Die reißerisch inszenierte Dokumentation "Leaving Neverland" über Missbrauchsvorwürfe gegen Michael Jackson schlägt hohe Wellen. Zu Recht?
Los Angeles (timm) - "Er war einer der nettesten, sanftesten, liebenden und fürsorglichsten Menschen, die ich kannte. Er half mir. [..] Und außerdem hat er mich sexuell missbraucht. Über sieben Jahre lang." Schon die ersten Minuten der Michael Jackson Dokumentation "Leaving Neverland" sind bewusst reißerisch und aufmerksamkeitsheischend inszeniert. Den Worten des ersten Opfers Wade Robson folgt dramatische Musik und ein langsamer Fade-Out. Der Zuschauer soll die Worte erst einmal selbst verarbeiten.
Die ersten Jahre
In der ersten halben Stunde der Doku werden die Hintergrundgeschichten der Ankläger Wade Robson und James Safechuck mit intimen Kindheitsaufnahmen untermauert, rekonstruiert und etabliert. Auch Interviews mit den Eltern und anderen Verwandten und Bekannten machen die mutmaßlichen Opfer und ihre Geschichte nahbarer. Bewusst langsam und detailliert erzählt soll dies beim Zuschauer von Beginn an Mitleid und Empathie erzeugen.
Die Opfer waren bereits als Kinder zum King Of Pop gelangt. Robson: "Als ich das Video (zu Thriller) sah veränderte sich alles. [...] Ich habe mein Zimmer mit Postern von ihm tapeziert." Der damals Fünfjährige gewann einen Talentwettbewerb, um nur wenig später Michael Jackson zu treffen. Safechuck hingegen war als kleines Kind mit Michael in der Pepsi-Werbung zu sehen. Sie beide verbindet also eine ähnliche Geschichte.
Die beiden Jungs sind von kleinauf an Rampenlicht, Blitzgewichtgewitter und Schauspielerei gewöhnt. Jeder, der gebannt an ihren Lippen hängt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass sie Kinder des Showbusiness sind. Beide sind das jeweils dritte Kind in der Familie, Safechuck sogar mit zwei älteren Stiefgeschwistern, und laut ihren Eltern "ganz allein in ihrer Gegend aufgewachsen." Auch hier provoziert die Regie bereits das Mitgefühl des Zuschauers. Die dramatisch inszenierte Bildsprache und bedeutungsschwangere Äußerungen tun ihr Übriges. Irgendwie wirkt das alles doch einen Ticken drüber.
Dass Michael Jacksons Beziehung zu Kindern nicht normal war, wissen wir bereits seit langem. Doch die Anschuldigungen in der neuen Doku sind eine ganz andere Liga. Sie zeigen eine manipulative, schleichende Entwicklung über Jahre hinweg. Ein Netz von Angst und Sorgen. Der Film zeigt laut Dan Reed, Regisseur des Films, "die Masche eines Pädophilen und wie diese zwei Familien auseinander gerissen hat." Reed zeigt uns systematischen, genau geplanten, nach festgelegten Mustern vollzogenen sexuellen Missbrauch.
So teilten der Sieben- und der Zehnjährige mit Michael das Bett und das Sexuallleben, während die Eltern und Geschwister in einem weiter entfernten Zimmer der Neverland-Ranch residierten. Zum Teil über mehrere Jahre hinweg. Michael habe damit gedroht, sowohl er als auch die beiden Jungen würden im Gefängnis landen, wenn sie etwas erzählen würden. So logen die beiden Opfer ihre Eltern, Ehepartner und das Gericht an. Heute jedoch sprechen die beiden mutmaßlichen Opfer von Küssen, Oralsex und Masturbation, die sie mit Michael vollzogen haben sollen. Robson endet seine Ausführungen sogar mit dem Versuch des Analverkehrs im Alter von 14 Jahren.
Es kommt zu mehreren Verhandlungen
Bereits 1993 hatte der junge Jordan Chandler Vorwürfe gegen Jackson erhoben. Wade Robson gab damals zu Polizeiprotokoll, von Michael Jackson nie unsittlich berührt worden zu sein. Sogar in einem TV-Interview hatte er dies unterstrichen. In der Doku sagt Robson, er sei von Jackson massiv eingeschüchtert worden. Chandler und Jackson hatten sich dann außergerichtlich auf eine Summe von 23 Millionen US-Dollar geeinigt. Jackson gab gegenüber den Eltern von Robson und Safechuck an, dass diese Zahlung für ihn weitaus billiger gewesen sei, als ein Verfahren auf sich zu nehmen. Von den Strapazen und der Rufschädigung im Fall eines Prozesses ganz abgesehen. Und so ließen die Eltern die Jungen wieder zu Michael und die vermeintlichen Missbrauchsvorgänge gingen weiter.
