laut.de-Kritik
Als wärs ein komischer Traum von Tim Burton.
Review von Artur SchulzPure Freude? Oder pures Entsetzen? Für beide Reaktionen taugten Pur stets. "Schein & Sein" ist auf jeden Fall schon mal ein vorzüglicher und passgenauer Faust-aufs-Auge-Titel.
Wer böse sein will, könnte sich aus einzelnen Songtiteln problemlos eine Kurzkritik zusammenbasteln. Etwa so: "Der Bestmögliche Versuch" bedeutet nicht immer Gelingen, sondern driftet "Stark" in Richtung "Parkbank"-Mucke, wo eine tapfere "Lucy" "Jedesmal" hofft, Hartmut Engler und Konsorten würden endlich mal längst fällige persönliche "Hohlraumversiegelung" betreiben.
Die Starttracks "Schein Und Sein", "Ich Bin Dein Lied" und "Stark" vereinen alle altbekannten Zutaten der Pur-Historie: eingänig, harmlos, umarmungsselig. Die Ballade "Sacre-Coeur" kommt dann mit schöner Dramarturgie im Songwriting daher, während "Frei" mit spannender Beat- und Melodieführung überrascht, um im Refrain dann leider in die Niederungen der Schlager-Vorhölle abzustürzen. Überhaupt, der Versuch des harten E-Gitarrensolos bei "Geht Es Dir Gut" würde dergestalt nicht mal Carmen Nebel-Zuschauer abschrecken.
Pop- und Rockmusik wie eine Fototapete - alles irgendwie nicht richtig echt, was da vordergründig so knallig prunkt. Dazu passt das üppige Booklet-Artwork, das einmal mehr kräftig im Abenteuerland überschaubarer Phantasie wildert: Flugpioniere, niedliche Pinguine, ein Fußball-WM-Held und sogar eine Jack Sparrow-Kopie geben sich die Ehre. Als wärs ein komischer Traum von Tim Burton. Immerhin!
Ratlos macht dagegen "Leonie Tamina", dem man die reale Geschichte dahinter nicht absprechen möchte. Doch stellt sich die Frage, ob einem echten persönlichen Schicksal damit gedient ist, es in holprige Reime und Betroffenheitslyrik zu verpacken: "Nach sieben Jahren / und ein Dutzend OP's / war ihr Lachen das / was der Familie half". Hilfreich war im Falle des kranken Mädchens eine Delphin-Therapie - der Song endet folgerichtig mit fröhlichem Flippergeschnatter. Zurück bleibt peinliche Betroffenheit: Das Anliegen mag die Chance für TV-Auftritte von Beckmann bis Jauch aber sichern.
Die Songs wirken inhaltlich oft überladen bzw. geschwätzig und zelebrieren den Nährwert gutmenschlerischen TV-Abend-Talks. Pur wandern auf schmalem Grat. Denn was als Gesellschaftskritik gedacht ist, kann mitunter auch auf die eigene Arbeit umgemünzt werden: ""Nicht mal heiße Luft / die anzeigt / hier arbeitet ein Verstand / stattdessen treibt verbaler Ausstoß / uns an des Wahnsinns Rand". Hartmut Engler gibt dennoch unerschütterlich den 'Rebel without a cause'.
"Geht es dir gut / hast du noch Mut / hast du die Kraft / das auszuhalten?" Ganz so schlimm kommt es auf "Schein & Sein" nicht. Handwerklich ist das alles solide und sauber. Wirkliche Ecken und Kanten braucht man bei den Schwaben auch nicht zu erwarten. Wer sich musikalisch gern weich fallen lässt, dem garantieren Pur die sanfte Landung.
17 Kommentare
wie man diesem rotz auch nur zwei punkte geben kann ... für die hätte die skala neu definiert werden müssen. ein punkt ist schon einer zu viel. engler verwendet autotune ... als wäre "Pur" als beschimpfung noch nicht genug ...
"Scheiße und Soße" hätte als Titel viel besser gepasst!
Da haben sie lange überlegt, wie sie ihre Musik noch schlechter machen können und haben dann die Lösung Autotune gefunden. Respekt! Mission gelungen.
@Knecht: Autotune von Antares von ist eine Software in der Audioproduktion, mit der du wackelige und unsichere Stimmen "glattbügeln" kannst. In der modernen Popmusik wird das auch als Effekt überstrapaziert. Angefangen hat des mit Cher's "Believe" und den Höhepunkt erreichte es in der US-Serie "Glee".
Damit kann man jedem zu einer "geraden", wenngleich auch künstlichen Stimme verhelfen, wenn es übertrieben wird und das wird es häufig.
das wort "geschwätzig" im zusammenhang mit diesen lyrics zu bringen, war mindestens 20 jahre überfällig.
schön gesagt.
@ sky:
Was haben Dir Deine Hemden angetan?