13. Dezember 2017
"Leute, lacht über ISIS!"
Interview geführt von Manuel BergerMit The Darkness in einem Raum zu sitzen ist ein bisschen, als hätte sich gerade Rockmusik in all ihren verschiedenen Facetten vor dir materialisiert: Da gestikuliert links der Glam atmende Justin Hawkins, schräg gegenüber lümmelt Bruder Dan im Trainingsanzug. Frankie Poullain mimt im Pelzmantel (vermutlich Kunstfell) und Intellektuellenauftritt die Extravaganz und Jungspund Rufus Tiger Taylor ist nun einmal blutsverwandt mit Queen...
Am Vorabend spielten The Darkness noch eine umjubelte Show im Columbia Theater, heute finden sie sich im Berliner Gibson-Headquarter für Interviews ein. Das heißt: 50 Prozent von The Darkness tun das. Während Rufus Taylor und Frankie Poullain schon hereinschneien, sitzen die Hawkins-Brüder noch irgendwo zwischen Potsdam und der Hauptstadt im Taxi. Macht nichts, dann unterhält man sich eben noch eine Weile über die Schwerhörigkeit von Rufus' Vater, Queen-Drummer Roger Taylor. Der Sohnemann lernt daraus übrigens nichts, sondern gibt zu Protokoll, dass er auf die Bühne nie Ohrenschutz trägt.
Nachdem Frankie zuversichtlich verkündet, Deutschland werde auch 2018 wieder Fußball-Weltmeister werden, bekommt er eine SMS von Justin. "Oh, sieh dich vor. Er ist angepisst. Sag ihm bloß nicht, dass du unser Album nur mit 3 von 5 Sternen bewertet hast. Auf sowas reagiert er bisweilen echt empfindlich." Fünf Minuten später steht der Gefürchtete gemeinsam mit Bruder Dan im Raum und bestätigt seine miese Laune. Die hindert ihn allerdings nicht daran, im anschließenden Gespräch allerlei Schabernack zu treiben, aufgedreht die Erdnussschale zu plündern und später ein Akustikcover von George Michaels "Faith" anzustimmen...
Frankie: Justin, warum bist du angepisst?
Justin: Ach, keine Ahnung. Einfach schlechte Laune. Es liegt wahrscheinlich am Day-Off.
Rufus: Sag mal, nimmst du schon auf?
Ja, inzwischen schon.
Rufus: Scheiße, wie lange schon?
Dan: Ich hoffe, du hast nichts Dummes gesagt.
Frankie: Keine Sorge, ich war doch dabei. Wir sind die letzte halbe Stunde komplett ohne Sexismus und Rassismus ausgekommen. That's America!
Justin, du meintest eben, du würdest jetzt viel lieber shoppen gehen. Wo denn?
Justin: Darklands! Du kannst da zwar auch online bestellen, hab ich auch schon gemacht. Sie verkaufen weirde Klamotten. Sehr berlinerisch. Ich hatte echt gehofft, dort vielleicht vorbeischauen zu können.
Dan: Aber wir waren ja draußen in Potsdam untergebracht. Schön dort, aber der Weg hier rein ist echt anstrengend.
Bald seid ihr ja wieder in England. Und man munkelt, Ed Sheeran würde Taylor Swift zu eurem Gig in London mitschleppen. Falls er das wirklich tut, würdet ihr die beiden auf die Bühne einladen?
Dan: Ja, warum nicht?
Rufus: "Come on, come all", pflegen wir zu sagen.
Frankie: Aber wir müssten das so aufziehen, dass wir dabei auch gut aussehen ...
Dan: Oh kommt schon, Leute, die knackige Antwort ist: "Ja."
Justin: Jawohl: Kauft euch ein Ticket und seid gespannt, was passiert! Ihr mögt The Darkness nicht wirklich, aber liebt Ed Sheeran? Schaut euch unsere Show in Hammersmith an, ihr könntet überrascht werden.
Reden wir über die Show gestern. Ihr habt letztes Jahr schon ein Konzert im selben Venue gespielt. Welche lief besser?
Justin: Letztes Mal gings in den Frühling, diesmal in den Winter. Ich glaube gestern war für uns besser, weil alles etwas frischer war. Die aktuelle Tour geht noch nicht so lang, beim letzten Mal waren wir schon eine ganze Weile unterwegs gewesen.