Heute sind die beiden Opfer 36 und 41 Jahre alt. Sowohl Robson als auch Safechuck hatten 2005 im Alter von 22 und 27 erneut in einem anderen Fall des Kindermissbrauchs FÜR Jackson ausgesagt. Als erwachsene Menschen in vollem Beisein ihres Geistes. Irgendwie lässt einen das stutzig werden. Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" wies außerdem darauf hin, dass sich Robsons Sinneswandel zeitlich mit einem Absturz in seiner Karriere vollzog. Das Michael Jackson Estate hatte ihm einen Choreografie-Job in der Michael Jackson-Show von Cirque de Soleil, "One", vorenthalten. Robson gibt als Grund dafür in der Doku an, dass es aufregend gewesen sei, den King of Pop beschützen und womöglich retten zu können. Safechuck: "Mir fällt es immer noch schwer, nicht mir selbst die Schuld zu geben". Seinen Sinneswandel begründet er damit, dass er selbst Vater geworden sei und nun die Dinge anders sehe. Entweder handelt es sich hier tatsächlich um Manipulation der perfidesten Sorte seitens Michael Jackson oder um einen tiefgreifenden Betrug an dessen Vermächtnis.
Die Eltern der Opfer und Jacksons Nachfahren
Die Eltern der beiden Jungen waren indessen "nie besorgt". Und das obwohl die Kinder Nacht für Nacht in Jacksons Zimmer verbrachten. "Ich dachte sie spielen, lesen, machen Kinderzeug. Michael hat Jimmy so viele tolle Bücher gekauft", sagte Safechucks Mutter. Sei selbst seien von Jackson umgarnt worden mit Geschenken und Aufenthalten in der Neverland-Ranch. Dies ist also der Grund, warum sie vier Stunden nach dem Kennenlernen ihre Kinder bei einem 35-jährigen Mann im Zimmer schlafen ließen. Safechucks Mutter: "All diese wundervollen Erinnerungen basieren auf dem Leiden meines Sohnes. Mein Sohn musste für mich leiden, damit ich dieses Leben haben konnte. Mein Sohn ist heute versaut. Und ich bin auch versaut." Robson selbst schließt seine Ausführungen mit den Worten: "Ich will die Wahrheit sprechen. Genau so laut wie ich die Lüge gesprochen habe. Für so lange Zeit."
Der Nachlassverwalter von Jackson nennt den Film hingegen "öffentliches Lynchen." Er und die Nachfahren von Jackson haben bereits Anklage gegen HBO, den Sender, der die Dokumentation ausgestrahlt und in Auftrag gegeben hat, erhoben. Kein Wunder - es geht um sehr viel Geld. Bereits seit Anfang des Jahres wurden Jackson-Songs 31.000 Mal gespielt - allein in US-Radiosendern. Doch nun haben bereits Radiostationen in mehreren Ländern Michael Jackson-Songs aus ihrem Programm genommen.
Öffentliche Debatten
Heutzutage beeinflusst medialer Druck die Wahrheitsfindung und oft auch die Prozessführung enorm, so auch beim aktuellen Beispiel R. Kelly. Dass sich Medien beziehungsweise mediale Produktionen derart zum Scharfrichter aufschwingen, kann man verurteilen - zumal wenn sie so einseitig vorgehen wie "Leaving Neverland".
Andererseits ist "Leaving Neverland" zweifellos ein Produkt der Post-Weinstein-Ära und der #metoo-Debatte. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen schärft sich auch die Wahrnehmung: manches, was man früher so hingenommen hat, kommt einem heute merkwürdig vor. So eben auch Jackos Umgang mit Kindern.
Unterdessen haben die Nachlassverwalter Michael Jacksons den medialen Kampf aufgenommen und zwei Live-Konzerte des Popstars auf dessen Youtube-Channel hochgeladen. Die Konzerte im Wembley-Stadion (1988) und in Bukarest (1992) sollen sicherlich demonstrieren, dass Michael Jacksons künstlerischer Rang sich auch von den neuerlichen Anschuldigungen nicht beschädigen lässt.
Und natürlich ist "Leaving Neverland II" bereits geplant. Reed will hierfür den bereits genannten Jordan Chandler und Gavin Arvizo, eben jenes Opfer vom Gerichtsprozess 2005, vor die Kamera holen.
Der gemeine Zuschauer muss sich bei alldem die Frage stellen, ob er den Mensch Michael Jackson von der künstlerischen Leistung trennen kann. In Zeiten von Harvey Weinstein, Kevin Spacey und R. Kelly ist diese Frage wichtiger denn je. Wer sich ein fundiertes Bild von der Causa Michael Jackson machen will, hat dazu am 6. April die Chance. Da wird die Dokumentation bzw. der doch eher als Spielfilm inszenierte Streifen auf ProSieben in voller vierstündiger Länge ausgestrahlt.
9 Kommentare mit 89 Antworten
"Jeder der gebannt an ihren Lippen hängt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass sie im Show Business groß geworden sind."
Bah, bah, bah. Lechler raus.
Hat der Verfasser dieses schlimmen Artikels überhaupt die 4stündige Doku gesehen? Im zweiten Teil wird sehr genau und verständlich erklärt warum sie 1993 für MJ aussagten (2005 war es übrigens nur Robson und nicht wie hier beschrieben beide). Dass sich beide jahrelang nicht als Opfer von sexuellem Missbrauch sahen ist Teil Jacksons Manipulation. Er war ihr bester Freund, ein Gott, der Superstar. Kleiner Hinweis an den Verfasser: es gibt nicht das perfekte Opfer von sexuellem Missbrauch und sexueller Missbrauch muss nicht zwangsläufig brutale Penetration bedeuten. Dann auch noch den Forbes Artikel an dieser Stelle zu erwähnen und den beiden Geldgeilheit vorwerfen ist ja wohl ein schlechter Witz. Der Forbes Journalist hat übrigens gleich zu Anfang des Textes geschrieben er hat die Doku nicht gesehen. Aha. Aber gut, dass er eine Meinung dazu hat. Die Frage sollte nicht lauten ob wir den beiden glauben oder nicht sondern wie wir mit dem künstlerischen Erbe Jacksons umgehen. Für alle ,die die Doku nicht gesehen haben, als kleine Randnotiz: Jackson hatte immer Jungs um sich, er reiste mit ihnen auf seinen Touren mit, sie saßen auf seinem Schoß, sie schliefen jede (!) Nacht bei ihm. Und wurden ausgetauscht sobald sie in die Pubertät kamen.
