seinen Erfolg gönnt, keinen Bock mehr aufs Internet und dringend Urlaub nötig hat, verrät er uns im Interview.
Zwei Stunden vor Beginn des Konzerts im Stuttgarter 'LKA Longhorn' treffen wir Kontra K zum entspannten Plausch im geräumigen Tourbus, von wo aus wir scharenweise Fans beobachten können, die sich auf den Auftritt des Berliners freuen.
Wie läuft die Tour bisher?
Gut, anstrengend. Das ist so eine Reizüberflutung, es sind so viele Sachen passiert. Ich bin mit Mandelentzündung losgefahren, und das war sehr anstrengend. Mittlerweile hat sich das eingepegelt. Ich muss zwar Antibiotika nehmen, aber doch, es geht. Die Konzerte sind gut besucht, und die Leute feiern das alle. Die kriegen ja nicht mit, was hinter den Kulissen passiert.
Wie kann man sich das Kontra K-Publikum vorstellen?
In Zürich, wo wir gestern waren, war es zum Beispiel total gemischt. Alte Leute, junge Leute. Von 13-jährigen kreischenden Mädchen, die mit Mami-Zettel da sind, bis zu 30-Jährigen. Ich finds gut.
Hast du dir vorher ein Konzept für die Shows überlegt oder passiert alles aus dem Bauch heraus?
Beides. Wir sind ja mittlerweile zu fünft auf der Bühne und wissen schon, was wir machen. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sage: 'Bei dem Song ab Minute drei machen wir genau das.' Das entwickelt sich nach und nach. Mit jeder Show kommt etwas dazu oder es bleibt etwas weg. Man lernt, das ist ein wachsender Prozess.
Du hast gegenüber der Juice gesagt, du erwartest, dass dein Album durch die Decke geht. Hat sich das erfüllt?
Ja, na klar. Also man muss das ja immer daran messen, was vorher war. Und was war vorher? Gar nix. Zumindest nicht viel. Die Videos gehen richtig schnell auf eine Millionen Klicks, in jeder Stadt sind mindestens 500 Konzertbesucher. Die Chartplatzierung muss man ja auch immer an der Woche messen. Jemand geht auf Platz eins mit 10.000 verkauften Einheiten, aber auch nur, weil kein anderer releast. Ich hatte eine starke Woche und habe da 20.000 Einheiten verkauft. In der vierten Woche war ich auch noch in der Top 50. Das sind aber alles nur Zahlen. Greifbar wird das erst nächstes Jahr. Ein schönes Resultat auf jeden Fall.
Wie hast du die Resonanz seitens der Presse wahrgenommen?
Sehr gut. Aber ich les' nicht so viel. Ich les' auch meine Interviews nicht mehr durch, außer dass ich noch mal kurz drübergucke, was ich gesagt habe. Dass ich das auch vertreten kann. Ich hab' auch keinen Bock mehr ... Internet und so. Das ist so eine andere Welt. Ich hab' mich davon distanziert. Man nimmt sich doch irgendwo alles zu Herzen, und da habe ich keinen Bock drauf.
Entspricht der veränderte Sound auf der EP und dem Album deinem persönlichen Geschmack oder transportiert er deine Texte einfach besser?
Naja, alles. Wir haben ein bisschen darauf geachtet, dass man das auch live mit Band umsetzen kann, weil ich einfach Bock drauf hatte. Wir haben halt probiert, einfach meinen Sound zu kreieren. Wir sind noch nicht ganz angekommen, aber fast. Ich hab' da auch immer meine Finger im Spiel, ich mecker' da überall. (lacht)
Kannst du kurz erklären, wen oder was du bei "Hassliebe" gemeint hast? Ich bin nicht ganz dahinter gekommen.
Ich habe über eine alte Freundschaft gesprochen und mehrere Personen zu einer gemacht. Es geht einfach um eine Freundschaft, bei der man viel mehr investiert, obwohl man weiß, dass derjenige das eigentlich gar nicht wert ist. Und ums Loslassen. Dass man sich zwar selbst Vorwürfe macht, aber trotzdem loslassen muss, weil derjenige einem nicht gut tut.
Glaubst du noch an etwas anderes als Karma?
Ja, ich glaube an Gott. Also an irgendeine höhere Macht. Ich weiß nicht, ob das Gott ist. Ich bin auch kein Kirchengänger, null. Aber ich respektiere das alles, den Koran ... ich hab' viele muslimische Freunde. Aber ich bin da jetzt nicht so drin. Ich bleibe eben für mich sauber und gerade.