Rufus: Du meintest gerade noch zu mir, dass es eine der besten Shows des Jahres hier in Berlin war, nicht?
Definitiv eine der lautesten.
Frankie: Oh echt? Für uns wars die leiseste der ganzen Tour, glaube ich. Das heißt wohl, wir sind einfach verdammt gut, Leute! Und bescheiden auch.
Justin: Wenn wir einen Makel haben – und das ist ein großes 'wenn'! – ist es Bescheidenheit.
Frankie: Das stimmt.
Justin: Um noch mal zu vorhin zurückzukommen: Es war auch eine bessere Show, weil wir einfach besser aussehen. Die Kostüme sitzen viel besser. Und das neue Material ist besser.
Apropos: Bruce Dickinson sagte kürzlich, man braucht neues Material, um auf Tour zu gehen, sonst wäre es nur Geldmacherei. Stimmt ihr dem zu?
Justin: Auf dem Level, auf dem Iron Maiden spielen, ist es auf jeden Fall Geldmacherei. Wir verdienen doch eh nichts, haha.
Dan: Naja wobei in Albumverkäufen halt einfach kein Geldgewinn mehr steckt. Es sei denn du setzt eine Million Platten ab.
Justin: Oder 750 Millionen Streams. Halt: Milliarden waren das oder?
Dan: Aber darum geht es uns nicht. Wir machen Alben, weil wir sie machen wollen und eine Rockband sind. Die Hälfte des Jobs ist Studio, die andere Hälfte Liveshows.
Justin: Das Internet und all diese verdammten Fotzen, die die Musikindustrie verdorben haben, haben das, was wir tun, zu einem "Dienst" reduziert. Wir unterscheiden uns kein bisschen von einem Typen, der im Zug den Müll einsammelt. Aber wir lieben, es zu tun. Wir lieben den Typen, der gerne Zugführer wäre, aber im Moment muss er sich mit Müllsammeln zufrieden geben. Das ist, was wir musikalisch machen. Es ist einträgliche Arbeit, aber nicht lukrativ.
Frankie: Und wir drehen den Leuten kein billiges, schäbiges Produkte an.
(Dan bricht in schallendes Gelächter aus, weil Justin irritiert zu Frankie blickt)
Justin (zu Frankie): Dude, es ist eigentlich total egal, was ich gerade gesagt habe. Du untergräbt jeden Satz mit deinem Fellmantel. Ich hatte leider vergessen, was du anhast. (Frankie trägt einen teuer aussehenden Mantel mit dickem Fellkragen, in den er tiefenentspannt Erdnussschalen bröselt.)
Frankie (fährt ungerührt fort): Ich habe mich eben im Taxi noch mit Rufus über das heutige Kaufverhalten der Leute unterhalten. Der erste Haufen eines Produkts wird immer gut gefertigt, damit es gut in den Tests und Kritiken abschneidet. Danach gibts nur noch halbgare Versionen, die irgendwo in Taiwan fabriziert werden. Aber trotz allem Wandel in der Musikindustrie, den Budget-Cuts und so weiter, investieren wir weiterhin Geld in ein Album. Wir legen Wert auf dieses Produkt. Wir nehmen uns zwei Jahre Zeit, das Ding zu schreiben. Wir sind eins der letzten Dinge, auf die du dich verlassen kannst. Ironisch, was? Eine Glamrock-Band als letzte Qualitätsinstanz ... Ich schätze das widerspricht Justins Statement über Bescheidenheit von vorhin, aber was solls.
Ein Album zu machen ist für euch also nicht nur eine Notwendigkeit, um auf Tour gehen zu können.
Dan: Nein, gar nicht. Wir kommen aus einer kleinen Stadt namens Lowestoft, die weit entfernt von Städten liegt, in denen in den späten 80ern und frühen 90ern die Bands spielten, die wir hörten: Aerosmith, AC/DC, Led Zeppelin, Queen. Sie kamen höchstens mal nach Norwich, aber nicht einmal dorthin hatten wir es damals mit elf, zwölf Jahren schon geschafft. Es lief also darauf hinaus, die Studioalben der Bands zu hören, die wir liebten.