Es stimmt, viele Zusammenhänge, die in der Doku geschildert werden, wurden hier nicht oder falsch wiedergegeben. Aber richtig ist auch, daß die Dokumentation einseitig ist und sich nur auf die Aussagen der beiden "Opfer" stützt. Deshalb ist es auch absolut verkehrt, sie als Grund oder Anlaß zu benutzen, über Michael Jackson endgültig zu urteilen - geschweige denn, seine Musik zu verbannen.
Jackson hatte bei seinen Touren nicht nur Jungen bei sich sondern die ganze Familie. So auch bei Safechuck und Robson. Und Sie wollen doch nicht erzählen, dass NIEMAND, weder die Tourmitglieder, noch das Sicherheitspersonal noch die Eltern etwas mitgekriegt haben, wenn Jackson die Jungen schwer sexuell missbraucht hat. Beschäftigen Sie sich mal mit den Aussagen im Film. Sie werden sehen, dass das so NICHT stattgefunden haben kann.
Und zur Geldgeilheit der beiden, noch immer liegt die Berufung der zweimal abgewiesenen Klage der beiden über mehrere Millionen Dollar gegenüber dem MJEstate beim Gericht.
Warum wird eigentlich einem Film mehr geglaubt als dem Urteil eines ordentlichen Gerichts in den USA?Welches Rechtsverständnis liegt hier vor?
Und warum wird einem Mann, der im Erwachsenenalter einen Meineid geleistet hat, mehr geglaubt als der Aussage unter Eid und in einem Kreuzverhör?
Nur nebenbei Meineid verjährt in den USA nach 7 Jahren. 8 Jahre nach dem Prozess begann Robson mit den Anschuldigungen. Zufall??
Die Fanbois des bubenliebenden Michaels graben sich ja immer weiter in ihren Schützengräben ein.
ob mj ihn wohl, wenn sie zärtliche stunden zu zweit verbracht haben, seinen kleinen safefuck genannt hat?
Haben Sie auch Sachargumente oder nur Zynismus zu bieten?
Das ist immer so mit Michael Jackson Hatern. Wenn man sie nach Argumenten fragt, haben Sie nur ihre üblichen Vorurteile oder Zynismus parat.
Dann verpissen sie sich !
Denn es gibt keine Sachargumente außer Vorurteilen oder Zynismus.
Klar, man kann natürlich einen durchgeknallten Typen, der kleinen Jungs gern am Glied gespielt hat auch verteidigen...muss man aber nicht.
@" Die Frage sollte nicht lauten ob wir den beiden glauben oder nicht sondern wie wir mit dem künstlerischen Erbe Jacksons umgehen. "
gute frage. meine these:
:
1. man trenne zwischen eigenständigem werk und seinen erbauern.
a) meine trennlinie:
dort, wo die kunst lediglich zum vehikel reduziert wird und zum aufhänger für das ausleben destruktiver ziele verkommt. sich mithin zur propaganda o.ä. reduziert: no way!
dort hingegen, wo sie eigenständig und unabhängig vom privatleben des künstlers vollkommen bezugslos existiert: kein problem!
klappt wunderbar:
b) beispiele: dali mag franco-versteher gewesen sein. latte! die kunst war hier nie mittel zum zweck wie etwa bei breker. ergo trennung! dali geht klar, breker nicht. Gründgens mephisto gehtz klat. Lenis triumph des wi8llebns nicht.
bei leuten wie tappert oder kinski ist es ähnlich: die kunst hat nichts mit dem menschlichen fehlverhalten/wohlverhalten ihres schöpfers zu tun. fitzcarraldo bleibt fitzcarraldo - egal was sonst war. so ist es mit derrick auch. oder eben lovecraft. "bullets over broadway" bleibt super, egal was mit woody ist (den ich hier nach jahrelanger recherche f d opfer halte). "cat scratch fever" bleibt ein klasssiker, auch wenn nugent erreaktionäre politansichten vertritt. "rio bravo" bleibt unanfechtbar, egal wie john wayne politisch drauf war. sein vietnam-film jedoch nicht. pink floyd bleiben musikhistorisch bedeutend, eghal ob waters ne bds-schranze ist.
grenzwertig: gg allin. da geht sicher nicht alles klar. dort hilft nur einzelfallübrprüfung.
Ergo: keine bedenken gegen jacksons songs. Denn sie funktionieren jeneeits seiner privaten person.
2. zumal das aussortieren der werke auch ein schlag ins gesicht der mitschöpfer ist. was kann ein autor wie herbert reinecker oder werner herzog dafür, wenn der hauptdarsteller ein arsch war? Nichts! Im fall von jackson gilz dasselbe.
