laut.de-Kritik
Ein starker Auftritt - und viele verpasste Chancen.
Review von Dominik LippeIm Frühjahr 2019 erreichte ihn die Hiobsbotschaft. Obwohl er seit seiner Geburt 1993 in Deutschland gelebt hatte, verlangten die Behörden wegen früherer Straftaten die Ausreise von Sugar MMFK nach Angola, dem Heimatland seiner Eltern. "Das war auf jeden Fall ein großer Schock. Ich habe diesen Kulturschock in meinem Kopf durchgespielt", berichtete er später bei ARD-alpha: "Aber es war auch sehr schön zu sehen, wie viele Menschen sich trotzdem zusammengetan haben, um zum Beispiel eine Petition zu starten".
Tatsächlich reichte die Solidarität quer durch die hiesige Rap-Szene. Die öffentliche Unterstützung reichte von Max Herre und Megaloh über Timeless und Manuellsen bis Marcus Staiger. "Ich habe es geschafft, Menschen zu vereinen und das ist eigentlich die Hauptmission, die ich in meiner Musik sehe", freute sich der Bonner über den breiten Beistand. Seiner Anwältin gelang es schließlich die Abschiebung aufzuschieben - Sugar MMFK konnte sich vorübergehend wieder auf die Musik konzentrieren.
Musikalisch setzt er auf düsteren Trap, der zum Teil vor Hektik sprüht ("Bon Appétit") oder sich dank Klavierbegleitung in Melancholie verliert ("Straat", "Bonne Chance"). "Malade" ruft eine unheilvolle Atmosphäre hervor wie es auch Shadow030s Songs mitunter vermögen. Weniger innovativ erscheint die immer häufiger genutzte Kombination aus Trap-Gerüst und einer Spieluhr-Melodie. Mit "Drip Level Monsun", "Jalousie" und "Trance" arbeiten gleich drei Beiträge mit dem kindlichen Element. Beeindruckend fällt wiederum "100kmh" aus, dessen Beat er regelrecht zähmt.
Denn Sugar MMFK erweist sich als talentierter Rapper, der mit geshouteten Hooks wie in "Bon Appétit" erfolgreich die Bühnen dieses Landes anvisiert. Doch er legt auch ein Händchen für melodische Refrains an den Tag. Was auf "Bonne Chance" noch als Singsang daherkommt, mündet in "Drip Level Monsun" in feierlichem Gesang. Von nachdenklich bis dramatisch besingt er die "Jalousie" vor der Drogenküche. Und in "Kinderspiel" wagt er sich mit großer Geste in Sphären eines Rap-Opernsängers. Das hat sowohl Charme als auch einen Alleinstellungswert hierzulande.
Mit dem überzeugenden Auftreten können die Texte Sugar MMFKs leider nicht mithalten. "Hol' mir alles, was ich will. Lebe diesen Film. Mache Rockefeller-Geld", knallt er dem Hörer generische Trap-Lines in "Beton Colonie" um die Ohren. Von den "Gucci Bags" bis "Haram Para" preist er die üblichen Insignien an, die ohnehin fast jeder moderne Genrevertreter für sich in Anspruch nimmt. Die wenigen Punchlines auf "Generation Beton" bleiben schwachbrüstig: "Ich kennen keinen Rückschritt, nur beim Moonwalk". Und "Benz AMG" fällt fast provozierend platt aus.
Dass sich Rapper in schnelle Autos imaginieren, stellt beileibe keine Neuigkeit dar. Doch vor seinem speziellen Hintergrund eröffnet sich zwischen Realität und Fiktion ein Marianengraben, der bei aller Legitimität einer oberflächlichen Inszenierung einen ärgerlichen Eindruck hinterlässt. Sugar MMFK hätte etwas zu erzählen und sollte dies angesichts seiner Reichweite auch tun, aber verweigert sich lieber wie in "Drip Level Monsun" der Debatte: "Ja, ich seh' wie der Journalist im ZDF spricht – Markus Lanz, Maybrit Illner bis Anne Will. Nur verkauf' ich keine Seele für den Glanz und den Ruhm."
Wenn sich der Bonner inhaltlich minimal vorwagt, greift er wie in "Trance" prompt daneben: "Treffe mit Akhis auf Sarrazin. Shoote, ich shoote mit Projektilen." Das erinnert natürlich an den Wirbel um "Stress Ohne Grund", mit dem Bushido den Berliner Politikbetrieb juristisch bei Laune hielt. Sugar MMFK unternimmt keinen Versuch, zu verdeutlichen, ob er sich damit zwanghaft um eine Kontroverse bemüht oder ob er die heraufbeschworenen Gruselbilder aus den Büchern des SPD-Politikers in einem künstlerischen Kontext zu spiegeln versucht.
Zum Abschluss bemüht er sich in "Zidane" à la Olexesh auf "Augen Husky" tanzbar und weniger bedrohlich dem Mainstream anzubieten. So bleibt "Generation Beton" irgendwo ein Werk der verpassten Chancen. Von den im 16bars.de-Interview eingeforderten Werten bleibt im Album-Kontext nur der tausendfach gehörte Markenfetisch übrig. Und während der versierte Rapper Sugar MMFK noch immer auf seine Abschiebung wartet, flüchtet er lyrisch aus der Wirklichkeit in Trivialitäten: "Sie wollen mehr Realität. Keine Chance, keine Chance, ich bin in Trance".
3 Kommentare mit einer Antwort
rezensiert mal lieber haze, ihr kammergötzen
Zeitnah und umfassend, bitte, hm? Danke.
Richtiger Müll
der soundtrack für den abschiebeknast