laut.de-Kritik
Das Album des Jahres für Freunde der Apotheken Umschau.
Review von Ben SchiwekNaiverweise ging ich in das mir mit Warnung angebotene Album hinein, ohne den kleinen Zusatz "Jr." zu lesen. In der Annahme: Ach, ein Weihnachtsalbum von Art Garfunkel, der hat doch ohnehin eine recht besinnliche Art zu singen, ganz große Grütze wird's nicht – bis mir ebendiese Grütze auf den Teller fiel.
Darf ich vorstellen: Art Garfunkel Jr., der Sohn, der mit einer deutschsprachigen Großmutter aufwuchs und seitdem seine Karriere darauf aufbaute, die Musik seines talentierten Vaters auf Deutsch und mit geschmacklosen Instrumentals zu übersetzen. Wenn das Arsenal an Garfunkel-Senior-Songs ausgeschöpft ist, müssen andere Pop-Klassiker oder nun eben bekannte Weihnachtslieder her – natürlich soll aber auch hier der Vater ab und zu mitsingen. Weihnachten ist immerhin ein Familienfest.
Gegen Musiker:innen, die nur covern, habe ich per se nichts. Nur traurigerweise ist das, was an "Advent" noch am besten ist, die Tatsache, dass die Lieder ursprünglich ja ganz schöne Melodien haben. Die Umsetzung wiederum ... Naja, ganz unhörbar ist hier jetzt nicht alles.
Es beginnt harmlos mit "Auld Lang Syne". Die watteweichen Synth-Pads und Drum-Machines klingen an sich nicht schlecht, sie passen ganz gut zur besinnlichen Stimmung. Auch der Gesang der beiden Garfunkels ist angenehm. Der Song klingt zwar, als würden die bald pensionierten Pet Shop Boys sich an Ambient-Pop versuchen, es ist aber der beste Moment des Albums.
Allgemein gibt es hier schon ein paar erträgliche Tracks, sobald man sich daran gewöhnt hat, dass Garfunkel Jr. halt Weihnachtslieder mit amerikanischem Akzent auf Deutsch singt und dabei die Weihnachts-üblichen Glocken(spiele), Streicher und fidel rumhüpfenden Flöten ertönen – wahrscheinlich ein "Christmas Type Beat" von YouTube. Auch die reduziertesten Momente, in denen instrumental am wenigsten passiert, sind okay. Vielleicht ein wenig einschläfernd und charakterlos, zudem gottlos cheesy, aber wer die Apotheken Umschau abonniert hat, muss sich doch auch auf ein Album freuen dürfen.
Um so härter missfallen jedoch die anderen Extreme: "Der Kleine Trommler" eröffnet wie zu erwarten – bis mich dann nach einer Minute ein EDM-Drop kalt erwischt. Ich wusste gar nicht, dass dieser kleine Trommler auf einer Four-to-the-Floor-Kick trommelt und Deep-House-Synthesizer an seine Kickdrum gesidechaint hat! Die gruselig verfremdeten "Bom-bom-bom"-Hintergrundvocals in der letzten Strophe geben mir den Rest.
Auch "Wir Wünschen Euch Frohe Weihnacht (We Wish You A Merry Christmas)" haut irgendwann diese Trance-Synth-Plucks in ganz langsam raus – Weihnachten im Schwarzlicht-Minigolf-Park. Währenddessen mischt "Feliz Navidad" Konzertgitarren-Rumgenudel mit vorwärtsgehendem Party-Schlager. Und das Publikum bei "Immer wieder sonntags" geht dumm und dämlich auf dem Floor. "Feliz Navidad, so klingt es fröhlich durch die ganze Stadt" – bitte nicht!
Die größte Geschmacksverirrung ist aber "Denn Es Ist Weihnachtszeit (Mary's Boychild)". Das versucht nach Strandbar zu klingen und lässt ab und zu so eine Reggae-Snare herumfliegen – warum? Wollte der Produzent einfach seine neu erworbenen Sample-Packs ausprobieren, egal, ob das nun zu Weihnachten passt oder nicht? Da ist mir das Orchesterintro von "Weiße Weihnacht (White Christmas)", bei dem sich schon das Disney-Schloss für Arme vor meinen Augen aufbaut, deutlich lieber.
Ich meine, wenn Irmgard glücklich ist, weil sie in der RTL-Werbung sieht, dass Vater und Sohn Garfunkel gemeinsam ein paar ruhige, traditionelle Lieder (und diesen nervigen John-Lennon-Song) zum Fest trällern, ist das doch schön. Aber ob auch sie mit allen Songs hier d'accord geht, ist fragwürdig. Da wird bestimmt dem Enkelkind im neuen, selbstgestrickten Pullover ab und an befohlen, doch bitte das Raclette-Pfännchen kurz mal aus der Hand zu legen, um den Skip-Button zu betätigen.


7 Kommentare mit 3 Antworten
Immerhin hat man nicht die langjährige Hörzu-Titelbild-Hütte für das Cover verwendet. https://uebermedien.de/23840/die-meistabge…
Eigentlich schade. Verpasste Chance.
Joah, trotzdem - wenn das Licht da nicht wäre, hätte das Cover die weihnachtliche Ausstrahlung eines eingeschneiten Dixi-Klos. Gilt eigentlich auch für die Titelliste.
Gruß
Skywise
War ja klar dass Deutschrap hier wieder aus Prinzip schlecht bewertet wird.
Wann Kollabo Album mit dem Wolle Petry Sohn?
Titel: Beruf Sohn
Art Garfunkel Jr lotet Genre-Grenzen aus und zeigt eindrucksvoll, dass Hardcore im Jahr 2025 noch so viel mehr sein kann.
Dass das die Gatekeeper von laut.de nicht checken, war erwartbar.
5/5
Art Garfunkel Jr lotet Genre-Grenzen aus und zeigt eindrucksvoll, dass Hardcore im Jahr 2025 noch so viel mehr sein kann.
Dass das die Gatekeeper von laut.de nicht checken, war erwartbar.
5/5
Endlich sagts jemand!!
Fart Unkel Jr lotet geruchliche Schmerzgrenzen aus und zeigt eindrucksvoll, dass Fartcore im Jahr 2025 noch so viel strenger riechen kann.
Dass das die Gatekeeper von laut.de nicht schmecken, war erwartbar.
5/5