"Nur auf der faulen Haut liegen, geht gar nicht."
Kommen wir mal zu einem anderen wichtigen Thema. Was hörst du beim Sport für Musik, um dich zu motivieren?
Ich hör' gar nicht so viel Musik, weil ich ...
[Zwei Crew-Mitglieder betreten den Bus] Wir machen grad noch ein Interview. Oder dachtet ihr, ich hab' weiblichen Besuch hier? (Alle lachen)
Nee, eigentlich höre ich nix. Beim Boxtraining sind wir so viele Leute, und da muss ich ja auch was sagen, wenn ich das leite. Dann lenkt Musik eher ab. Beim Laufen auch nicht, das bringt mich aus dem Takt. Ich laufe lieber alleine und höre, was um mich herum passiert. Ich hör' so viel Musik, den ganzen Tag. Es muss auch mal Momente ohne geben.
Wie hältst du dich während einer Tour fit?
Wir waren gerade vorhin im Fitnessstudio nebenan. Ich hab' meinen Schlagzeuger und meinen Tourmanager heute gequält. Du kannst ja gleich mal fragen, wie gut die sich jetzt gerade fühlen. Mein Manager zittert immer noch. Man macht immer mal wieder was. Dadurch, dass ich krank war, ging halt nicht so viel.
Empfindet es dein Umfeld manchmal als anstrengend, dass du so aktiv bist?
Manche schon. Aber viele von denen ziehe ich mit. Die Leute, die da keinen Bock drauf haben, genießen mich auf Abstand. Und die anderen sind selbst so und fahren auch ihre eigenen Sachen, machen ihr Ding. Nur auf der faulen Haut liegen, geht aber gar nicht.
Gönnst du dir also auch keinen Cheatday?
Doch klar, jeden Donnerstag. Donnerstags und sonntags ist Chillday. Aber 'Cheaten' heißt Fastfood und sowas? Nee, ich esse immer gut. Auch auf Tour, vielleicht emal McDonald's. Sonst kriegen wir immer Sandwiches oder so. Heute hatten wir Tortillas, aber auch nicht so fettige Sachen.
Du bist auch selbst Trainer, wie du vorhin gesagt hast. Wollen jetzt mehr Leute von dir trainiert werden, weil du bekannt bist?
Ich bekomme das schon mit, aber hauptsächlich im Netz. Aber bei uns direkt im Verein auf keinen Fall. Viele von denen hören die Musik auch gar nicht, was vollkommen in Ordnung ist. Ich finde es viel besser, mit denen menschlich cool zu sein. Die wollen eher von mir trainiert werden, weil ich gut Pratze halte. Mein Trainer hat ihnen bis dahin alles gut beigebracht und ich verfeiner' das und unterstütze die. Das ist alles auf freundschaftlicher Basis.
Funktioniert Musik als Gegenpol zum Sport oder motiviert sie dich genauso?
Eher ein Gegenpol. Musik ist zum Beispiel auch so eine Hassliebe. Die saugt dich aus. Mit jedem Konzert, mit jedem Song gibst du ein Stück von deiner Seele ab, wenn du dich wirklich fallen lässt oder das mit Liebe machst. Das kostet auf jeden Fall viel Kraft. Trotzdem sind Konzerte natürlich geil, der Moment auf der Bühne ist top. Aber dieses Ganze hier, in so einem dunklen Bus, das Warten. Hier gibts ein paar schöne Fernseher und ein schönes Holzfurnier, aber mehr auch nicht. Es ist dunkel, scheiß Luft, scheiß licht ... das macht keinen Spaß. Wenn ich jetzt von der Tour nach Hause komme, habe ich zwei Tage, bevor mein Sohn wieder nach Hause kommt, die sind gerade im Urlaub. Und da chill' ich erst mal. Da mach' ich nix.
Wie kannst du dich eigentlich in einer ruhigen Situation wie dem Schreiben in diesen Adrenalinmodus versetzen, der die meisten deiner Songs dominiert?
Ich kann das gut, mich wieder so zurückzuversetzen. Ich habe alles davon schon erlebt, was ich schreibe. Deshalb ist es für mich leicht, zu dem Gefühl zurückzukehren.
Du bist trotz allem auf einem Track mit Karate Andi, der für das komplette Gegenteil von dem steht, was du machst.
