2. März 2010

"Amüsant, den Labels zuzusehen"

Interview geführt von

Die Chicagoer Band startete 2006 mit ihren selbstproduzierten Tanz-Videos "A Million Ways" und "Here It Goes Again" durch. Dank Internet-Hype erfreuten sie sich bald einer wachsenden Fangemeinde. Das neue Album "Of The Blue Colour Of The Sky" bricht mit bekannten Band-Traditionen und beschreitet neue Wege.

Ein gut gelaunter Damian erzählt, welchen Stellenwert Videos für die Band haben, wie sich die Musikindustrie verändert und was das World Wide Web mit der ganzen Sache zu tun hat. Er gibt sein Wissen über die Mysterien des Internets zum Besten, klärt über Ungerechtigkeiten auf und beschreibt, unter welchen Umständen das neue Album entstand.

Wenn die Leute den Namen OK Go hören, denken sie meistens "Ah ja, das sind doch die mit den coolen Videos!" Was hältst du von dieser Assoziation?

Naja, niemand mag in eine Schublade gesteckt werden. Aber es ist eine angemessene Beschreibung. Wir machen eben gute Videos! (lacht) Ich denke, der Grund dafür, dass viele uns so beschreiben ist, dass nicht viele andere Leute wirklich gute Videos machen. Außerdem fühlt es sich für mich nicht so an, als würde unsere Musik irgendwie schlechter, dadurch dass wir gute Videos haben. Unser Ziel ist vielmehr, irgendwie alles zu vereinen.

Für die meisten Bands sind Videos einfach Werbung der Labels, die versuchen, die Musik zu verkaufen. Für uns sind die Clips ein Teil des Projekts. Sie sind unser kreatives Ventil und kein Marketing-Tool unseres Labels, deshalb ist das ok. Ich bin ja froh, dass die Leute sie mögen!

Tim singt in den Videos zu "A Million Ways" und "Here It Goes Again" playback. Gibt es einen speziellen Grund, warum nicht du das machst?

(lacht) Wir haben vor einer Ewigkeit eine Tanznummer für einen Song gemacht, den er tatsächlich singt. Also hat er im Video dazu playback gesungen. Es schien angemessen, das weiterzuführen. Er macht das ja nicht in allen Videos, aber wenn Tanzeinlagen integriert sind, hat das was, ihm zuzuschauen. Ich weiß auch nicht – er hat eben dieses besondere Etwas! Es ist einfach lustig, das anzuschauen. Und außerdem ist playback Singen so eine lächerliche Sache, dass es Spaß macht, damit zu spielen und es einfach jemand anderem zu überlassen.

Könnt ihr eigentlich noch die ganzen Choreographien, die ihr mal irgendwann gelernt habt?

Mit ungefähr zehn Minuten Probe ja. Die Laufband-Choreographie bräuchte schon länger als zehn Minuten Übung. Aber die anderen Tänze könnten wir schon, allzu lange würde das nicht dauern. Wir haben das schließlich am Ende jeder Show knapp zwei Jahre lang auf Tour gemacht. Ich kann mich zwar an nichts erinnern, aber wenn mein Körper einmal damit anfinge, würde es einfach laufen.

Deine Band engagiert sich sehr stark im Internet. Ihr betreibt z.B. Video-Blogging, seid bei Twitter. Wie wichtig ist das Internet für dich sowohl privat als auch beruflich?

Sieben.

Sieben von zehn?

(lacht) Nein, nicht so viel. Beruflich ist es wirklich wichtig für uns. Um ehrlich zu sein twittere ich nicht selbst, ich habe auch keine Facebook-Page. Also kann man eigentlich nicht sagen, dass es so wahnsinnig wichtig für mich persönlich ist. Aber das liegt hauptsächlich daran, dass ich nicht das Gefühl habe, dass ich mit mehr Leuten in Kontakt treten müsste, als ich das ohnehin schon tue. Ich fühle mich sehr verbunden mit meinen Freunden und die Leute erreichen mich auch so relativ einfach.

