Rock im Park Review: "War schon ein bisschen Bier!"

Bring Me The Horizon, Evanescence, Bullet For My Valentine, Incubus, Tenacious D u.a. feiern bei Rock im Park mit 70.000 Parkrocker:innen eine wilde Party.

Zeppelinfeld (laut) - Rock im Park 2023 startet in alter Gewohnheit rund um das ehemalige Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Während im Vorjahr noch 75.000 Parkrocker die Neuauflage nach der Pandemie miterleben wollten, sickerte bereits vor Festivalstart durch, dass beim Vorverkauf 2023 deutliche Einbußen zu verzeichnen waren. 70.000 sind es offiziellen Angaben zufolge trotzdem geworden. Von Rock am Ring berichten wir ebenfalls.

Im Vorfreld hatte etwa das Booking Panteras für Unmut gesorgt, Sänger Phil Anselmo sah sich mit heftigen Rassismusvorwürfen konfrontiert. Schließlich gab der Veranstalter dem Druck der Öffentlichkeit nach und lud die reunierten Texaner kurzerhand wieder aus. Unmittelbar vor Festivalbeginn sagten auch noch Five Finger Death Punch krankheitsbedingt sämtliche Shows bis Mitte Juni ab, Bullet For My Valentine sprangen ein.

Probleme? Keine Spur!

Doch von all den Problemen im Vorfeld merkt man am ersten Festivaltag nichts. Bei bestem Sonnenschein pilgern am Freitagmittag die Besucher:innen zu Blond, lassen sich von Provinz in ebendiese entführen und feiern mit Nothing But Thieves eine heiße Party. Heiß geht es auch bei der pyrolastigen Show von Bury Tomorrow her. Wer der Sonne nicht zugetan ist, kann sich bei den Powermetalern von Raven Age rund um den Sprössling von Steve Harris von Iron Maiden in der Eishalle abkühlen.

Highlight des Freitags: Halestorm

Während Incubus etwas zu verspielt bleiben und anstatt großer Hits lieber Cover großer Künstler wie den Beatles präsentieren, weiß Sängerin und Gitarristin Lizzy Hale von Halestorm genau, wie es geht: Das absolute Highlight des Tages! Das Kontrastprogramm zu Tenacious D findet man bei Gojira und kann danach direkt zu den hervorragenden Nova Twins wechseln.

Nach dem ganzen Trubel stärken sich die Besucher:innen mit einem Döner für zehn Euro oder einem Handbrot für sieben. Die Inflation ist definitiv auch in der Festivalwelt angekommen. Bei Kings Of Leon kann man nochmals Kraft tanken, denn im Anschluss reißen Amy Lee und Evanescence Rock im Park kurzerhand ab! Energetisch und stimmgewaltig zeigen die US-Amerikaner, warum sie auch nach 20 Jahren noch große Festivals spielen. Den Rausschmeißer Ville Valo, der eine solide Show liefert und die Parkrocker:innen in den Schlummer singt, bevor es am Samstag mit Größen wie den Toten Hosen oder den Architects weitergeht.

Schon am Samstag lieber Wasser als Bier?

Auch am Samstag herrscht strahlender Sonnenschein, kein Wölkchen trübt den fränkischen Himmel. Katerstimmung auf den Zeltplätzen herrscht aber trotzdem. "War schon ein bisschen Bier, gestern", gesteht ein sichtlich lädierter Camper ein, "aber man soll ja auch viel trinken bei dem Wetter." Wir empfehlen deshalb dringend den Gang an eine der zahlreichen, kostenlosen Wasserstellen!

Die Veranstalter bestätigen derweil über 70.000 Fans, was bedeutet, dass Rock im Park fast wieder asuverkauft ist. Schon am frühen Nachmittag ist es dementsprechend beim ersten Highlight Sum 41 schon richtig voll. Der College-Punk, der der breiten Masse spätestens seit den "American Pie"-Filmen bekannt ist, kommt richtig gut an. No FX kriegen im Anschluss nicht ganz so viel Zulauf, legen aber ordentlich los: Fat Mike und Eric Melvin sind beide ziemlich heiser, witzeln aber selbst darüber - dem Titel ihres Livealbums "I Heard They Suck Live" werden sie heute definitiv nicht gerecht, denn sie liefern schräg, sympathisch und ein bisschen verrückt.

Frauen growlen genauso gut

Verrückt gut sind Arch Enemy um Sängerin Alyssa Whitegluz, die mal wieder zeigt, dass Frauen mindestens genauso gut Growlen können. Ein weiteres Highlight des Tages bieten die Architects, die mit Metalcore und wummernden Bässen auch das letzte Bandana zum Zittern bringen. Bullet For My Valentine erweisen sich als mehr als würdiger FFDP-Ersatz für FFDP, die kanadischen Alternativerocker Three Days Grace liefern ebenfalls.