3. desweiteren hat die kunst auch ein historisch gewachsenes eigenleben: würde morgen herauskommen, dass da vinci serienkiller war, so ändert es nichts an brillanz und erfolgter prägung durch etwa mona lisa. sehr gutes beispiel in diesem zusammenhang ist auch caravaggio. Mj prägte ebenso mindestens eine generation durch stilk und tantz etc.
So ist es!! Mann stelle sich vor was man alles nicht mehr sehen/hören dürfte sollte der Künstler von seiner Kunst nicht trennbar sein. Was wäre bspw. mit den Bayreuther Festspielen!?! Was wäre mit Polanski-Filmen!?! Die Liste kannst du ewig fortführen.
"Schrecklich gute Musik kann von schrecklichen Menschen geschrieben werden", hab ich kürzlich gelesen.
Schon klar mit deiner Trennlinie. Aber ich finde das Problem hier ist eher, dass man den Menschen als Hörer nur schwer gedanklich von der Musik trennen kann, wenn die Geschehnisse ständig mitschwirren. Künstlerisches Erbe hin oder her, als Fan drückt man ja nicht einfach einen Knopf und dann kann man problemlos wieder Jackson, Lostprophets, Pink Floyd/Waters oder Morrissey hören. Insofern muss jeder für sich entscheiden, inwieweit Fehltritte oder provokante Aussagen von Musikern deren künstlerischen Kanon überdecken.
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Doch, tut man. Mache ich mit Ryan Adams seit Jahren.
ja klar, don z,
aber das ist ja die subjektive ebene.
die taucht auf, sobald man die obige objektive ebene als kriterium klar hat.
wenn man weiß, dass die sonsgs samt popkulturellem eigenleben klar gehen, geht von diesem punkt an die arbeit des einzelnen los - und das im sinne der von dir erläuterten gewissensfrage. letztere bleibt jedoch eine reine individual- und emotionalentscheidung.
das problem besteht m.E. nach jedoch gegenwärtig darin, dass der kollektive rausch der empörng diese individualentscheidung erschwert. kevin spacey ist so ein fall. den mann aus filmen raus zu schneiden und streifen, in denen er mitwirkte zu verfemen, ist hanebüchen. wer etwa das schauen von eastwoods "mitternach im garten..." nunmehr auf die schwarze liste setzt, ist nicht teil der lösung, sondern des protblems.
Lel, selbst wenn ALLES stimmen würde, was man MJ vorwirft, wäre er nicht der schlimmste Verbrecher in meiner Playlist. Gebe aber natürlich soweit recht, dass es bei MJ in starkem Kontrast zur Musik steht.
PS: Caravaggio. ♥
Das Metawissen schwingt immer mit, ob wir wollen oder nicht. Blödes konstruiertes Beispiel: Würdest du bei der Geburtstagsparty deines kleinen Sohnes "Smooth Criminal" auflegen?
Auch wenn das nicht an mich ging: Sofern der kleine Sohn das Lied mag, klar, würde ich.
Kürzlich beim Bäcker hatte ich auch ein Brotblem.
OK, dann kannst du was trennen, was ich nicht kann. Kann ja sein
"Then you ran into the bedroom. You were struck down. It was your doom. You've been struck by a smooth criminal" --> Du müsstest nicht mal lachen, Herr Mundanus?
Wenn ich mir den Text bewusst geben und mir die Ironie vor Augen führen würde, doch. Bei englischsprachiger Musik fällt das aber schnell unter den Tisch. Könnte nichtmal drei Zeilen aus dem Song rezitieren.
Gerade im Pop gibt es ständig ziemlich ekelhaft zweideutige Zeilen, die lyrisch ziemlicher Müll sind. Ohne das jetzt auf "Smooth Criminal" zu beziehen. Bei Pop im Allgemeinen achte ich automatisch nur minimal auf den Text. Ausnahmen wie Marina and the Diamonds oder Lana Del Rey bestätigen die Regel. Der Text spielt natürlich trotzdem eine Rolle, aber eher nach unten. Alles, was nicht komplett beschissen ist, geht in der Regel durch im Pop, solange es gesungen gut klingt. Natürlich auch einer der Gründe, weshalb ich fast keinen Pop höre.
Klar, bin da bei dir. Wollte nur darauf hinaus, dass sich die Ironie in dem Fall ja nur dadurch erschließt, dass man weiß, wer der Künstler hinter der Kunst ist. Beides also nicht so eindeutig zu trennen ist.
In einer perfekten Welt, würde man sich für die Person dahinter nicht ein Stück interessieren. Man wird grundsätzlich enttäuscht. Gott, warum musste ich mir Interviews mit Glenn Danzig reinziehen?
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
So ist es!! Mann stelle sich vor was man alles nicht mehr sehen/hören dürfte sollte der Künstler von seiner Kunst nicht trennbar sein."
Mal ganz unabhängig wie man jetzt zum eigentlichen Thema steht, finde ich das das mit Abstand dümmste Argument, das in solchen Diskussionen immer herausgekramt wird. Das ist argumentativ doch auf einer Ebene mit "wenn ich jetzt drauf achte welche Kleidung unter menschenwürdigen Bedingungen gefertigt wurde, kann ich mir ja nicht mehr die Sachen kaufen, die mir am besten Gefallen!!!". Frei nach dem Motto, Moral ist ja okay, aber nur, wenn ich mich da nicht für einschränken muss.