Aber Tim twittert! Das Spin Magazine hat ihn sogar unter die Top drei Musik-Twitterer gewählt. Unsere Band hat auch einen sehr aktiven Twitter-Account, aber da schreibe ich nicht persönlich. Wenn ich allerdings irgendwas habe, das unbedingt getwittert werden muss, dann gebe ich das unserer Twitter-Person. (lacht) Es ist schon witzig, dass man tatsächlich so etwas wie eine Twitter-Person haben kann.

Ganz allgemein gesehen hat das Internet uns ermöglicht, direkter mit unseren Fans in Verbindung zu treten und kreative Gebiete zu erkunden, die vorher einfach nicht existierten. Die Videos sind dafür ein ziemlich gutes Beispiel. In den letzten 25 oder 30 Jahren konnten Videos nur existieren, falls MTV sie gespielt hat. Also haben die Leute nur solche gedreht, von denen sie auch dachten, dass MTV sie spielen würde. Dadurch kam eine bestimmte Form zustande mit hochprofessioneller Produktion, glamourös, teuer und so weiter.

Aber die Idee, drei Minuten Musik mit drei Minuten Film zu kombinieren, hat damit eigentlich gar nichts zu tun. Man könnte ja alles machen! Und das Internet ermöglicht es, Dinge zu tun, die sonst keine Stimme hätten. Bei unseren Videos ist das auch so. Es ist undenkbar, dass MTV sie gespielt hätte, bevor sie im Internet erfolgreich waren. Erst dann kamen sie ins Fernsehen. Inzwischen gilt: So lange etwas interessant ist, funktioniert es auch! Es muss nicht Jeden interessieren. Nur sofern es eben genug Leute anspricht, hat man die Chance, weiterzumachen.

Kannst du dich denn an etwas besonders Interessantes erinnern, das du selbst mal im Internet entdeckt hast, so wie andere Leute zum Beispiel über "Here It Goes Again" gestolpert sind?

Oh ja, massenhaft! Da gibt es diesen nießenden Panda, kennst du den? Der ist echt gut. Und dann ist da noch dieser Schimpanse aus Japan. Er heißt Pankun. Er hat diese TV-Show und erlebt immer irgendwelche Abenteuer. Es gibt zum Beispiel eine Folge, da kauft er ein Ticket und fährt mit der U-Bahn. (freut sich über die Vorstellung) Schimpansen finde ich eigentlich immer aufregend. Was hab ich noch gesehen? (überlegt) Oh, kennst du von Dan Deacon "Drinking Out Of Cups"?

Nein.

(Damian schnappt sich seinen Laptop) Ich will ja wirklich nicht, dass du deine Interviewzeit verschwendest, aber das ist wirklich gut!

Ach, zeig ruhig her!

Ich frage mich, ob es für Leute mit Englisch als Zweitsprache genauso lustig ist. Ich meine, es wird schon witzig sein, aber es ist einfach nur verrückt. (tippt auf seiner Tastatur rum) Oh, und hast du schon mal "Creed Shreds" gesehen?

Was ist das denn?

Ich sehe schon, ich muss dir ein paar Sachen zeigen.

Anscheinend beschäftige ich mich zu wenig mit YouTube!

(Wir schauen einen YouTube-Clip: eine Animation mit völlig sinnfreien Kommentaren) Ich denke, es ist wohl eine Aufnahme von jemandem, der high ist. Oder ... (denkt nach) vielleicht ist es auch jemand, der zwischen TV-Sendern wechselt.

Aber das ist doch immer dieselbe Stimme.

Ja, aber vielleicht reagiert die Person auf etwas, das sie sieht. Warte bis er das mit dem Stuhl sagt ... (spricht mit) "Not my chair, not my problem." (lacht) So, und jetzt Creed. Das ist einfach nur unglaublich.

Das ist ja schrecklich! Wie findest du bloß solche Sachen?

Leute schicken mir das einfach. Manches ist echt peinlich.

Also ich sehe schon, du hast Spaß, dir solchen Kram anzuschauen!

Ohja! Naja, manchmal. (grinst verlegen)

"Wenn du eine bessere Idee hast, sollte sich diese auch durchsetzen können."

Ihr seid ja auch von dem Problem betroffen, dass man viele YouTube-Videos nicht mehr einbinden kann.

