Porträt

laut.de-Biographie

Lighthouse Family

Mit den Zeugen Jehovas hat die Lighthouse Family wenig zu tun. Schon eher mit der Garantie für funktionierende Pop-Musik. Wenn Tunde Baiyewu und Paul Tucker ins Studio gehen, dann ist eine Hit-Single so sicher wie das Amen in der Kirche. Das Duo schafft es zur Verblüffung vieler Kritiker immer wieder, seine musikalischen Prinzipien ohne große Abstriche umzusetzen und trotzdem die Hitparaden zu knacken. Natürlich geht dies nicht abseits angesagter Pop-Trends.

Tucker, der u.a. auf U2 steht, wächst in eher ärmlichen Verhältnissen auf und verbringt die meiste Zeit in Plattenläden. Tunde zieht im Alter von 15 Jahren von Nigeria nach England. Über einen DJ lernt sich das Duo kennen und entdeckt die gemeinsame Vorliebe für Dance- und Soulmusik. Mit ihrer eigenen Version von tanzbarem Pop-Soul ziehen die beiden ehemaligen Barkeeper und Studenten aus Newcastle dann 1993 einen Plattenvertrag bei Polydor an Land. Der A&R Colin Barlow hört die Demo-Version des Songs "Ocean Drive", den Tucker schon 1989 geschrieben hat, damals übers Telefon. Die Single "Lifted" bringt 1995 den Durchbruch und schafft es unerwartet in die Top Ten mehrerer Länder.

Im selben Jahr präsentieren Lighthouse Family ihren Erstling "Ocean Drive" (bis heute 2,5 Millionen abgesetzter Einheiten). Die Platte ist eines der meist verkauften Debuts in Großbritannien. Zwei Jahre später lässt der Nachfolger "Postcards From Heaven" wieder die Kassen klingeln (3,7 Millionen verkaufter Exemplare). Der kommerzielle Erfolg bringt zahlreiche Auszeichnungen mit sich. Lighthouse Family werden dreimal für den Brit Award nominiert, gewinnen diverse Trophäen bei den Black Music Awards und zählen zu den drei Bewerbern für den Best Contemporary Song of 1996 bei den Ivor Novello Awards. Bis 1999 ist das Duo auf Konzert- und Promotour unterwegs. Kurz Zeit später nimmt Programmierer und Keyboarder Tucker eine Auszeit und kümmert sich verstärkt um seine drei Kinder. In Newcastle richtet er sich nebenher ein exklusives Tonstudio ein.

Den Sound des dritten Longplayers, der in Deutschland auf Rang Drei einsteigt, findet Baiyewu diesmal rauer als den der Vorgänger. Der Sänger betont zudem die Wichtigkeit von Texten. "Wir wollen über unsere Musik mit den Zuhörern kommunizieren." Inzwischen geht es den beiden Briten weniger ums Geld. "Ich will, dass unsere Songs gehört werden - das ist alles", sagt Tucker über "Whatever Gets You Through The Day". Wenn 50.000 Leuten bei einem Live-Konzert dann noch die Texte mitsingen, ist die Kommunikation gelungen.

The Lighthouse Family löst sich anschließend auf - nicht gerade wegen Erfolglosigkeit. Ihre Tourneen führten sie nach Nahost und Neuseeland - nicht aber nach Nigeria, wo Tundes Wurzeln liegen. "Wenn etwas wie der Tod deiner Mutter passiert, bewertest du dein eigenes Leben und deine Arbeit neu", erinnert sich Tunde. Nigeria erlebt viele Aufs und Abs, während Tunde recht luxuriös in London lebt. Als seine Mutter im Jahr 2000 stirbt, beschäftigt ihn das so sehr, dass er nicht mehr dauerhaft mit Paul zusammenarbeiten kann.

Er hat selbst einiges zu verarbeiten, wie er The Guardian in einem Interview darlegt: "In diesem Moment spürte ich, dass ich das Leben nicht so betrachten wollte wie in den Songtexten der Lighthouse Family, im Stile von 'It's all right, tomorrow will be a better day.' Das war mir dann zu wenig. Auf meiner eigenen Platte machte ich das Gegenteil davon: Es geht um den Tod meiner Mutter, in einem Lied über die Trennung von einer Partnerin, und da ich nicht der einzige bin, der diese Erfahrungen macht, können sich hoffentlich Leute darin wiederfinden."

Paul Tucker würde den Popstar-Lebensstil dagegen gerne fortsetzen, so dass sich die beiden Musiker an diesem Punkt trennen. "Tatsächlich hatten wir nur einen einzigen Streit - aber der dauerte 20 Jahre!", erinnert sich Paul später, als sie wieder zusammenkommen. Kurz nach der Trennung hat Paul selbst den Tod seines Vaters zu verkraften. Bis man von ihm wieder hört, verstreichen einige Jahre. 2007 kommt er mit der Dream Pop-Band The Orange Lights zurück. An den Erfolg der Lighthouse Family kann dieses Quintett nicht anknüpfen, und es bleibt bei einer CD, "Life Is Still Beautiful".

Das Leben ist immer noch schön? "Die Idee 'Ich weiß, dass die Sonne wieder scheinen wird', ist eine Quintessenz der Lighthouse Family", meint Paul Tucker im Jahr 2019. Neun Jahre lang hat das Duo versucht, wieder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Zunächst auf der Bühne, nähern sich Tunde und Paul ab 2010 in kleinen Schritten einander an. 2016 finden sie sich zu gemeinsamen Aufnahmen wieder. Ihre früheren Manager passen auf, dass sie sich nicht wieder in die Haare kriegen.

Der Release von "Blue Sky In Your Head", dem Comeback-Album, verschiebt sich erst einmal. Mit Songtiteln wie "Live Again", "Immortal", "Light On" und "Who's Gonna Save Me Now?" kreist die vierte CD des Duos viel um existentielle Themen, Leben, Tod und Hoffnung.

Alben

Surftipps

Noch keine Kommentare