Der Kanadier gastierte gestern am Main – sein letzter Auftritt in Deutschland für dieses Jahr.
Frankfurt (lsp) - Nach Seattle, USA im vergangenen März und San José, Costa Rica im kommenden April verschlägt es Justin Bieber an einem regnerischen Mittwochabend noch mal ins hessische Frankfurt. Es ist sein 106. Konzert im Rahmen der "Purpose World Tour", weitere 26 folgen.
Für Bieber, 22 Jahre jung, ist es die dritte Welttournee – Routine. Vor ziemlich genau einem Jahr erschien mit "Purpose" das vierte Studioalbum des Kanadiers. Auch wenn es in Deutschland nicht die Chartsspitze erklimmen konnte, meldeten alle insgesamt fünf Deutschlandkonzerte im Oktober und November binnen kürzester Zeit ausverkauft – trotz Ticketpreisen, die das Taschengeld der Zielgruppe um ein Vielfaches übersteigen dürften.
Veranstalter und Festhallen-Personal sind auf die rund 8.500 Belieber jedenfalls bestens vorbereitet: Obwohl wegen offenbar gefälschter Tickets der ein oder andere Streit ausbricht und jedes noch so kleine Vordrängeln einen Shitstorm nach sich zieht, verläuft der Einlass recht gesittet.
Betrachtet man die unzähligen Essensreste, leeren Flaschen, Jacken und Wärmedecken auf dem Vorplatz, kann man sich ungefähr ausmalen, wie lange mancher bei drohenden Minusgraden ausgeharrt hatte, um seinem Idol möglichst nahe zu kommen – echte Fanliebe kennt eben keine Grenzen. Schule schwänzen? Für Justin jederzeit.
Stöhnen im Publikum
Als Mic Lowry aus Liverpool den musikalischen Startschuss geben, sind gut zwei Drittel der Halle bereits gefüllt. Auch die nachfolgenden The Knocks legen sich mit mächtigen Electrobeats ins Zeug – und doch folgt jeder Ankündigung eines weiteren Songs ungeduldiges Aufstöhnen im Publikum.
Überhaupt herrscht im Zuschauerraum, in dem sich überraschend viele männliche Personen tummeln, eine eher gereizte Stimmung. Hauptsache, niemand anderes schafft es näher in Richtung Bühne und die Handykamera läuft. Als um kurz nach 20 Uhr dann ein Calvin Klein-Werbespot mit – ja, wem wohl – in der Hauptrolle auf den Bildschirmen flackert, ist die Bühne vor lauter Smartphone-Bildschirmen nicht mehr zu sehen.
The one and only ...
Gut, dass the one and only Justin Bieber erst mal in einem gläsernen Kasten Richtung Decke schwebt, als er mit "Mark My Words" und unter ohrenbetäubendem Kreischen seinen knapp zweistündigen Auftritt beginnt: eingesperrt und von allen Seiten angestarrt - für Bieber wohl ein Dauerzustand.
Was 2007 mit harmlosen Youtube-Videos begann, ist längst ein Phänomen. 90 Millionen Twitter-Follower, vier Platin-Alben, noch mehr Skandale und unzählige Auftritte. Kein Wunder, dass dabei Songs wie "I'll Show You" rauskommen - und der Sänger über weite Strecken eher abwesend wirkt. Souverän spult er sein Programm ab und ist mit schwarzem Shirt, beiger Chino und platter Frisur noch dazu angenehm ungestylt.
Die Meute kümmerts ohnehin nicht: Bei "Boyfriend" erreicht die Begeisterung ihren vorläufigen Höhepunkt, ansonsten dominiert das aktuelle Werk die Setlist – auch wenn mit "Love Yourself" einer der populärsten Songs leider unter den Tisch fällt.
Ein Salto sorgt für Begeisterungsstürme
Bei "Company" scheint dann auch der Hauptprotagonist endlich selbst Spaß zu haben: Ausgelassen springt Justin auf dem Netz der Hebebühne herum und löst mit einem simplen Salto Begeisterungsstürme aus, von denen professionelle Akrobaten nur träumen können.
Noch eindrucksvoller als die Geräuschkulisse gestaltet sich aber die Bühnenshow: Das Dutzend Tänzerinnen und Tänzer geht vor lauter Laserstrahlen, Nebel und Funken beinahe unter. Unfassbar grelle Farben in jedem erdenklichen Zusammenspiel prasseln auf die Menge ein und erinnern zuweilen an einen schlechten LSD-Trip. Großraumdisco meets Weihnachtswahnsinn.
Nach einer zwanzigminütigen Pause samt angeregtem Austausch unter den Beliebern ("Der soll endlich sein T-Shirt ausziehen!") folgt der zweite Streich. Auch wenn in Bieber nicht unbedingt ein Schlagzeug-Virtuose steckt, zählt die Drumeinlage während "As Long As You Love Me" zu den Höhepunkten des Auftritts.
Tränen zum Schluss
Der Mix aus ruhigen, mitunter melancholischen und schnellen, tanzintensiven Nummern geht auf – dass die Stimme bei letzteren überwiegend vom Band kommt: geschenkt. Hauptsache, Justin drückt die jugendlichen Tänzerinnen und Tänzer nach ihrer Performance zu "Children" an die verschwitzte Brust und gibt artig Autogramme. Und auch seine dreiköpfige Band bekommt für einige Minuten die Aufmerksamkeit, die sie verdient hat.
