laut.de-Kritik

And the beat goes on.

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"Live At Massey Hall", "Live At The Cellar Door", "Young Shakespeare" und nun "Carnegie Hall" - wenn es so weitergeht, gibt es irgendwann eine offizielle Platte zu jedem Konzert, das Neil Young während seiner "Journey Through The Past"-Tour im Winter 1970/1971 gegeben hat. Das ist an sich nicht schlecht, doch stellt sich so langsam die Frage nach dem Sinn dieses Unterfangens. Wer ihn mag, dem steht auf der offiziellen Seite ohnehin schon ein beispielloses multimediales Archiv zur Verfügung. Dass jemand, der Young kennenlernen will, ausgerechnet zu "Carnegie Hall 1970" greift, ist unwahrscheinlich. Aber gut.

Im Young-Kosmos war die Welt zu jenem Zeitpunkt in Ordnung. Nach dem riesigen Erfolg von "Déjà Vu" musste er sich wirtschaftlich keine Sorgen mehr machen. Zwar herrschte nach den Spannungen der gemeinsamen Tour Funkstille, doch hatte Stephen Stills an Youngs Solo-Platte "After The Gold Rush" mitgewerkelt, die im September 1970 erschienen war und die es in die US-Top Ten geschafft hatte.

Mit Akustikgitarre und Klavier präsentierte Young die neuen Stücke in Nordamerika und Kanada, unter anderem am 4. Dezember in der ehrwürdigen Carnegie Hall in New York. Der Andrang war so groß, dass er zwei Konzerte hintereinander spielte. Das zweite kam bald als Bootleg in den Umlauf, das erste erscheint nun, nachdem Young die Aufnahme in seinem Archiv entdeckt hat. Dazu später mehr.

Fest steht, dass die Soundqualität wie gewohnt sehr gut ist, persönlich abgemischt vom Meister selbst und Tontechniker Niko Bolas, die sich in den Credits scherzhaft "The Volume Dealers" nennen. Die letzte Session fand am 3. November 2020 statt, "Election Day". Ein bedeutender Tag für Young, da danach nicht nur der verhasste Donald Trump aus dem weißen Haus ausziehen musste, sondern Young selbst zum ersten Mal wählen durfte. Seit 2019 besitzt er neben der kanadischen auch die US-Staatsbürgerschaft.

"There's a lot of songs I'm gonna do tonight" kündigt Young vor "Helpless" an. Nicht nur alte, wie der Tourname verspricht, sondern auch noch unveröffentlichte wie "Old Man" (1972) "See The Sky About To Rain" (1974) oder "Wonderin'" (1983). Sogar welche, die es nie auf ein Studioalbum geschafft haben, etwa "Bad Fog Of Loneliness". Natürlich auch Klassiker wie "Down By The River", "Sugar Mountain", "Cinnamon Girl", "Southern Man" oder jenes "Ohio", das er im Mai 1970 in einem Kreativität- und Wutanfall geschrieben hatte, als er von dem brutalen Polizeieinsatz bei einer Studentendemonstration an der Kent State University erfuhr. Selbst David Crosby zeigte sich beeindruckt, wie auch Nash und Stills, die das Stück sogleich aufnahmen.

Gutes Material, wohin man nur blickt, Und ein gut aufgelegter Young, der sich beim Publikum bedankt, in der Schlange gestanden zu haben. Oder sich entschuldigt, weil er nicht so gut Klavier spiele und jedes Intro gleich klinge. Bei "Sugar Mountain" muss er mehrmals ansetzen, bis er dem klatschenden Publikum das richtige Tempo beigebracht hat.

Ein gelungener Einstieg in Youngs neue "Official Bootleg Series", in der er Konzertmitschnitte veröffentlicht, die es bislang nur als Raubkopie gab. Samt mehr oder weniger schlechten Originalcovers. Geplant sind erst mal sechs (die anderen sind "Royce Hall", 30. Januar 1971, "Dorothy Chandler Pavillion", 1. Februar 1971, "Under The Rainbow", 5. November 1973, "The Bottom Line", 16. Mai 1974 und "The Ducks", August 1977). Eigentlich sollten sie alle bereits im Frühjahr 2021 erscheinen, auf Vinyl und verschiedenen digitalen Formaten, nun kommt Anfang Oktober erst mal "Carnegie" auf den Markt, auch auf CD, der Rest soll dann ein Monat später folgen.

Bis auf weiteres bieten diese Veröffentlichungen den einzigen Weg, "neues" Livematerial von Young zu hören. Auf seiner Webseite gab er im August 2021 bekannt, keine Konzerte mehr zu spielen, solange Corona eine Gefahr darstelle, für die Zuschauer wie auch für deren Angehörige. Dafür kündigte er an, ein neues Album mit Crazy Horse eingespielt zu haben und an einer Soloplatte zu arbeiten. Außerdem habe er in seinem Archiv weitere unbekannte Liveaufnahmen von 1970-71 gefunden. "Almost two hours of Harvest rarities. Harvest Time. Coming 2022." And the beat goes on.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Down By The River
  2. 2. Cinnamon Girl
  3. 3. I Am A Child
  4. 4. Expecting To Fly
  5. 5. The Loner
  6. 6. Wonderin'
  7. 7. Helpless
  8. 8. Southern Man
  9. 9. Nowadays Clancy Can't Even Sing
  10. 10. Sugar Mountain

CD 2

  1. 1. On The Way Home’
  2. 2. Tell Me Why
  3. 3. Only Love Can Break Your Heart
  4. 4. Old Man
  5. 5. After The Gold Rush
  6. 6. Flying On The Ground Is Wrong
  7. 7. Cowgirl In The Sand
  8. 8. Don't Let It Bring You Down
  9. 9. Birds
  10. 10. Bad Fog Of Loneliness
  11. 11. Ohio
  12. 12. See The Sky About To Rain
  13. 13. Dance Dance Dance

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1 Kommentar

  • Vor 3 Jahren

    Ja, mit Archive I und den bereits oben genannten Live-Alben dieser Ära ist dies die bisher am Besten dokumentierte Phase von Neil Young.

    Dennoch gibt es noch immer neues zu entdecken und Live-Mitschnitte von ganzen Konzerten auf Platte sind bei Herrn Young bisher trotz umfangreichen Veröffentlichungen rar gesät.

    Hier erhält man also einen Mitschnitt eines ganzen Konzertes in bester Klangqualität mit einer hervorragenden Setlist.