Ja. Ihr in Deutschland seid doch auch gerade mittendrin. Wie heißt noch mal diese Gesellschaft, die für die Aufführungsrechte zuständig ist?

GEMA meinst du. Das ist richtig. Für eure Situation hast du in einem Statement auf der OK Go-Webseite eine recht schöne Beschreibung gefunden: "Das Ganze ist wie ein Auto, das versucht, ohne Benzin zu fahren." Kannst du erklären, was genau du damit meinst?

Die ganze Musikindustrie versucht, sich selbst neu zu erfinden. Die Währung von Musik – Live-Musik ausgeschlossen – waren immer Platten, CDs, Kassetten. Und das verschwindet mehr und mehr. Natürlich gibt es Downloads, aber der Weg, wie Musik übermittelt wird, hat sich einfach so sehr verändert! Das grundlegende Tauschmittel der Musikindustrie waren also Alben, aber wenn du die nicht mehr verkaufen kannst, dann verdienst du damit auch kein Geld. Deshalb versuchen sie neue Methoden zu finden, versuchen sozusagen, ohne Benzin zu fahren! Das meinte ich mit einem Auto, das versucht ohne Benzin zu fahren. Und der Grund, warum ich ein Auto genommen habe ist, dass es allein nichts anrichten kann, und so eben auch die Musikindustrie nicht. Es ist schon amüsant, diese Leute zu beobachten, wie sie versuchen, dass das neue System genauso funktioniert wie das alte, aber das ist nicht möglich.

Es wird keine Lösung für das Problem geben, bis es so was wie eine Komplett-Überholung gegeben hat. Aber ich denke eben, dass es dafür Geld aus anderen Quellen braucht. Die Leute bezahlen – zumindest in den USA – viel Geld für Internetzugänge und für technische Spielereien, wie iPods oder Handys, mit denen man MP3s abspielen kann. Aber sie bezahlen nicht für die MP3s, die da drauf sind, zumindest nicht immer. Es fließt also viel Geld in Musik, die Leute bezahlen es eben nur nicht an die Plattenfirmen. Ich kümmere mich nicht speziell darum, die Leute bei den Labels, bzw. die Institution eines Labels zu erhalten, aber wir brauchen einfach ein Gerüst, das als Risikomanagement-System fungiert.

Im Moment ist es in der Plattenindustrie so, dass sie in 20 Künstler investieren und 19 davon scheitern. Und diese 19 müssen kein Geld zurück zahlen, es ist nicht so, dass sie – du weißt schon – für den Rest ihres Lebens Schulden haben! Die Plattenindustrie wettet sozusagen auf sie und der eine Künstler, der erfolgreich ist, zahlt für die 19 anderen. Und deshalb haben die Labels oft ein negatives Image. Denn es sieht so aus, als würden sie diesen einen Künstler ausnutzen. Es scheint ihm gegenüber nicht besonders fair, aber gäbe es dieses System nicht, wäre jeder, der versucht eine Band zu gründen, für sich selbst verantwortlich. Und man kann nicht einfach mal eben international auf Tour gehen und schauen, ob es klappt. Niemand hat 50.000 oder 100.000 Dollar, um diese einfach so zu verbraten, um herauszufinden, ob es funktioniert. Und Plattenfirmen haben das, aber eben nur, weil Coldplay bezahlt.

Ich habe gelesen, dass ihr euch auch mit "Internet-Neutralität" beschäftigt. Wie genau?

Ja, das stimmt. Es beschreibt das Prinzip, dass alle Informationen im Internet gleich behandelt werden, so dass die Kabel-Anbieter keinen Einfluss auf den Inhalt haben. In den USA wurde das gesetzlich vorgeschrieben, als das Internet dem Telefonnetzwerk zugeschrieben wurde. Wenn man sich das anhand von Telefonen vorstellt, wäre es so, dass Leute, die bereit sind, mehr zu zahlen, auch schneller andere erreichen könnten. Das würde natürlich nicht funktionieren. Kannst du dir vorstellen, dass du für Firma A zahlst und du niemanden anrufen kannst, der bei Firma B unter Vertrag ist? Dem gesamten Netzwerk muss es möglich sein, das komplette Netzwerk in gleicher Weise zu erreichen! Jemanden bei einer anderen Firma anzurufen, sollte dich auch nicht Unmengen an Geld kosten, denn das wäre nicht fair.