Ansonsten bin ich da aber tendenziell beim Anwalt. Wobei ich mir persönlich kaum Musik geben kann, bei der in den Texten oder sonstwie durchschimmert, dass ich mit dem Künstler als Person charakterlich nichts anfangen könnte. Reicht in den Fällen auch schon, dass die Person einfach 'n Arschloch, egozentrisch, oberflächlich wasweißich. Ein Künstler, der zu Zwecken der Narrative etc. nur das Arschloch gibt, ist aber natürlich vollkommen okay.
jeder, der behauptet, er könne kunst "unter dem und dem umstand" vom künstler trennen, lügt allen anderen und sich selbst in die tasche. am ende gehts immer nur drum, wie sympathisch einem der künstler und wie wichtig einem seine kunst ist. brachial subjektiv. deswegen lässt man dem einen künstler nahezu alles, dem nächsten weniger und dem dritten gar nichts durchgehen. wir sind alle miteinander inkonsequente dullis.
Sehe ich anders. Selbst wenn irgendwann herauskommen würde, dass Bowie in den 70ern eine Minderjährige verführt hätte, würde es mich trotzdem nicht abhalten, "Low" oder "Heroes" zu hören. Würde zwar sagen "Scheißtyp", tangiert aber nicht meine Sicht auf das Werk.
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Hätte er darüber gesungen, wäre es anders. Und bei Jacko halte ich mich mal ganz zurück, so lange noch keine Auswertung der Beweise vorliegt.
Props dieses Mal raus an den Anwalt. Kann man so stehen lassen.
mein fazit:
ich glaube, der punkt ist, dass man die kunst mitunter sowohl vor ihren schöpfern als auch vor den empörungswellen der gesellschaft retten muss. und das ganz unabhängig davon, ob man den jeweiligen urheber mag oder nicht. sonst ist man ganz schnell wieder dort, wo es nach bücherverbrennnug part two riecht.
ps: im rome-thread gibts ne paralleldiskussion am beispiel "death in rome". die tauchen auch selbst dort auf und verwahren sich gegen den vorwurf, rechtsradikale kunst zu machen. unter torques comment:
https://www.laut.de/Rome/Alben/Le-Ceneri-D…
Also ...
Kunst vom Künstler getrennt betrachten hm?
Burzum geil finden aber trotzdem zugeben das Varg ne Arschgeige ist usw.
Sofern der betreffende Künstler seine Kunst nicht als Vehikel für "nicht kunst-relevante" (meist politische) Themen verwendet.
Ist doch logo mein guter Ulfenanwalt. Das ist gesunder Menschenverstand. Mit ein Grund aber auch, warum ich generell eigentlich nicht so superfan davon bin, wenn man (politische) Meinungen in seiner (hier Musik) oder Kunst generell verarbeitet.
Siehe mal Gojira. Geile Musik, inhaltlich muss ich mir nicht immer alles sagen lassen jedoch - auch wenns aus heutiger Sicht sicher vernünftig ist.
Aber das isses. Lenis Filmchen waren aus "damaliger Sicht" auch tiptop für das dortige Regime. Du kannst "stand jetzt" eben nicht immer als Messlatte nehmen.
Dann lieber moralisch-philosophische Überlegungen einbinden. Oder was ganz anderes. Aber jeder anders.
Am Ende bin ich auch dagegen dass man Jackos Musik bannt oder sowas. Auch wenn ich kein grosser Fan bin.
Man sollte seine Musik nicht darum nicht spielen, weil er an kleinen Bübchen rumgeschnüffelt hat (oder haben soll). Man sollte seine Musik NICHT hören weil sie einem NICHT gefällt.
Und ob sie gefällt oder nicht ist eine subjektive Entscheidung und muss nicht (kann aber) mit dem Bübchengeschnüffel zusammenhängen - oder nicht.
"sonst ist man ganz schnell wieder dort, wo es nach bücherverbrennnug part two riecht."
Wie denn das?
wenn du einen Künstler verbietest wegen "X" dann klingt das nach Bücherverbrennung. Seh ich auch so.
deswegen sagte ich auch, dass man Jackos Musik besser darum "nicht hören" sollte weil sie einem persönlich nicht gefällt. Zensur an und für sich ist eben was schlechtest. Natürlich kommt gelegentlich auch Mist in den Texten mit, aber das Beste Mittel dagegen ist immer noch der eigene Verstand.
Jedenfalls meiner Meinung nach.
@GleepGlorp: heißt du trägst nur selbst gemachte Klamotten oder solche wo du beim Produktionsprozess dabei warst und dir sicher sein kannst, dass alles klar ging? Und hörst Musik von Künstlern, die moralisch einwandfrei vertretbar sind? Oder wie soll man dich verstehen? Mein Argument war kein anderes, als an dieser Stelle schon x-mal gebracht.
Bücherverbrennung bringt mich zur Frage nach Gutenberg. Wie sieht es um den Leumund Gutenbergs aus heutiger Sich aus?
Dürfen Bücher noch reinen Gewissens gedruckt werden und wie sieht es mit der Weiterentwicklung aus? Ist Schrift an sich noch akzeptabel, wenn man weiß wer sich alles der Schrift bedient hat?