Als gegen 22 Uhr der Titelsong erklingt, weiß man, der Abend neigt sich dem Ende zu. Schließlich müssen laut Jugendschutzgesetz dann ohnehin alle, die noch keine 16 sind, ihre hart erkämpften Plätze räumen. Nicht wenige Fans kämpfen mit den Tränen, als Justin nach "Purpose" sein strahlendes Lächeln entblößt und sich für ihre Unterstützung bedankt.
Mit dem Megahit "Sorry" und einem letzten "I'm Justin Bieber" endet das gelungene, wenn auch allzu effektüberladene Konzert beinahe pünktlich. Die Eltern warten schließlich schon vor der Halle.
3 Kommentare mit 9 Antworten
"Als um kurz nach 20 Uhr dann ein Calvin Klein-Werbespot mit – ja, wem wohl – in der Hauptrolle auf den Bildschirmen flackert, ist die Bühne vor lauter Smartphone-Bildschirmen nicht mehr zu sehen."
Manchmal helfen Schellen!
Wenn Misanthropie doch nur nicht so einfach wäre. Ich will ja glauben, dass unter dieser Mischpoke gewiss redliche und gute Menschen sind. Ich will glauben, dass Geschmack Geschmack ist und dass andere Werte im Vordergrund stehen (sollten).
Aber dieses Gekreisch und diese Ansammlung an menschlichen Smartphones und diese Verehrung für diese beschissene Scheißmusik ... wie soll ich da jemals aufn grünen Zweig kommen?
Aha... Die Smartphones haben dir wohl die Sicht versperrt!?
"Purpose" ist ja an sich ein ganz angehnemes Album, dem sogar ich, als Rock-/Punk-/Alternativefan ein bisschen was abgewinnen kann. Ich mag das melancholische und die Ohrwurm-Melodien in seinen Songs.
Aber auf eines seiner Konzerte gehen? Gott bewahre! Da scheitert es schon allein daran, dass der Herr sich nicht mal die Mühe macht live zu singen. Lieber hampelt er sich auf der Bühne zu Tode und lässt zwecks Anstrengung das Band laufen. Kann ich einfach nicht verstehen. Dass die Fans da keinen Wert drauf legen, wundert mich aber auch nicht - die sind entweder so jung, dass sie "Playback" noch gar nicht kennen und/oder erkennen oder es ihnen schlicht egal ist, weil sie ja nur den großartigen Justin Bieber sehen wollen, wie er sich verschwitzt entblößt.
Bei seinen Konzerten geht es rein um die Show, die Musik scheint/ist zweitrangig. Warum? Keine Ahnung, weiß er vielleicht selbst nicht. Dabei könnte ich mir viele seiner Songs live wirklich gut vorstellen, wenn er mal zeigen würde, was seine Stimme her gibt. Aber sie wird ohnehin von dem ganzen Gekreische übertönt und wahrscheinlich könnte sich der gute Justin vor lauter Blitzlicht und Geschrei gar nicht richtig auf seinen Gesang konzentrieren.
Von den unmenschlichen Ticketpreisen mal ganz abgesehen, können seine konzerte einfahc nicht lohnenswert sein.
Ich hoffe er besinnt sich mal und fährt musikalisch ein paar Gänge runter, lässt sich nicht so sehr vom Kommerz und den Fans treiben. Er könnte sich ein Beispiel an Lady Gaga nehmen.
also ich denke da eher an kate Bush..die alben herausbringt wann sie will..und wenn dazwischen auch mal 6 - 12 Jahre liegen...ausserdem ist es ihr völlig egal ob die platte erfolgreich ist oder nicht..sie nimmt auf die erwartungen ihrer "fans" keine rücksicht...the dreaming war so ein album..directors cut und 50 words for snow auch...de fanden ihre "fans" gar nicht gut..aber das war und ist ihr egal..sie macht die musik die sie machen will..weder plattenfirma noch fans können daran etwas ändern..das hat sie aber auch schon gemacht als ihre erste platte verüffentlicht wurde..da hat sie sich gegen die plattenfirma durchgesetzt, die statt wuthering heights lieber the man with the child in his eyes veröffentlichen wollte... .und die 35 jahre nicht auf Tour gegangen ist..um dann zwischen dem 26 august und dem 1. oktober 22 konzerte zu geben..aber nicht in 22 verschiedenen städten..sondern in einer stadt.London.und dann so das dazwischen auch tage sind an denen sie nicht auftreten muss. und ausserdem konnte sie nach jedem konzert nach hause zu ihrer familie fahren. das verstehe ich unter herunterfahren und sich keinerlei komerziellen zwängen unter zu ordnen.
jo, ein vergleich kate bush/justin bieber......
macht sinn.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
nö..aber ein vergleich kate bush und lady gaga..denn darum ging es..
Zitat: Er könnte sich ein Beispiel an Lady Gaga nehmen.
und auf diesen Satz war die Antwort..also kein vergleich bush/bieber..sondern ein vergleich bush/gaga
oh, verstehe. mea culpa.
Vielleicht ändert sich seine Musik ja mit dem Alter, wird reifer. Seine Fans altern ja leider nicht mit ihm, sondern bleiben immer gleich jung, das ist sein größtes Problem. Er sollte mal richtig was ausprobieren, was sogar seine Teenie-Fans schockt.
hegt ja angeblich ambitionen richtung black metal
Damit würde er die Kids definitiv los werden