Als das Internet also zum Teil dieses Netzwerks wurde – denn ursprünglich lief es über Telefonnetze – bedeutete das, dass alle Informationen gleich zugänglich wurden. Und jetzt wollen die Anbieter natürlich, dass es ihnen möglich ist, zu entscheiden, für wen Google mehr Bandbreite zur Verfügung stellt und diese dann auch zu bezahlen. Oder dass man eine besondere Vereinbarung mit Google trifft, damit bestimmte Seiten schneller laufen und blablabla. Ich meine, so funktionieren Innovationen im Internet! Wenn du eine bessere Idee hast, sollte sich diese auch durchsetzen können.

Es gibt sogar ein Video, in dem du und Andy euch vor dem Kongress für Internet-Neutralität eingesetzt habt. Das war vor zirka drei Jahren. Hat das etwas gebracht?

Naja, ich habe keine Medaille bekommen und dann war alles gut. Aber dass Obama gewählt wurde, machte einen großen Unterschied. Die Körperschaft, die das in den USA kontrolliert, ist ein fünfköpfiger Ausschuss namens FCC, die Federal Communications Commission. Und drei Mitglieder werden vom Präsidenten eingesetzt.

Ah, ok. Also haben sie immer die Mehrheit.

Genau. Wenn die Republikaner gewonnen hätten, ginge es uns jetzt echt beschissen! Die FCC ist mittlerweile viel stärker als früher und leistet Lobbyarbeit für einige wirklich gute Vorschriften. Es gibt immer noch Sachen, für die man kämpfen muss, aber es läuft ganz gut.

"Die Songs klingen wie Musik, die ich persönlich hören möchte."

So, lass uns über eure neue Platte "Of The Blue Colour Of The Sky" sprechen! Zum ersten Mal besteht ein Albumtitel von euch aus mehr als zwei Wörtern und basiert zudem noch auf einem Buch. Wie hat sich die Idee eines so bedeutungsvollen Namens entwickelt und habt ihr das Buch tatsächlich gelesen?

Ja, ich habe das Buch gelesen.

Bist du der einzige?

Ja. (schaut etwas betrübt, aber doch amüsiert)

Und hast du es komplett gelesen oder nur einen Teil?

Es gibt diesen Essay, den ich gelesen habe, der uns für das Buch begeisterte – ich glaube schon, dass den jeder gelesen hat. Das sind nur so 30 bis 40 Seiten in einem anderen Buch. Aber das Buch selbst hat um die 180 Seiten voll mit blumigen Englisch wie zu Zeiten Edwards VII. Ich finde es fantastisch, aber du würdest so was nicht am Strand lesen.

Meiner Meinung nach ist das Album so anders, dass wir uns nicht verpflichtet fühlten, bei der Namensgebung irgendein Muster beizubehalten. Als wir ungefähr zwei Drittel der Aufnahmen hinter uns hatten, las ich dieses Buch über Leute, die bedeutenden Einfluss auf ihrem Gebiet hatten, aber dann einfach verschwunden sind. Oder Leute, die fast eine großartige technische Erfindung gemacht hätten, aber dann ist doch etwas dazwischen gekommen.

Dementsprechend war Pleasonton einer von ihnen?

Ja, genau. Dieses Buch, das ich eben meinte, heißt "Banvard's Folly" von Paul ... oh oh, ich weiß den Nachnamen nicht mehr, ach doch, Paul Collins heißt er. Und der Untertitel heißt "Dreizehn Geschichten von Leuten, die nicht die Welt veränderten". Das sind wirklich erstaunliche Essays. Sie sind einfach schockierend schön! Und Pleasonton dachte, er hätte entdeckt, dass blaues Licht sozusagen Lebenskraft ist.