Thema Burzum: Da würde ich auf die Texte achten, wie bei aller Musik. Propagiert die Musik Rassismus, Missbrauch, Hass etc. ist sie für mich natürlich nicht mehr akzeptabel und schon gar nicht vom Künstler zu trennen.
„Sehe ich anders. Selbst wenn irgendwann herauskommen würde, dass Bowie in den 70ern eine Minderjährige verführt hätte, würde es mich trotzdem nicht abhalten, "Low" oder "Heroes" zu hören. Würde zwar sagen "Scheißtyp", tangiert aber nicht meine Sicht auf das Werk.“
Ähm... googel mal Lori Maddox.
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@CafPow:
Naja, aber es spricht hier doch niemand ernsthaft von tatsächlichen Verboten oder verpasse ich hier irgendetwas?
@ZappaMother:
Nein, das soll man in der Hinsicht verstehen, wie ich es geschrieben habe. Nämlich so, dass es ein schlechtes bzw. fehlerhaftes Argument ist. Weil es ganz verallgemeinert versucht eine moralische Frage zu beantworten anhand dessen, was IST und nicht anhand dessen, was SOLL. Ein anderes Vergleichsbeispiel wäre zum Beispiel "wenn wir alle korrupten Politiker aus dem Amt jagen würden, dann müssten wir ja fast alle Politiker aus dem Amt jagen und das geht ja nicht!" Das ist halt keine wirkliche Rechtfertigung, weil letzten Endes geht das natürlich und nur weil es aufwendig ist, ist es deshalb nicht gleich automatisch falsch.
Es geschah aber im gemeinsamen Einvernehmen und sie hat es bis heute nicht bereut. Ganz im Gegenteil sogar. Jacko wird ja vorgeworfen, seine Vorbildfunktion zur eigenen sexuellen Befriedigung gegen das Einvernehmen seiner Opfer ausgenutzt zu haben. Das sind dann zwei verschiedene Paar Schuhe.
Bezog mich aus Svens Post.
Zudem spielt im Fall Maddox der zeitliche Kontext (Rockmusik und Groupietum in den 70ern) eine nicht gerade untergeordnete Rolle.
Trotzdem hat er eine minderjährige verführt. Was Wort für Wort das ist, was du geschrieben hast.
Wo wir wieder bei der moralischen Bewertung wären.
Wieso? Ich habe doch gar nichts bewertet.
Um beim Thema zu bleiben. Berührt es Bowies Werk, dass er zu Beginn der 70er im Einvernehmen mit einem minderjährigen Groupie geschlafen hat? Nein.
Wenn man Rock-Musiker aus den 70ern nach moralischen Verfehlungen beurteilen würde, dürfte man Bowie, The Who, Led Zep oder die Stones gar nicht erst hören, aber darum ging es ja nicht.
Real talk: Kam bisher 2x in die Situation, wo mich die Taten eines Künstlers kurzzeitig (Dalai-Lama-Style) in meinem Hörgenuss störten. Dazu musste ich mich aber 1.) wirklich damit beschäftigen aka Zeitungsartikel/Opferberichte lesen und 2.) die Taten außerordentlich ekelhaft sein.
Dabei ging es um folgende Künstler:
1. Sicx, welcher seine beiden Adoptivtöchter (Kindesalter) zusammen mit seiner Lebensgefährtin mehrfach vergewaltigt und gequält haben soll. Die Detailberichte darüber emfpand ich als so ekelhaft, dass ich mir die Mucke für eine Weile nicht ohne Ambivalenz geben konnte.
2. Derek Wise, welcher junge Frauen betäubt, entführt und zur Prositution gezwungen haben soll, um sie dann über die Staatsgrenzen hinaus zu verkaufen. Da einige Zeilen aus seinem erfolgreichsten Song extrem passgenau und authentisch auf eine solche Situation passten, konnte ich mir den Kram danach nicht mehr ohne mulmiges Gefühl geben.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Gute Beispiele. Ist auch das, was der Anwalt sicherlich mit Einzelfallprüfung meint.
Eine Tageszeitung hat auch versucht, einzelne Zeilen aus Jackos Oevre aus dem Kontext herauszureißen und als explizite sexuelle Anspielung umzudeuten, etwa "You Are Not Alone". Da heißt es:
"But you are not alone
I am here with you
Though we're far apart
You're always in my heart
You are not alone"
Klingt für mich wie ein Allerwelts-Pop-Text, der überall so vorkommen könnte, aber nicht wie eine explizite sexuelle Anspielung und da verkommt die Diskussion so ziemlich ins Lächerliche.
Ist leider oft so. Wobei ich gerade merke, dass die Zeilen, die ich oben meinte, vielleicht doch nicht so haargenau waren.
Erzeugten aber bei mir definitiv sehr lebensnahe Bilder im Kopf, von einer entführten Frau, die durch Gruppenvergewaltigung gebrochen werden soll:
"Can I take that, can I break that,
Take you outta town where the lakes at,
You my lil Eve, where the snake at,
Imma take it all baby, where my placemat,
Let my dog hit a lick where ya face at"
Die einzige Referenz aus dem Pop der letzten Jahre, bei der ich die Aufregung wirklich verstanden hatte, war "Blurred Lines" von diesem Schleimklumpen Thicke.
Er hat zumindest seine Strafe dafür bekommen. Zum einen wegen Urheberrechtsverletzung, zum anderen als "Sexist des Jahres".