Justin: Allerdings muss man auch sagen, es wäre nicht unbedingt notwendig. Viele Leute, kommen tatsächlich zu unseren Shows, die nur das erste Album kennen. Sie kennen nur das alte Zeug, gucken sich uns aber trotzdem an. Das sind vor allem flüchtige Erscheinungen. Sie tauchen eben nicht jedes Mal auf, wenn wir eine Show in Berlin spielen. Vielleicht haben sie sich das Konzert vor einem Jahr gegeben, aber das gestern eben nicht mehr. Ob wir ein neues Album draußen haben oder nicht, ist in solchen Fällen tatsächlich egal. Dabei läuft es nicht nach dem Motto: "Oh, The Darkness sind in der Stadt – nichts wie hin!", sondern umgekehrt: Sie suchen einfach eine Beschäftigung für den Abend.
Frankie: Gewissermaßen sind wir nur ein mobiler Marktstand, wo du T-Shirts und CDs kaufen kannst und nebenher läuft ein bisschen Musik.
In eurer Musik schwingt ja immer dieser Classic Rock-Vibe mit. Gilt das auch für eure Herangehensweise an ein Album?
Justin: Klar, wir überlegen uns, wie die Songsammlung sich in bestimmter Reihenfolge anfühlt. Das klingt offensichtlich, aber in unseren Anfangstagen wurden wir mal ermutigt, ein 18-Song-Album aufzunehmen – eine CD voller Filler, ohne richtige Ordnung. "Packt einfach den besten Track nach vorn, die Leute skippen sowieso, spielt also keine Rolle, wohin es geht." So denken manche Leute. Das entspricht ganz und gar nicht unserer Philosophie. Auf Vinyl hast du zwei Seiten – da ergibt eine Reihenfolge doch Sinn oder nicht? Auf der ersten Seite begibst du dich auf eine Reise, dann drehst du die Platte um, und es sollte sich wieder so ein Gefühl einstellen. Vielleicht ist das eine altmodische Denkweise, aber es ist uns wichtig.
"Wir sind evolutionäre Marxisten"
Auf dem Album steht mit "Solid Gold" ein Song, in dem ihr über das Musikbusiness herzieht. Besonders Sony kriegt sein Fett weg, indem du sogar explizit den Markennamen im Text nennst. Gibts dazu eigentlich eine Geschichte oder steht Sony nur da, weil es sich – blöd gesagt – am besten reimt?
Justin: Naja, an der Stelle im Song, an der das Wort fällt, reimt sich ja gar nichts. Es musste nur zwei Silben haben. Warner hätte es genauso sein können. Aber die Story, die wir erzählen, basiert tatsächlich auf einer wahren Begegnung mit einer Person von Sony.
Kannst du ins Detail gehen?
Justin: Ja, das war ein A&R-Mann, der wirklich enthusiastisch feierte, was wir früher gemacht hatten. Er durfte uns damals aber nicht signen. Damals arbeitete er noch für ein anderes großes Label, war aber nur ein Scout. Später, als er dann zum Senior Executive bei einer Sony-Division aufgestiegen war, kam er wieder – und das gleiche passierte, haha. Ich glaube, er hat sein Interesse tatsächlich zurückgezogen, nachdem er den Song gehört hat. Manche Leute sind echt empfindlich. Weißt du: Von uns Künstlern wird immer erwartet, Nashornhaut aufzubauen. Aber diese Typen haben keine! Wo ist da die Gleichberechtigung?
Dann ist da noch ein anderer Song mit realem Vorbild: "Southern Trains". Hasst ihr Southern (britische Bahnbetriebsgesellschaft; Anm. d. Red.) oder den Brexit mehr?
Justin: Sagen wir so: Der Grund für das Southern Trains-Debakel ist nicht Rassismus und Dummheit, sondern schlicht Inkompentenz. Es ist gewissermaßen ein "unschuldiges Übel", also eher zweitklassig.
Frankie: Niemand übernimmt dafür Verantwortung. Es wird inzwischen einfach als die Norm angesehen. So sind die Dinge eben.
Dan: Nach dem Brexit werden alle Zuggesellschaften so sein.
Justin: Wir sollten einfach alle Züge loswerden.
Frankie: Meiner Meinung nach sollte die Bahn verstaatlicht werden. Mit der heutigen Technik könnte das super funktionieren.
Dan: Ich fahre echt gern Zug. Ich würde super gern eine Tour per Zug absolvieren.
Rufus: Sie haben doch kürzlich eine neue, superschnelle Magnettechnik entwickelt. In Japan oder so.