Ich weiß auch nicht, dieser Typ, der so fest an etwas glaubte und sich schließlich selbst davon überzeugte, hat etwas Poetisches an sich. Und er überzeugte die ganze Welt! Alle waren völlig verrückt nach diesem Blaulicht-Phänomen. Er hat ein Patent auf Blau bekommen! Kannst du dir das vorstellen, eine Farbe quasi zu besitzen? Das ist wunderbar. Und es fühlte sich sehr nach den Themen auf unserem Album an. Es ist eine Platte, die versucht wirklich hoffnungsvoll zu sein in aussichtslosen Zeiten. Das hat etwas von einem Versuch, alle Probleme zu lösen, obwohl du weißt, dass es nicht geht.

Also war es deine Idee, diesen Titel zu nehmen?

Ja. Ich erinnere mich, wie ich diesen Essay las und zu den anderen meinte: "Ihr müsst das lesen!" Und danach haben sie mir alle zugestimmt. Für eine Weile wollten wir den kompletten Namen des Buchs übernehmen.

Oha. Der ist doch mindestens doppelt so lang!

Ja, vielleicht sogar dreimal. Und zwar "The Influence Of The Blue Ray Of The Sunlight And Of The Blue Colour Of The Sky"! (holt kurz Luft) Und alle in der Band meinten so, yeah, lass uns das machen! Aber dann sahen wir, wie das auf iTunes aussehen würde und das war echt ätzend. Die Leute wären nur genervt.

Euer Booklet gefällt mir übrigens sehr gut.

Danke schön.

Ich war ganz schön beeindruckt von den Grafiken. Sie beruhen auf den wissenschaftlichen Theorien von Pleasonton. Inwiefern war die Band an der Entwicklung beteiligt?

Wir waren sehr involviert. Ich habe nicht das Layout gemacht, aber das hier beruht alles auf meinen Analysen. (Damian zeigt mir, bei welchen Grafiken er explizit mitgearbeitet hat). Ich habe die Idee mit Stephanie und Greg entwickelt, die auch das meiste analysiert haben. Und mit der Umsetzung war es so, dass beide in London waren und ich in L.A., also schickten wir uns das Zeug hin und her. Aber es ist wirklich schön geworden.

Ich denke, es ist ein gutes Beispiel, warum es sich lohnt, tatsächlich Alben zu kaufen und nicht lediglich Musik in Form von MP3s.

Ja, ich freue mich auch darüber. Es hat zudem echt Spaß gemacht. Fühlte sich wie ein Kunstprojekt an!

Mal abgesehen vom Albumtitel und dem Booklet, wie unterscheidet sich die Produktion von "Of The Blue Colour Of The Sky" von euren beiden vorherigen Alben?

Oh, fast in jeder Beziehung! Die Art, wie wir es geschrieben haben, war ganz anders. Weißt du, bei unseren früheren Platten fühlte es sich so an, als ob wir uns einen Song vorgestellt und ihn dann geschrieben haben. "Get Over It" war zum Beispiel eine Stadionrock-Hymne. Ich erinnere mich noch, wie ich dachte: "Wie kann es sein, dass die Welt keine Stadionrock-Hymnen hat? Wir müssen welche schreiben!"

Wir fingen etwas an und zogen es einfach durch. Und es ist nicht so, dass ich denke, wir hätten das irgendwie schlecht gemacht, aber mittlerweile, immer, wenn ich genau so was versuche ... (schaut kritisch, überlegt kurz) Als ich von der Tour unseres letzen Albums zurück kam, versuchte ich einen OK Go-Song zu schreiben. Das klang, als ob ich uns nachahmen würde! Oder als ob irgendwelche anderen Bands versuchten, so zu klingen wie wir. Es klang einfach falsch und fühlte sich auch so an. Also mussten wir einen neuen Weg finden, um Songs zu schreiben.

Wir fingen dieses Mal mit wirklich grundlegenden Elementen an, einem Drumbeat, einer Akkordfortschreitung oder nur dem Sound eines Pianos. Und dann schauten wir, was davon eine besondere Magie mitbrachte. Du hast Drumbeats, die sind wie alle anderen, und plötzlich ist da einer, der nicht mehr nur ein Drumbeat ist. Er ist Begierde oder Aufregung, Trauer oder Melancholie oder alles zusammen in einer Emotion, die man nicht mal beschreiben kann, die du aber intensiv fühlst. Das ist das Schöne an Musik: Es steckt so viel mehr im Sound der einzelnen Parts! All diese einfachen Dinge explodieren und verursachen so ein multidimensionales Gefühl. Also haben wir nach solchen Gefühlen gesucht, und sobald der Ansatz einer Stimmung auftauchte, diesen verfolgt und das Gefühl herausgearbeitet.

