laut.de-Kritik
Der Perfektion gefährlich nah.
Review von Henrike MöllerDumpfe, tiefe Klavierakkorde durchbrechen das Knistern. Sie ähneln dem gleichmäßigen Schlagen einer alten Turmuhr. Kurz darauf setzt eine wuchtige Bass-Drum ein. Noch bevor sie die Zügel an sich reißen kann, muss sie ihre Vormachtstellung aber schon wieder an einen neuen Mitspieler abgeben: Eine soulige, erdige und kraftvolle Stimme mischt sich ins Geschehen.
Obwohl ihre Rolle gemessen an den Tönen und Worten, die sie äußert, gar nicht so groß ist, geht eine vereinnahmend, tiefgehende Aura von ihr aus. "Soon, soon it will be over." Plötzlich ertönen schrille, unangenehm hohe Geigen, die einen erschreckt zusammen zucken lassen. Sie erinnern an die Warnsignale in Horrorfilmen: Achtung, der Mörder springt gleich aus der dunklen Ecke.
Es sind diese behutsam gestreuten, dramaturgischen Raffinessen, die das Debütalbum von Malky so reizvoll und eindringlich machen. "Soon" ist eine mutige, geistreiche Platte. Sie möchte nicht gefallen, sie will herausfordern. Der Song "Babylon Tree" hätte eine gefühlsüberladene, mainstreamige Retro-Soul-Pop-Nummer mit Feuerzeug-Schwenk-Garantie werden können. Stattdessen kleiden Malky den Track in ein eigenwilliges, bisweilen dissonant anmutendes Panflötengewand.
Als in der Mitte des Songs Akustik-Gitarrenklänge dazu treten, beginnt ein sanfter Kampf zwischen Flöten- und Gitarrenstimmen. Es scheint so, als wollten beide die Melodie dominieren. Ein freakiges, sich mehrfach überlagerndes Outro aus schwer greifbaren Elementen beendet den Wettstreit nach 5 Minuten und 45 Sekunden. Eine nicht ungewöhnliche Tracklänge auf Malkys Debüt.
Trotz der ausgeklügelten Einfälle auf Seiten der Produktion hat "Soon" aber auch viele eingängige Pop-Momente, die der Platte eine Positionierung exakt in der Mitte zwischen schwer zugänglich und Easy Listening verschaffen. Während Songs wie das beschriebene "Soon" oder das sphärisch wabernde, tribal-style-artige "Beautiful Vacation" den einen Pol belegen, verkörpert der Track "History of Broken Hearts" das entgegengesetzte Ende der Skala.
Fröhlich hüpfend schreitet er voran. Der "Yeah-i-yeah-i-yeah" rufende Kinderchor lässt kurzzeitig Assoziationen zu Jay-Zs "Hard Knock Life" aufkommen, zumal auch der Beat ähnlich groovt. Sehr viel oldschooliger kommen dagegen die fiepsende, drückende 80s Nummer "Showdown" daher oder der Motown-Soul-Schmachter "Give Away".
Ein derart vielseitiges, abwechslungsreiches Debütalbum hat es lange nicht mehr gegeben. Jeder Track hat seine eigene Stimmung, seine eigene Instrumentierung, seinen eigenen Sound. Neben der stets unterschwellig präsenten Soul-Anmutung und dem offensichtlichen Faible für Streicher-Arrangements fällt es schwer, überhaupt wiederkehrende Motive oder Elemente ausfindig zu machen.
Dieser Facettenreichtum gilt auch für die Stimme des Sängers Daniel Stoyanov, die nicht nur sämtliche Tonlagen bedienen, sondern auch die unterschiedlichsten Farben annehmen kann. Am beeindruckendsten ist aber womöglich die Tatsache, dass "Soon" trotz seiner Professionalität nicht im Geringsten inszeniert wirkt.
6 Kommentare mit einer Antwort
Merkwürdig, dass das Album jetzt als Neuerscheinung gelistet wird, ich habe es Dezember 2012 in digitaler Form gekauft aber so ein Album kann man gerne auch auf Vinyl haben, seit anderthalb Jahren ein treuer Begleiter.
Kein einziger schwacher Song, wobei “Give Away“ und “Showdown“ für mich die Übersongs sind.
okay, ich kannte das album noch nicht, aber finde es nach dem ersten hören MEGA.
@ Radiohead9: im Dezember 2012? Ganz sicher, dass du da nicht was verwechselst? Soweit mir bekannt ist, war der Erscheinungstermin am 27. Juni 2014...
Unabhängig davon: hab' mich selten derart auf und über ein Albumdebut gefreut.
Der Mann hat schon recht: http://www.musik-sammler.de/album/660890
Danke Weltraumaffe, dass du mir den Rücken stärkst
Verdammt, hätte ich das gewusst! Nix für ungut!
Ne sehr schöne Scheibe, wird von Mal zu Mal besser