Worauf ich hinaus wollte: Ihr seid eben eher die Band, die über Southern Trains als über den Brexit schreibt...
Dan: Willst du damit sagen, wir sind kleingeistig?
Rufus: Pass auf, Mann!
Nein, nein, gar nicht! Ich würde Musik generell in zwei Kategorien einteilen. Manche möchten mit ihrem Schaffen "ernste" Dinge ansprechen, andere stellen die Musik an sich und Unterhaltung in den Vordergrund. Das ist doch vollkommen legitim.
Dan: Wir haben uns nie besonders dafür interessiert, politische oder gesellschaftliche Kommentare mit unserer Musik abzugeben. "Southern Trains" ist das erste Stück, das überhaupt in diese Richtung geht.
Justin: Wir dürfen in diesen Bereich gehen, wenn es eine Erfahrung aus erster Hand ist.
Dan: Genau. Uns hat das einfach angepisst.
Rufus: Wir meinen das auch echt ernst! We do fuckin' hate Southern Trains!
Frankie: Wir sind in Wahrheit alle revolutionäre Marxisten, reden aber einfach nur nicht gern drüber. Das hat was mit Vernunft zu tun.
Justin: Wir sind evolutionäre Marxisten!
Warum habt ihr euch für die eine und nicht die andere Art Musik zu machen entschieden? Beziehungsweise: Gab es überhaupt eine Entscheidung?
Rufus: Ich kann zwar nicht wirklich für die Band sprechen, aber ich würde einfach sagen: Mehr Spaß.
Frankie: Ich finde es steckt auch eine Menge Wahrheit in dem Ausspruch: "Wenn du dich um die kleinen Dinge kümmerst, regeln sich die großen von ganz allein."
Justin: Gesprochen wie ein wahrer Schotte!
Frankie: Ich meine das total ernst. Die Leute sollten sich um die lokalen Angelegenheiten kümmern. Würden das alle so machen, wäre alles gut. Diese Verallgemeinerung und Marxismus ist einfach nur jede Menge verschwendete Wut. Es fängt mit den kleinen Gruppen an. Und zugegeben: Gewalt funktioniert tatsächlich. Aber riesige Studentengruppen, die rumlaufen und jammern, bewirken gar nichts.
Es ist ja auch nicht alles Humor in eurer Musik. Der ist an der Oberfläche, klar, aber darunter verbirgt sich ab und zu ein ernsterer Kern. Ist das eure Art, Dinge anzusprechen?
Justin: Kann man so sagen, schätze ich.
Frankie: Lachen kann eine starke Waffe sein. Deswegen finde ich auch Justins Lyrics stark. Wenn du wütend auf jemanden wirst, hast du eigentlich schon verloren. Die Leute sollten zum Beispiel über ISIS lachen. Lacht drüber, das hat so viel mehr Macht!
Justin: Wobei ich klarstellen möchte: Wir streben nicht danach, Dinge explizit zu ändern. Wir schrieben einen Song über Southern Trains einfach deshalb, weil es uns angekotzt hat. Das lief zugegebenermaßen recht gut für uns. Das Album kam raus, neun Monate, nachdem wir den Song geschrieben haben – und die Situation ist immer noch fucked up, haha! Wenn es um Wandel geht, ist es gut, den Albumzyklus im Auge zu behalten. Denn guck mal: Auch am Ende der Tour werden sie das Problem noch nicht gelöst haben und wir werden deswegen immer noch Working Class Heros sein, hehehe. Das spielt uns in die Karten. Aber sobald du einen Standpunkt vertrittst, wird es immer Leute geben, die dir widersprechen.
Dan: Es schwingt auch immer ein Element – bei einer terroristischen Hinrichtung zum Beispiel – mit, das...
Justin: Oh, komm schon. Vom Terror halten wir uns jetzt mal fern, okay?
Dan: Nur, weil du gerade einen massiven Furz gelassen hast.
Justin: Das war der Wind.
Dan: Klar.
Justin: Übrigens: Diese Erdnüsse hier sind vorzüglich! (alle greifen in die Schale)
Okay, wenn wir jetzt eh schon im Thema sind, hätte ich gern noch ein weiterführendes Statement zu einem – nicht ganz ernst gemeinsten – Satz, den du im Pressetext loslässt, Justin: "Wir sind die letzte Bastion kultureller Sensibilität."
Frankie: Das hast du gesagt?