Eigentlich mache ich sowas nie. Ich habs nur aus Solidarität zu Bobby gemacht, weil er immer cool zu mir war und einer der ersten, der gesagt hat: Komm', ich mache ein Interview mit dir. Deswegen habe ich dieses Feature gemacht. Die wollten aber auch ein Video dazu drehen, aber da hatte ich keinen Bock drauf. Ich kenn' den Typen nicht. Wir haben uns die Hand gegeben, und der war nett, aber ich glaube nicht, dass wir menschlich Freunde werden würden. Ich habe aber für jeden Respekt und wünsche ihm viel Erfolg für das, was er macht. Ich bin auch auf dem Blokkmonsta-Allstar-Track drauf, obwohl ich da viele Leute gar nicht kenne. Das habe ich eben für den gemacht, weil ich ihn schon ewig kenne.
[Schaut aus dem Fenster] Viele Mädchen kommen auch auf die Konzerte, das ist voll krass. Dann gibt es immer die Ecke mit den kreischenden Mädels, die Backstreet Boys-Ecke sagen wir immer. Meine Securities, also auch Freunde von mir, streiten sich immer, wer dann da stehen muss.
Bist du jemand, der nach den Konzerten gerne Autogramme gibt und all das?
Kommt darauf an, wie groß das ist. Die hartnäckigen Leute, die hinterher am Bus warten, kriegen natürlich Autogramme. Aber für mich ist das Wichtigste im Moment meine Gesundheit. Ich gehe nach der Show sofort duschen, mummel' mich in meinen Trainingsanzug und komme erst mal wieder runter. Ich fahr voll auf 180 bei der Show. Kurz entspannen und dann kriegen die Leute, die noch eine Stunde ausgeharrt haben, ihre Sachen. Aber hinterher noch 800 Leuten Autogramme schreiben, das mache ich nicht. Da soll einem auch keiner böse sein. Jeder hat eine andere Art von Energie. Wenn jetzt Leute zu sechst auf der Bühne stehen und diesen Fame wollen, okay. Aber wenn alle an einem ziehen und was von einem wollen, da hab' ich gar nicht so Bock drauf. Ich freue mich, auf dieser Bühne zu stehen und den Leuten etwas zurückzugeben, aber noch mehr geben kann ich nicht. Alles nur in Maßen.
"Schwiegermutter-Potential? Ja voll man, eh!"
Mit deinem Stil und deiner Message besetzt du ja eine Art neue Nische im Deutschrap. Merkst du schon, dass dir Leute wegen des Erfolges nacheifern?
Ja, viele. Das machen aber auch Leute, die schon groß sind. Die springen auf diesen Zug auf, aber das ist in Ordnung. Das, was ich mache, ist echt vertretbar. Das gibt dem Rap was zurück, das echt gefehlt hat. Entweder gibt es nur Rap über Rap oder 'Ich bin besser als du, mein Auto ist besser als deins, mein Schwanz ist größer als deiner, ich verkauf' mehr Koks als du'. Erstens verkauft die Hälfte gar kein Koks, zweitens ist die andere Hälfte ein Haufen von Lutschern. Es gibt schon ein paar, zum Beispiel Xatar. Den feier' ich, weil es authentisch ist.
Oder die Strassenbande ...
Das sind ja meine Freunde. Mit denen habe ich schon Sachen gemacht, da waren wir noch weit weg von Fame. Wir hingen zusammen rum und haben Scheiße gemacht. Aber das ist schon acht, neun Jahre her. Zu dieser Nische: Wenn ich ein paar Leute von diesem Film weghole ... Rap beeinflusst viele, aber das verstehen manche Leute nicht.
Also bist du im Allgemeinen kein großer Freund der Deutschrap-Szene?
Von ein paar Sachen schon. Ich mag zum Beispiel Ssio und, wie gesagt, Xatar finde ich übergeil. Ich gönne jedem seins und freue mich, dass die Leute Erfolg haben, aber bin nicht von allem Fan. Ich freue mich, dass ein Farid Bang Erfolg hat oder Kollegah so krass durch die Decke geht. Jeder hat seine private Geschichte, die keiner kennt. Kein Fan und keiner dieser Hurensöhne, die da im Internet Zeug schreiben. Die wissen nicht, was dahintersteckt. Deshalb sage ich einfach, ich gönne es denen.