Trennung zwischen Künstler und Werk geht schon ok.
Aber: M. Jackson mit R. Waters, J. Wayne, Gustav Gründgens, Caravaggio oder gar da Vinci zu vergleichen geht gar nicht (Dali nehme ich in der Liste mal aus).
Jackson war doch ein völlig überbewerteter Poser, es fällt mir da extrem schwer von Kunst oder Künstler zu sprechen.
Eine eigenständige Leistung sehe ich in seinem "Oevre", wenn man von dem nervenden Gekiekse mal absieht, nicht (Eddie van Halen ist hier natürlich ausgenommen).
@Julymorning
Manche Texte von Burzum vertreten wohl auch Rassismus, ich kenn Burzum nicht so gut. Dass sie aber auch "Hass" vertreten ist nunmal so eine Black Metal sache. BM ist gerne und oft Menschenverachtend ganz allgemein. Das gehört dazu wie das "Satanflair" auch ein wenig. Es ist nicht zwingend, klar.
Wenn du das als Grund nimmst die Musik nicht zu hören ist das freilich dein Recht. Nur ist ein Misanthrop nicht zwingend ein Rassist.
@Gleep Glorp
ne s spricht niemand von "verboten". Aber wenn man Jacko deswegen boykottiert... naja da fängts an vielleicht? Auch wenn ich mir hier einen Aluhut verdient hätt vielleicht.
@ mad dog:
https://www.mjackson.net/forum/michael-jac…
Die "eigenständige Leistung" siehst du natürlich nicht, wenn du nicht hinschaust! Ob dir die gefällt oder nicht, ist eine andere Geschichte..
@CafPow
Ich höre die Musik nicht, deren Texte auffordert zu Rassismus, Hass, Gewalt, Menschenverachtung oder diese und ähnliche Punkte unkritisch verherrlicht.
Ist es Satire (z.B. Venom) oder als Kritik daran gedacht, so ist es etwas anderes. Auch wenn es künstlerischer Ausdruck von Gefühlen ist, so ist es für mich okay.
Meine Grenze für mich ziehe ich bei Aufforderung oder eben unkritischer, keinen Hintergrund beleuchtender Verherrlichung der Verherrlichung und Tat an sich.
Auf MJ bezogen kenne ich keinen Text von ihm in dem er Kindesmissbrauch propagiert oder verherrlicht.
Interessant. Die meisten Eltern würden schon große Bedenken kriegen, wenn ein Fremder ihren Kindern etwas von seiner Schokolade anbietet. Und hier haben wir es mit jemandem zu tun, der Kinder nicht nur mit Schokolade, sondern mit ganzen Freizeitparks bespaßte, und dann jede Nacht mit Kindern im Bett war, die er sofort austauschte, sobald sie zu alt wurden. Und das verteidigen viele bis aufs Blut, bloß weil dieser jemand toll singen und tanzen konnte.
Ich will nicht sagen, daß ich wüsste, was passiert ist. Interessant finde ich diese vermutliche Doppelmoral aber.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Es geht nicht um die Verteidigung desjenigen, sondern darum, dass die Unschuldsvermutung so lange ihre Gültigkeit besitzt, bis seine Schuld endgültig bewiesen ist. Alles andere gleicht einer Vorverurteilung.
Noch mal: Ich maße mir nicht an zu wissen, was passiert ist. Bei diesem Thema ist die Öffentlichkeit aber sonst übersensibel. Ich weise darauf hin, daß viele es hier trotz aller Merkwürdigkeiten nicht sind - bloß weil Jackson toll singen und tanzen konnte.
Bin da bei dir, ist etwas befremdlich in was das für einen Kontext hier gesetzt wird, da es ja um jahrelange, stark manipulative Pädophilie geht. Da wäre auch nicht unbedingt mein erster Gedanke, ob ich die Kunst vom Künstler trennen kann und wer sich sonst noch einiges zu Schulden kommen lassen hat.
Die Kunst vom Künstler zu trennen ist wieder eine andere Sache. Obwohl da viele eine total komplizierte Sache daraus machen, ist es doch im Grunde sehr einfach und der Normalzustand, die Kunst von der Moral des Künstlers zu trennen. Wer behauptet, man könne oder solle das nicht, könnte allein schon deshalb keine Kultur mehr genießen, weil er dann davon ausgehen müsste, daß alle seine Lieblingskünstler strahlende, makellose Jesusfiguren sind.
Darum ging es mir nicht, es ging mir um den Gedanken, der hier der dominierende ist. Ob man Künstler von Kunst trennen kann? Ja, kann man. Ob man das aber immer tun sollte ist eine andere Sache. Dafür gibt es keine Blaupause, kein richtig und falsch.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Dann kann man auch einen seitenlangen Strang zum Thema systematische Pädophilie aufmachen, was die Diskussion aber unnötig emotional aufheizt, zumal der Fall Jacko ohnehin erstmal neu aufgerollt werden muss. Da müssen Zeugen herangezogen werden. Beweise müssen geprüft und ausgewertet werden. Würde Jahre dauern. Wenn sich die Vorwürfe doch bewahrheiten, wäre es natürlich schon eine ziemlich üble Sache.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Haine, natürlich muß man Kunst immer von der Moral des Künstlers trennen. Alles Andere wäre zwar trendig, aber debil.