Justin: Hähähä.
Dan: Ach du scheiße...
Nehmen wir die allgemeine Route: Was haltet ihr von aktueller Musikkultur?
Rufus: Die Leute kaufen keine Alben mehr. Die Kids wissen gar nicht, was es bedeutet, in einen Plattenladen zu gehen, sich selbst Vinyl zu kaufen und sich den ganzen Kram anzugucken. So findest du wieder anderen Kram. Es eröffnet eine ganze Welt neuer Dinge. Dann gehst du nach Hause und packst deinen Erwerb aus und erkundest ihn. Dieser ganze Prozess ist weg. Das ist eine Schande. Heute gehts nur um Charts. Die Kids drücken auf Stream oder Download auf dem iPad ihrer Eltern. Es ist so fucking bedeutungslos.
Justin: Ich sage immer: Du könntest ins Koma fallen und kurz vorher noch Spotify anmachen und ein Sam Smith-Album auf Repeat schalten. Jahre später, wenn du wieder aufwachst ist es Nummer 1! So läufts doch im Prinzip. Das ist doch fucked up oder? Ab 30 Sekunden Laufzeit gilt ein Song als abgespielt. 150 Plays zählen als ein Verkauf. Wir machen Musik, die Leute tatsächlich kaufen und millionenfach anhören – davon kriegen wir auch nur einen Verkauf. Richtige Musik wird aus den Charts verdrängt – von Komatösen! Ich wünsche euch alles gute beim Erholungsprozess, aber bitte schaltet fucking Spotify aus! Jetzt! Engagiert von mir aus jemanden, der das für euch übernimmt. In Krankenhäusern sollte man Schilder aufstellen: "Do not resuscitate – switch off Spotify!"
Dan: Spotify ist damit offiziell vom Tisch für die nächste Kampagne.
Justin: Ich liebe euch trotzdem! Großartige Arbeit! Ich meine ja eigentlich gar nicht Spotify. Ich meine Spotify, Apple Music, Google Play, Tidal...
Dan: Es ist ja nicht nur die Musikindustrie schuld. Das ist die Zukunft, das ist die Technologie, es ist halt einfach bequem. Stell dir vor, du hast drei Kinder mit unterschiedlichem Musikgeschmack. Warum sollten sie zwei Wochen lang Autos putzen, um sich eine EP leisten zu können, wenn sie doch wissen, dass sie einfach auf YouTube gehen können und sich das anhören können, was sie wollen?
Justin: Bedenke mal, wie es war als wir aufwuchsen. Wir wertschätzten die Musik.
Dan: Ja, weil es diese Bequemlichkeit nicht gab.
Justin: Wir haben uns im Jahr zwei Alben gekauft, als wir mal Geld hatten oder sich ein Versicherungsding unserer Oma ausgezahlt hat. Zwei Alben – Huey Lewis & The News' "Fore!" und Europes "The Final Countdown". Nach sechs Monaten haben wir getauscht. Und sieh an: Wir wurden Musiker! Weil wir jede Note dieser Alben wertgeschätzt haben. Ich glaube, den Kids heute fehlt dieses Verständnis, das wir damals hatten. Sonntags, wenn die Top 40 im Radio gespielt werden hocktest du dich mit deinem Tape-Recorder hin und freutest dich jedesmal, wenn endlich dein Song kam. Und dann sprach der DJ am Ende drüber, dieses Arschloch! Das war besonders! Es bedeutete etwas. Heute ist es nicht mehr besonders und es bedeutet auch nichts mehr.
Frankie: Wenn es zu viel zur Auswahl gibt, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, eine falsche Entscheidung zu treffen.
Justin: Die Katze beißt sich am Long Tail in den Schwanz. Die Idee des Internets war, den Long Tail zu verändern, es einfacher für kleine Bands zu machen. Aber das hat nicht funktioniert. Die Schere ging noch weiter auseinander. Eine einzige Band macht den Reibach und noch viel, viel mehr kleine Bands hängen hinten dran und kriegen nichts davon ab.
"Vier Spermien auf dem Weg zum Rock-Ei"
Seit einigen Jahren ist eine Dokumentation über euch in Arbeit. Was ist denn der aktuelle Stand?
Frankie: Einer von uns muss sterben.
Für die große Knüllerstory?
Justin: Höhö, das wäre ein wahr gewordener Traum.