Du wurdest in einem Artikel als "angehender Popstar" bezeichnet. Kannst du das so unterschreiben?
Nee, ich will das auch gar nicht sein. Pop ist heutzutage so ein abwertender Begriff. Ich bin jemand, der irgendwie immer in eine Licht gerückt wird. Da ist einerseits natürlich cool, denn je mehr Leute mich hören, desto mehr Leute krieg' ich im Gehirn. Aber alles, was die anderen daraus machen, muss ja nicht ich sein. Aber wenn ich den Status von so jemandem habe, dann ist das cool.
Die Bremer Zeitung hat geschrieben, du hättest Schwiegermutter-Potential ...
(überrascht) Jaaaaaaa? Schwiegermutter-Potential, ja voll man, eh! (lacht)
Im Berliner Kurier gab es diesen Artikel mit der Überschrift "Das Rap-Video der Hirnlosen". Darin stand, dass du wegen des "Adrenalin"-Videos, in dem 'U-Bahn-Surfen, Graffitis sprayen, Einbruch und Vandalismus' gezeigt werden, mit einer heftigen Geldstrafe rechnen müsstest. Haben sich die Behörden schon bei dir gemeldet?
Nein, bisher nicht. Die haben wohl einen Anwalt oder die BVG befragt, wie hoch die Strafen sind. Aber ich hab' das ja nicht gemacht, um zu provozieren. Wenn ich etwas mache oder von etwas spreche, dann ist mir Authentizität sehr wichtig. Und die Jungs sind halt authentisch, ich kenne die schon lange. Das Material fürs Video habe ich von denen zugesandt bekommen. Deswegen: Wenn schon, denn schon.
Um gegen Ende einen Blick in die Zukunft zu werfen: Steht das Kollabo-Projekt mit Bonez schon offiziell fest?
Es steht auf jeden Fall fest, dass wir das machen. Wir haben schon drei oder vier Songs. Jetzt muss ich natürlich erst mal noch meine Albumpromo durchrutschen, da habe ich dem Label [Four Music, Anm. d. Red.] und mir selbst gegenüber die Verpflichtung. Ich will ja auch, dass wir das erfolgreich abschließen. Aber wir fangen an, und ich denke, das wird dieses Jahr noch kommen. Er hat mich auch auf dem Konzert in Hamburg besucht, und gestern in Zürich waren durch Zufall auch zwei von den Jungs da.
Vermisst du eigentlich deine Arbeit als Industriekletterer?
Ey, momentan vermisse ich gar keine Arbeit. Ich freue mich so krass auf meinen Urlaub, weil ich echt auf dem letzten Zahnfleisch rutsche. Ich brauche ein bisschen Pause, wenn die Tour und die Festivals vorbei sind. Dann kommt das Projekt mit Bonez, aber dazu werden wir nicht auf Tour gehen. Vielleicht machen wir ein Riesenkonzert Ende des Jahres. Columbiahalle mit 3.500 Leuten und noch mal eins in Hamburg. Dann ist dieses Jahr für mich auch erst mal rum. Parallel sitze ich aber schon an meinem nächsten Album, was dann aber echt noch dauert.
Machst du dir manchmal Sorgen darum, dass du dich wiederholst, weil sich deine Einstellung zumindest vorerst nicht mehr verändert?
Ich veränder' mich nicht, aber die Welt um mich rum schon. Es passieren Sachen, es kommen Leute und es gehen Leute. Ich habe ja davor auch "Wölfe" gemacht und direkt das Album nachgelegt. Und keiner hat gesagt, ich wiederhole mich. Na klar benutzt man immer mal wieder dieselben Phrasen, ich stehe ja immer noch für die gleichen Werte. Aber das macht ja jeder Rapper. Rapper A rappt immer noch über seine dicken Autos und Rapper B darüber, dass er alle wegdisst. Ich bleibe halt gerade und rappe immer noch über Ehre, Stolz und Anstand.
2 Kommentare
guter typ! einer der wenigen unpeinlichen figuren im deutschrap. er tut gut drann sich aus diesem ganzen gossip scheiss rauszuhalten. bin auch nicht der meinung das er sich durch den wechsel zu four verändert hat. soundbild wurde ein wenig "angepasst", mehr nicht. seine beiträge auf dem 187 sampler zeigen weiterhin die richtung an. das teil mit bonez kann nur gut werden. nettes interview sowieso!
you must be fun at parties