laut.de-Kritik
So schlimm ist das Leben im Rampenlicht!
Review von Yannik GölzEigentlich habe ich mich mit T-Low versöhnt. Ja, der Junge ist ein Dork, der Amirap behandelt wie ein Japan-Freak Anime. Aber er hat Zweiflern wie mir bewiesen, dass er es ernst meint - und in seinen besten Momenten kann es regelrecht anrührend sein, wie ernst er sich selbst und dieses Rapgame nimmt. Dass er dabei ein Weirdo ist, mit dem die großen Labelstrukturen bis zuletzt nicht so richtig umzugehen wussten, ist da nur ein Pluspunkt.
Jetzt ist leider ein Horrorszenario eingetreten: T-Low wird erwachsen und will "echte Musik" machen. Gott bewahre. Glücklicherweise ist "Real Music" nicht die Shitshow, die der Titel vor meinem inneren Ohr heraufbeschworen hat. Aber, Überraschung, Überraschung, von den referenzierten Talking Heads und Princes ist es auch ein ordentliches Stück entfernt.
Netterweise macht T-Low auf diesem Album eins der bescheuertsten Albumklischees: Auf zwei "Bathroom Talk"-Interludes verliest er uns zu schwülstiger Musik, was er mit diesem Album zu tun gedenkt. Er habe ja schon lange keinen Spaß an Musik mehr gehabt, aber jetzt, jetzt mache er sich so richtig Gedanken. Jetzt werde er auch mal zeigen, was noch so für tiefsinnige Gedanken in ihm stecken, es wird deeper als deep. Leute, ernsthaft: Pressetexte will so schon niemand lesen. Macht die weiter in das Beiwerk, wo man das selbstüberschätzende Geschwader ignorieren kann, niemand will pathetisch eingehauchten Pressetext als Tracktitel haben.
Und darüber hinaus: Ich traue T-Low durchaus zu, ein bisschen mehr Tiefgang und Komplexizität zu haben. Die hatte er auch schon. Der Intro "Sorry Mama" (erneut ein wirklich leidig klischeehafter Titel) macht das mit am besten: Da rappt er richtig gut auf einem Beat durch, der an "We Made It" erinnert, und baut ernstlich Atmosphäre auf, während er darüber erzählt, was der Fame und der Hate mit ihm gemacht haben. Solide fühlt sich auch Track zwei an, "Leid", in dem er auf einem Beat, der an "We Made It" erinnert, darüber sinniert, was der Fame und der Hate mit ihm gemacht haben. Track drei, "All Die Farben" ist auch nicht schlecht: Da resümiert er über einen Beat, der an "We Made It" erinnert darüber, was der Fame und der Hate mit ihm und seinen Beziehungen gemacht hat.
Ja, ich fürchte, dass T-Lows Ideen von Erwachsenheit ihm nicht unbedingt in die Karten spielt. Die deepen Themen, die er erzählt, sind immer die gleichen. Aber sein Gefühl für Deepness auf diesem Album bedeutet vor allem, dass er ständig in einem andächtigen Hotel Matze-Ton auf Moll-Akkorden arbeitet. Und für ein paar Tracks wäre das ja alles cool und dandy - aber für die volle Lutsche wirkt das unangenehm wehleidig. Ja, T-Low! Ich kann mir in der Tat vorstellen, dass nicht alles am Rapperleben toll ist! Ich weiß das, weil ihr Deutschrapper gefühlt seit fünf Jahren über nichts anderes mehr rappen könnt, außer wie schlimm euer Leben im Rampenlicht ist! Man muss euch aufrichtig bemitleiden!
Das Problem ist, dass alle Absicht, "den Leuten auch etwas mitzugeben", T-Low nicht automatisch zu einem besseren Storyteller macht. Wenn er sagt, er wolle den Leuten etwas mitgeben, meint er vor allem Phrasen: "Schlechte Tage kennt man nur, weil's gute gibt / Lass dich von andern nicht beirr'n, dein Life ist richtig, wie es ist / Und du bist gut so, wie du bist, von außen wie auch von innen". Es ehrt ihn ja, dass er Themen wie Depression angehen und entstigmatisieren will, aber diese Lyrics sind so platt und generisch. Mir scheint er ehrlich, dass ein Party-Rager mit ein paar untergeschobenen, widersprüchlichen Bildern da mehr erzählen könnte als dieses pseudoerwachsene Plattitüdenfest.
Ach, ich will T-Low nicht haten. Er hat sein Herz doch am rechten Fleck. Es gibt auch einzelne Momente, die musikalisch ganz cool sind wie der walzerige Piano-Beat auf "Lass Mich Nicht Los". Aber auch musikalisch kommt die angepriesene Ambition nicht so richtig durch, denn obwohl das Album uns ständig von Qualen und Intensität erzählt, serviert es uns nur zunehmend wässrige Pop-Punk-Sounds. Die Gitarrenloops klingen wie aus dem erstbesten Splice-Vorratspack, und die Akkordfolgen wie aus dem erstbesten Songwriting-Handbuch.
In der Summe klingt T-Lows Idee von "Real Music" vor allem freudlos. Alle Albernheit und viel Bescheuertes sind jetzt weg, was ein Teilerfolg sein könnte, wenn irgendetwas gekommen wäre, um es zu ersetzen. Wenn man eine grundsätzliche Affinität für den Jungen hat, wird man auch hieran durchaus noch Freude haben - aber als generelle künstlerische Entwicklung fühlt sich "Real Music" an wie ein Schritt vor und ein Schritt zurück.


2 Kommentare
Aussehen kurz vor KTM-Gang, aber solange er seine "Probleme" noch anständig vermarkten kann, ist doch alles Tippi Toppi.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich für ein paar Sekunden sehr laut lachen musste, als XXXtentacion damals im Intro seines "?"-Albums innerhalb seines Monologs eine Warnung an den Hörer ausgesprochen hat, dass man einen offenen Geist für dieses Album haben müsste, weil man mit dem Hören seine wahnsinnigen Genie-Gedanken einsteigt, nur um im Anschluss daran einen basic ass Emo-Indie-Track zu spielen. Ähnliches ist mir auch nach Bathroom Talk und Loner passiert. Kinners, ihr seid alle nicht so toll, schlau und deep wie ihr denkt. Vor allem nicht mit 19 und 24 Jahren. Und das ist auch okay.
Das Problem mit T-Low war für mich auch immer dieser Kontrast zwischen der "dreckig" inszenierten und scheinbar auch tatsächlich gelebten Persönlichkeit im Verhältnis zu den zahlreichen doch sehr sauber durchproduzierten und performten Songs. "Real Music" bedeutet also, dass Trap-Beats nun endgültig einer an Pop-Punk angelehnten Instrumentalisierung mit Backbeats weichen müssen. Ist ja noch nie passiert, sowas. Es ist mir leider einfach nicht sympathisch, es klingt alles eher nach Cro-Songs mit Verzerrer oder nach Kraftklub mit Sadboy-Anstrich.