Sehe ich, wie oben erwähnt, halt anders.
auf der einen Seite ist natürlich ein großartiger Künstler nicht zwangsläufig ein großartiger Mensch, und auch noch so schlimme Taten machen großartige Kunst für sich genommen nicht schlechter. Würde man all diese Künstler verbannen, wäre die Welt vielleicht etwas besser, aber die Kunst auch sicherlich ärmer. Hinzu kommt, dass oftmals auch dieses "zwischen Genie und Wahnsinn" wandeln vielleicht erst die Quelle dafür ist, die Welt abweichend, anders zu betrachten und daher die Inspiration für das Schaffen sein kann. Aber dennoch kann man die Frage der moralischen Ethik hier nicht einfach ausblenden. Besonders wenn solche Fälle in den Medien präsent sind, und man sich (vielleicht auch ungewollt) damit auseinandersetzen muss.
Rational kann man das sicherlich trennen, aber emotional ist das dann doch schon fragwürdig. Auch die Trennlinie die der Anwalt zieht, sehe ich nicht so klar, sondern eher verschwommen, da jede neue Information über einen Künstler, die Perspektive auf die Kunst verschiebt und neuen Raum für Interpretationen bietet.
You're not alone klingt einfach vor dem Hintergrund der Missbrauchsvorwürfe anders, als ein ganz normaler Popsong. Dann noch die Frage der Berechnung. War Jackson (sofern die Vorwürfe stimmen) einfach der naive, kindliche Charakter oder dann doch eher kalkulierter Soziopath?
Das sind alles Fragen die da bei einer Entscheidung mitschwingen sollten. Ich will hier auch gar nicht abschließend werten, ob man Jackson bannen sollte oder nicht, dass muss man individuell für sich entscheiden. Aber zu sagen, ich trenne das und gut ist, klingt für mich etwas naiv und zumindest moralisch fragwürdig. Wobei ich auch der Überzeugung bin, dass jetzt keiner aktuell unbefangen seine Songs mitträllern würde, es sei den er hat sich einfach total darin verbissen, dass das alles nur Lug und Trug ist.
Das einzige Beispiel aus der Popkultur, das ich nicht mehr unbefangen hören kann, ist "Non, je ne regrette rien" von Édith Piaf, das sie während des Algerienkrieges der französischen Fremdenlegion widmete, die sich in diesem Konflikt, der 99 % der Bevölkerung zur Flucht zwang, vor allem durch ihre Brutalität und ihre Foltermethoden nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte.
"Es geht nicht um die Verteidigung desjenigen, sondern darum, dass die Unschuldsvermutung so lange ihre Gültigkeit besitzt, bis seine Schuld endgültig bewiesen ist. Alles andere gleicht einer Vorverurteilung."
Die oft erwähnte Unschuldsvermutung gilt vor Gericht. Und als Menschen steht es frei, einen anderen Menschen für Taten oder Unterlassungen, die ihm vorgeworfen werden, zu verurteilen. Und das tue ich bei Michael Jackson aufgrund der Indizienlage.
Genau wie bspw. bei Stalin, O.J. Simpson, Franco, Mao Zedong, etc. Unschuldsvermutung ist Quatsch, außer vor Gericht.
UnS als Menschen...
Genauso ist es.
Vor Gericht die Unschuldsvermutung, privat die Lynchjustiz. Passt zum Zeitgeist.
Eine Information aus dem Privatleben des Künstlers spielt für ein Werk nur dann eine Rolle, wenn es inhaltlich auf sie verweist. Vor komplett blöden Interpretationen wäre ein Werk auch dann nicht gefeiht, wenn ein theoretisch unfehlbarer Mensch es verfaßt hatte.
Entsprechend ratlos bin ich bei Zeitgenossen, die Klatsch, Behauptungen und all die bei Künstlern üblichen Nebenschauplätze als Anlaß nehmen, Werke neu zu bewerten. Die beiden Haufen "Kunst" und "Moral des Künstlers" gehören - wie gehabt - getrennt. Wenn man das nicht tut, kommt bestenfalls diffuse Ratlosigkeit, im schlimmsten Fall Zensur heraus. Und beides wird weder dem Werk, noch den möglichen Untaten des Künstlers gerecht!
@Ragism
Gut auf den Punkt gebracht.
Vor allem die Art und die Wege der öffentlichen "Urteile" lassen mich auch immer mehr an meinen Mitmenschen zweifeln.
Da kann schon mal ein Ozean zwischen Geschehen und Erzählung über das Geschehen liegen, für den geneigten Richter ist Fakt was als Erzählung geboten wird.
Falls jemand englisch versteht: Bitte den Beitrag auf Youtube anschen. Hier spricht einer der Hauptermittler im Fall Michael Jackson in 2005 www.youtube.com/watch?v=pDa27x6mTWs
Im Fall von Kindesmissbrauch sollten IMMER die ELTERN des (vermeintlichen)Taeters zur Hauptverantwortung gezogen werden!
Im Fall von M.J. ist eindeutig der VATER der mit der groessten SCHULD und die MUTTER, die es zu liess. Pfui, was fuer eine Mutter, deren ANGST vorm Ehemann groesser ist als die LIEBE zu den eigenen Kindern!!
Ich bin irritiert - war doch fuer mich Billie Jean der Jahrhundertsong schlechthin.