Interessanterweise sehe ich das Album mittlerweile als ein Spiegelbild unserer Gefühle, anstatt nur des Wissens, wie man Musik schreibt. Ich meine, wir hätten eigentlich alles Mögliche schreiben können, aber die Gefühle, die uns besonders bestimmt haben, sind augenscheinlich die, welche am deutlichsten rauskommen! Wenn man das ganze Klangspektrum durchläuft, dann sind das genau die, die uns bewegen. Und es macht mir viel mehr Spaß, die Musik anzuhören und zu spielen, denn die Songs klingen wie Musik, die ich persönlich hören möchte und von der ich nicht nur weiß, wie man sie spielt.

Ein Song sticht besonders heraus: "Before The Earth Was Round". Der Gesang ist so anders, er erinnert mich total an Daft Punk.

Ja, absolut! Ich liebe diesen einen Daft Punk-Song ... (überlegt) Vom Album "Discovery". (summt Unverständliches) Ist es das nicht?

Ich habe keine Ahnung, welchen du meinst.

Warte, ich finde den noch. (tippt auf seinem Handy rum) Sie machen diesen unglaublich traurigen Song, an den ich auf jeden Fall auch gedacht habe.

Eigentlich ist das ja nicht unbedingt euer Stil. Warum habt ihr den Song für das Album ausgewählt?

Da hast du Recht. Aber es ist einfach ein wunderschönes Lied! Besonders nach der letzten Platte wurde uns bewusst, dass wir nichts machen müssen, das andere, aber wir nicht mögen. Denn in Wirklichkeit ist es so, dass die Sachen, die wir selbst am besten finden, auch am erfolgreichsten sind. So war das mit den Videos und sogar der Songauswahl! Die Dinge, die uns am meisten bedeuteten, waren auch den Leuten am wichtigsten. Also wenn man das Lied mag, sollte man es nehmen! (spielt das Lied auf seinem Handy an) Kennst du es?

Bis jetzt nicht. Wie heißt der Song? Ist er sehr bekannt?

"Something About Us". Es ist so ein superschöner trauriger Song! Aber ich glaube, er ist nicht sonderlich bekannt. Naja, wie auch immer, daran habe ich jedenfalls viel gedacht.

Vor kurzem hast du in einem anderen Interview von einem Videodreh im Februar erzählt, der euch vier Monate Vorbereitung gekostet hat. Es sollen sogar 18 Ingenieure der NASA involviert sein! Was können wir also von euch erwarten?

Das Ganze ist eine riesige Rube Goldberg Maschine.

Was ist denn eine Rube Goldberg Maschine?

Mh, das ist die amerikanische Bezeichnung, in britischem English heißt es ... Ach Mist, ich kann mich nicht erinnern. Auf jeden Fall ist es vergleichbar mit der Reaktionskette beim Domino. Du stößt Dominos an und die werfen einen Ball um und der Ball ... du weißt schon. Wir haben dafür zwei Stockwerke in einem Lagerhaus mit einer großen Maschine drin. Ich fliege im Raum herum, wir werden alle von Farbpistolen angeschossen ... Ich glaube, es wird wirklich aufregend. Die Ingenieure haben Kameras installiert und wir video-chatten manchmal. Wir werden allerdings nur zehn Tage Zeit dafür haben, wenn wir wieder zurück sind. Ich hoffe, es reicht, um die Änderungen zu machen, die ich gerne hätte. Es wird sehr spannend!

Und wann können wir das Resultat sehen?

Meine Schätzung ist Anfang März. Das alles war sogar recht teuer. Die Leute arbeiten zwar hauptsächlich unentgeltlich, aber der Platz und die Ausstattung waren teuer. Deshalb haben wir einen Sponsor und sind mit der Veröffentlichung an dessen Terminplan gebunden. Aber ich denke, es wird Anfang März.

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