Überraschungsgast Oli Sykes

Kreischalarm herrscht dann bei Machine Gun Kelly, der ohne Megan Fox, dafür aber mit Überraschungsgast Oli Sykes auf der Bühne steht. Die beste Figur in Sachen Bühnenpräsenz macht bei diesem Auftritt aber eindeutig Gitarristin Sophie Lloyd. Samstag-Headliner Die Toten Hosen liefern routiniert und werden entsprechend gefeiert: Nach den ganzen Jahrzehnten im Musikgeschäft reiht sich Hit an Hit, wenn auch ohne ein wirkliches Highlight in der Show.

Das Late Night Special Bring Me The Horizon hingegen präsentiert eine futuristische, bild- und lichtgewaltige Show auf einer aufwändig gestalteten, mehrstöckigen Bühne. Die Briten zeigen mit ihrem modernen Sound, dass es auch anders geht. Nach diesem gelungenen Abschluss rüstet sich der Park für letzten Festivaltag, an dem nochmals ein gewaltiger Line-Up-Sprung nach oben bevorsteht: Die Foo Fighters kommen am Sonntag in die Stadt - ein paar Tickets gibt es noch.

Kaiserwetter in Nürnberg!

Und auch am Sonntag meint es der Wettergott gut mit den Musikfans: Kaiserwetter in Nürnberg! Heute unterteilen sich die Stages in Genres: Auf der Utopia Stage stehen die Zeichen auf Rock, die Mandora Stage bleibt weitestgehend Hip Hop-lastig. Jinjer, die female fronted Metal Band aus der Ukraine, sorgt am frühen Nachmittag schon für erste Gänsehautmomente. Es folgen Fever 333 mit quasi fast komplett neuem Line-Up, das allerdings ausgesprochen harmonisch rüberkommt. Sichtlich bewegt ist Bassistin April Kea. Als schwarze Frau jüdischen Glaubens auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände zu performen, ist noch mal ein anderes Kaliber.

Limp Bizkit spulen ihre Hits ab, liefern keine Überraschungen und sind noch immer genauso unsympathisch wie vor 20 Jahren. Einzig Yungblud, der bei "Break Stuff" mit von der Partie ist, bringt frischen Wind ins Set: Der junge Wilde begeistert das Publikum auch bei seinem eigenen Set und heizt bei ohnehin schon heißen Temperaturen noch mit Pyro ein. Apropos jung und wild: Wer sich gegen Limp Bizkit und für Juju entschieden hat, wurde mit Sicherheit nicht enttäuscht.

Alle wollen die Foo Fighters sehen

Auch Giant Rooks beweisen, dass Professionalität nicht nur den alten Hasen vorbehalten bleibt. Dennoch sind die meisten Besucher:innen wegen ihnen gekommen: die Foo Fighters. Dave Grohl und Band spielen zwei volle Stunden eine abwechslungsreiche Show voller Hits und Anekdoten. Der Verlust Taylor Hawkins' schmerzt sichtlich noch sehr, auch wenn mit Josh Freese ein mehr als adäquater Ersatz gefunden wurde. Man kann kaum glauben, dass diese Band schon 29 Jahre auf dem Buckel hat. Wem das nicht reicht, der pendelt danach zur Mandora Stage und Apache 207. Muss man aber nicht, denn 'Apache bleibt gleich'.

Kulturgut Musikfestival

Rock im Park zeigt 2023 einmal mehr, dass Musikfestivals ein Kulturgut sind, das die Menschen brauchen und wollen. Am Ende sind über 70.000 Festivalfreund:innen nach Nürnberg gekommen, um gemeinsam zu feiern. Auffällig ist, dass vergleichsweise viel mehr Publikum schon zu früher Stunde vor den Bühnen steht, anstatt auf dem Gelände abzuhängen - eine positive Entwicklung. Trotz gestiegener Preise im Infield bzw. der Inflation bleibt alles halbwegs im Rahmen. Vorbildliche Merchpreise rufen etwa Giant Rooks auf, die die Jute für 15 Euro verkaufen und das Shirt für 30, wohingegen Yungblud schon 20 Euro für ein Paar Socken nimmt.

Lobenswert bleibt auch der Fokus der Veranstalter:innen und Besucher:innen auf dem Thema Nachhaltigkeit. War vor einigen Jahren noch vielen der Weg zum Mülleimer zu weit, hält sich der Unrat mittlerweile in Grenzen. Schön, dass hier ein Umdenken einsetzt.

Text und Fotos: Désirée Pezzetta.