Dan: Haha, sie warten einfach bis was passiert, bevor das Ding erscheint. Nee, inzwischen haben sie tatsächlich so viel Material angehäuft, dass sie nicht mehr anders konnten, als mit dem Schnitt zu beginnen. Ob schon ein Ende in Sicht ist, weiß ich nicht, aber zumindest sind sie dabei, zu sondieren, was sie alles schon haben und ob sie vielleicht noch etwas brauchen.
Also ist der wesentliche Film-Prozess inzwischen abgeschlossen?
Dan: Nee, der läuft auch immer noch.
Frankie: 'Kampf' ist das deutsche Wort für 'struggle' oder? Vielleicht sollten wir es so nennen: "My Struggle"...
Dan: "Our Struggle" ist besser. Ich bin echt gespannt, das Ding zu sehen. Ich will damit auch warten, bis es komplett fertig ist. Es bringt ja nichts, sich so 10-Sekunden-Ausschnitte anzusehen. Ich möchte nicht, dass wir es zu stark formen. Am Ende würde es dadurch noch zu einer großen PR-Übung. Das soll es wirklich nicht werden, sondern eher eine Human-Interest-Story.
Also kontrolliert ihr gar nicht, worauf der Fokus liegen wird?
Frankie: Nein, überhaupt nicht.
Dan: Wenn wir es wirklich total hassen, könnten wir es wahrscheinlich verschwinden lassen. Aber wenn wir das ganze echte Zeug nicht drin haben wollen, was war dann der Sinn davon, die Kameras ständig um uns herum zu haben? Wir werden sehen.
Inzwischen seid ihr ja fast so lange wieder vereint wie die erste Periode der Band andauerte. Wie fühlt sich das an?
Dan: Lang.
Jetzt fühlt sich länger an als damals?
Dan: Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr wirklich daran erinnern, wie es war, als die Band nicht zusammen war. Es vermengt sich für mich alles zu einem großen Ganzen. Heute sind wir so stark zusammen. Vor ein paar Jahren war die Straße noch sehr holprig. Dauernd ging irgendetwas schief, das Management wechselte oder sonst irgendwas passierte. Heute passt alles wunderbar.
Frankie: Ja. Wir haben ein gutes Management, ein gutes Label...
Dan: Wir hatten eine Menge Turbulenzen, aber jetzt sind wir flugtauglich.
Frankie: Und es gab Turbulenzen in beiden Perioden.
Rufus: Ich habe auch einige Geschichten über diese Turbulenzen gehört, kann aber seit ich in der Band bin, keine dazu beitragen. Es fühlt sich an wie eine gut geölte Maschine.
Frankie: Witzig ist: Die ersten Bandjahre fühlten sich gewissermaßen an wie jetzt die letzten – was die Frische, den Hunger, den Spirit und die Positivität angeht. Wir bewegen uns im Kreis. Am Anfang schwammen wir in dieselbe gute Richtung wie jetzt.
Dan: Vier Spermien auf dem Weg zum großen Rock-Ei.
Im Dezember werdet ihr in einem Special der "Pointless"-Quizshow zu sehen sein. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet?
Justin: Wir haben unsere Hausaufgaben in Geschichte gemacht, haben unser Kulturwissen aufgefrischt. Du brauchst da wirklich ein breites Allgemeinwissen.
Dan: Hust... Wir waren auf YouTube ... unterwegs im Auto. Wir hatten keinen Plan, was diese Show überhaupt ist.
Justin: Auf dem Weg zum Studio habe ich den Fahrer gefragt, worum es eigentlich geht. "Du musst Antworten wissen, die sonst keiner weiß. Wie 'Fake Or Fortune', nur umgekehrt." Ah okay, cool... Wir sind da reingegangen und habens absolut gekillt. Wir haben mehr Punkte eingesackt als alle anderen. Nach der ersten Runde baten sie uns zu gehen, damit die anderen auch eine Chance haben.
Noch eine Frage für dich, Rufus: Ist es besser, mit Queen oder mit The Darkness auf der Bühne zu stehen?
Rufus: Oh, das sind zwei komplett verschiedene Angelegenheiten. Bei Queen bin ich nur eine kleine Ameise. Das hier fühlt sich an, als wäre es zum Teil auch meins. The Darkness ist also immer Nummer 1!
Justin: Jedenfalls bis ich Adam Lamberts Job übernehme.
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