laut.de-Kritik
Diese Songs, stelle sie fertig.
Review von Alex KlugAch, hätte Adam Cohen seinen Vorgängern doch schon früher die Rolle des Produzenten abgeluchst. Nach den mediokren Pop-Arrangements der Nuller-Jahre brachen Vater und Sohn 2016 die Kunst Leonard Cohens wieder aufs Wesentliche herunter: auf Lyrik, Stimme und Kerzenschein-Melancholie.
"You Want It Darker" setzte einen bravourös verschwiegenen Schlussakkord hinter die Diskografie eines Mannes, dessen Alben sich schon vor fünfzig Jahren in rabenschwarze Trauergarderobe hüllten. Nun aber die Zugabe: "Thanks For The Dance". Keine Leichenfledderei, kein Archivfund gieriger Plattenbosse, sondern ein Versprechen, das Leonard Cohen seinem Sohn in den letzten Tagen seines Lebens abnahm: Diese Songs, stelle sie fertig.
Schon früh hieß es, "You Want It Darker" sei nie als finales Kapitel geplant gewesen. Dennoch garantiert die "I'm Ready, My Lord"-Motivik des Albums eine ewige Einordnung als prämortales Abschiedsdokument im Sinne des kurz vorher erschienenen "Blackstar". Anders als Bowie riskiert Cohen, der zum Lebensabend noch Gefallen an Kendrick Lamar und FKA Twigs kundtat, keinen wirklichen Umbruch, sondern verabschiedet sich mit durch und durch milden Tönen.
"In the prison of the gifted / I was friendly with the guards / So I never had to witness / What happens to the heart." Seine Lunge zog er früh in Mitleidenschaft, doch sein Herz ließ er mehr als einmal (aus)brennen. Und nicht nur seines, wissen wir doch alle bestens um Suzanne, Marianne und Lady Midnight. "Happens To The Heart" reflektiert das Liebesleben des "filthy beggar", wortreich, altersmilde, nur selten bereuend.
Und natürlich: Spoken Word. Cohen bewahrt sich seine Mitte aus Sprechen und Hauchen im Stile der "Thousand Kisses Deep"-Rezitationen. Weit weg von der späten Cash-Gebrechlichkeit, aber doch mit der Gewissheit beim Hören: Diese Worte hier sind die letzten, die Cohen je gegenüber einem Mikrofon preisgab.
Dennoch wird der entschwundene Casanova inhaltlich so körperlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Alle Tänze werden getanzt, alle Brüste bestaunt ("The Night Of Santiago"), und auch Marianne erhält einen allerletzten Abschiedsbrief: "Moving On".
Verlassen zu werden, das war etwas, an das sich die Frauen in Leonard Cohens Leben gewöhnen mussten. Traurig nur, dass wir inzwischen selbst um diesen Schmerz seiner Abwesenheit wissen – und ihn drei Jahre nach seinem Tod inzwischen auch verarbeitet haben.
Die Ballade des sterbenden Mannes kommt auf der zweiten "Thanks For The Dance"-Seite dann aber nichtsdestoweniger zum Tragen. "I'm living on pills / For which I thank God", heißt es im einzig wirklich voll instrumentierten "The Hills". Dass in den knapp 30 Minuten unter anderem Feist, Beck und Bryce Dessner von The National zu hören sind: wirklich Notiz nimmt man hiervon nicht, den unbestrittenen Ritterschlag gönnt man aber jedem einzelnen.
Spärlich bleibt es auch in der Delirium-Skizze "The Goal", aus der ein am Fenster vegetierender Cohen schließt: "No one to follow and nothing to teach / Except that the goal falls short of the reach." Auch wenn hier vieles milde stimmt, richtig ablegen konnte er sie nie, die Selbstkritik des sich geißelnden Lyrikers. Doch deutlicher denn je sind die Formulierungen, deutlicher denn je ist die Erkenntnis: Es waren nicht die Frauen, nicht der Schmerz, nicht die Pillen und nicht die Politik ("Puppets") allein, es war stets das Schreiben selbst, mit dem Cohen seinen Lebensweg entlang Lust und Leid pflasterte.
"You Want It Darker" war der Abschied, "Thanks For The Dance" ist die Erbverlesung. Ob unfreiwillige Zugaben folgen, bleibt ungewiss. Solange sie aber diese Messlatte hier halten sollten: Immer her damit. Bis dahin setzt "Thanks For The Dance" den Schlusspunkt hinter eine vor zehn Jahren kaum denkbar starke Spätwerk-Tetralogie voller Wärme, Weisheit und Weltschmerz und, wie des Meisters letzte Zeilen bezeugen, mit einer augenzwinkernden, bescheidenen Portion Humor. "Listen to the hummingbird / Don't listen to me." Ein Versprechen, von dem Cohen gewusst haben dürfte, dass wir es ihm niemals geben würden. Wie könnten wir auch?
5 Kommentare
Schöne Rezi! Klingt ja so, als ob das mit dem berühmt berüchtigten "posthumen Album" tatsächlich ausnahmsweise mal mit Würde über die Bühne gelaufen ist.
Unfassbar schön. Hatte ich nicht mit gerechnet. Nur schade, dass es gerademal 29 Minuten sind...
Allerletzte Lebens- (und Sterbens-)Äußerung des großen Meisters – dunkel raunend wie immer. [https://peter-hamburger.de/panorama/2019/1…
kennt jemand das Musikvideo, ich habe es bei Burger King gesehen, wo eine Person im grauen Umhang (Mönch?) durch den Wald wandelt? Ist ca 4 Wochen her, klang wie Cohen. Hat mir gut gefallen.
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