Platz 1: Turnstile - "Never Enough"
Nicht hart genug. Nicht durchschlagend genug. Nicht politisch genug. Nicht Moshpit genug. Nicht Hardcore genug. Nicht einfallsreich genug. Never enough. Turnstile konnten es manchen nie recht machen.
Zuerst wehrten sich die Szene-Gatekeeper wirklich mit großer Engstirnigkeit unter dem Undercut dagegen, das Geheimnis von Turnstile auch außerhalb von verschwitzten Kellergeschossen zu verraten. Ab "Glow On" tönten dann gleich "Sellout"-Rufe durch die Hallen, ob des breiteren Sounds, der größeren medialen Aufmerksamkeit und des Anreizes, auch außerhalb der Hardcore-Szene zu funktionieren.
Aber Mogwai wussten schon vor 15 Jahren: "Hardcore Will Never Die, But You Will", und mit "Never Enough" zeigen sich Turnstile mitten im Leben. Und wie!
Brendan Yates & Co. liefern 2025 eine perfekt stringente Weiterentwicklung ihres Sounds ab, mit immer noch genug In-die-Fresse-Riffs für tagelange Nackenschmerzen und dazwischen, zum Luftholen, Versatzstücke von Dream Pop und weiteren eklektischen Soundexperimenten. Konsistent schlagen dir Punk-Meisterwerke wie "Birds", "Sole" oder "Sunshower" die Kappe vom Kopf, nur damit du sie dann im Flöten-Interlude wieder suchen kannst, dich wieder aufrappelst und dann die nächste Gitarrensalve kassierst. Nie zusammengestückelt, nie aufgesetzt, nie kalkulierend. Immer zwingend, unausweichlich und beeindruckend.
Hier verkommt das Skippen auch nur eines Tracks zur Blasphemie am Kunstwerk "Album", so perfekt sequenzierten diese Hardcore-Helden ihre vierte Platte. Das Geheimnis rund um Turnstile ist nun endgültig keines mehr. Mit dem Album setzt die Band zum großen Sprung an, alle Stagediver springen vergnügt mit und wissen: Turnstile is for the kids.
von Josef Gasteiger
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6 Kommentare mit 3 Antworten
Ich mag Turnstile, aber "Never Enough" als Album des Jahres zu wählen, erscheint mir dann doch maßlos übertrieben.
Vor allem mit dem Zusatz „for the Kids“
Trololol
Zu hart für die lamentierende Zartkeksmasse, doch absolut verdient. Wer sonst?
Meine Nummer Eins hat eh keiner auf dem Schirm.
Bin verwirrt. "Lebe jetzt" von den Amigos wurde nicht besprochen?
Auch natürlich Anwärter. Hab es aber zu wenig gehört. Nee, meine "Hyper Vigilance" von Ramleh. Fand ich im Noise Rock-Sektor tatsächlich noch um Einiges besser als die aktuelle Swans.
Ich versteh den Hype nicht. Vor meinem geistigen Auge kommt einer der Jungs stolz mit eine Akai-Sampler ins Studio und alle finden dann die Elektrosounds ganz toll, die da raus kommen. Und der ständig aus den Boxen triefende, überbordende Pathos nimmt dem Gesamtsound dann noch seine Dringlichkeit. Für meine Ohren eher was für den Vorabtrailer irgendeines Villeneuve-Blockbusters als für 45 Minuten Spannung. Zum Glück sind Geschmäcker verschieden.
Ich mochte bisher alle Turnstile Alben bis auf das hier. Produktionstechnisch glatter Kommerz. Reverb und Delay auf Anschlag. Gitarren und Drums compressed af. Dazu ein monotones, vorherhörbares Songwriting mit durchschnittlichen Riffs. Keine überraschenden Breakdows mehr, kaum noch Drum-Fills und vieeeeel zu viel Synthie. Was auf Glow On noch ausbalanciert war, läuft hier im Exzess. Ex-Gitarrist und Songwriter Brady war offensichtlich der kreative und originelle Motor der Band.