laut.de-Biographie
The Prodigy
Was nach der Veröffentlichung der Debütsingle "What Evil Lurks" im Februar 1991 noch lange nicht abzusehen ist, kommt plötzlich schneller als erwartet: Die Band um Mastermind Liam Howlett wird dank "Charly", der zweiten Single, urplötzlich zum Hitparadenstürmer. Eingängige Melodien (inspirieren lässt sich Howlett von der britischen Underground-Szene um Joey Beltram und Meat Beat Manifesto), kombiniert mit hoch gepitchten Hip Hop-Beats: So einfach ist das Soundrezept von The Prodigy.
In den 80er Jahren macht sich der Londoner zunächst als Hip Hop-DJ, unter anderem mit der Rap-Gruppe Cut To Kill, einen Namen, bevor er mit Acid House die Rave-Szene erobert. In den 90ern setzt er verstärkt auf Breakbeats und Gitarren, wie 1994 das zweite Album "Music For The Jilted Generation" zeigt. Dass Howlett, der auch Remixe für Front 242, Jesus Jones und Art Of Noise anfertigt, seine Mixing-Skills nicht verloren hat, beweisen Ende des Jahrzehnts seine "The Dirtchamber Sessions", auf denen er seine musikalischen Wurzeln aus dem Plattenkoffer zaubert.
Der Prodigy-Höhenflug hat einen konkreten Namen: "Out Of Space". Mit diesem Song, dessen Refrain der alten Lee Scratch Perry/Max Romeo-Nummer "Chase The Devil" entliehen ist, bricht die Prodigy-Welle Ende 1992 mit aller Gewalt los. Auf dem dazugehörigen Album "The Prodigy Experience" nimmt die Band vorweg, was später unter dem Namen Big Beat Furore machen sollte.
Mit den kommenden zwei Alben erreichen The Prodigy ihren künstlerischen Zenit. "Music For The Jilted Generation" enthält die Übertracks "Voodoo People" und "Poison", die fette Breakbeats und schneidende Gitarrenriffs kombinieren. 1997 darf die Band dann bereits jedes Giganto-Open-Air neben alteingesessenen Rockbands headlinen. Verantwortlich dafür sind die Chartsstürmer "Breathe" und "Firestarter" vom Kassenschlager "The Fat Of The Land". In kürzester Zeit sind die vier Bandmitglieder plötzlich Millionäre. Das Album wird in Großbritannien zur meistverkauften Platte überhaupt und steht in 22 Ländern auf Platz eins der Charts.
Der Skandal um das Video zu "Smack My Bitch Up", das MTV nur nachts abspielt, schadet dem Marktwert der Band selbstverständlich auch nicht. Der Clip beschäftigt sogar das englische Parlament. Auf den Tanzflächen der Clubs sind Prodigy längst der gemeinsame Nenner von Rockfans und Ravern. Da kann man es sich leisten, Kollaborationsangebote von David Bowie, U2 und Madonna abzulehnen. Pikanterweise erscheint das Album in den USA bei Madonnas Maverick-Label.
Musikalisch gesehen besteht die 1990 gegründete Band eigentlich nur aus Liam Howlett. Die restlichen Mitglieder kümmern sich in erster Linie um Tanz- und Gesangseinlagen. Und doch sind Keeti Palmer aka Maxim Reality, Leeroy Thornhill und besonders der gepiercte und stets bunt frisierte Keith 'Firestarter' Flint untrennbar mit dem Gesamtphänomen Prodigy verbunden, beruht ein Großteil des Erfolgs doch auf den energiegeladenen Live-Performances.
Die '97er-Tour führt das Quartett in 18 Monaten durch mehr als fünfzig Länder. Auf dem Roten Platz in Moskau begeistern die dreckigen Grooves der Elektro-Hopper mit Punk-Attitüde 250.000 Fans. Die weltumspannende Hysterie hinterlässt ihre Spuren. Zum einen verlässt im April 2000 Leeroy Thornhill die Band, zum anderen verlangsamt sich das Veröffentlichungstempo der Wild Boys spürbar.
Beinahe im Guns N' Roses-Stil kündigen The Prodigy ein neues Album an, das regelmäßig verschoben wird. Was der Fan stattdessen immer wieder bekommt, sind Soloalben der Mitglieder. Einziges Lebenszeichen der Band bleibt 2002 die Single "Baby's Got A Temper".
Auf dem 2004er Album "Always Outnumbered, Never Outgunned" wird Sänger Flint zwar gelistet, hinterm Mikrofon stehen aber andere, zum Beispiel Liam Gallagher und Juliette Lewis. Auf "Invaders Must Die" finden 2009 Howlett, Flint und Maxim wieder zusammen, als Gast-Stars agieren unter anderem James Rushent von Does It Offend You, Yeah? und Dave Grohl am Schlagzeug.
Revolutionen sind in der Regel eben schwer zu wiederholen. Was Howlett und Kollegen nicht am Versuch hindert, die alte Wut ihrer Jugend im Vier-bis-Fünf-Jahres-Turnus in Albumform ("The Day Is My Enemy", "No Tourists") zu gießen. In Erinnerung bleibt die Truppe trotz solcher vereinzelter Neuaufnahmen für ihre Leistungen in den 90er Jahren.
Am 4. März 2019 stirbt mit Keith Flint das Aushängeschild der Gruppe. Beamte finden den Sänger am Morgen tot in seinem Haus in Dunmow, Essex. Kurz darauf wird bekannt, dass sich Flint das Leben nahm. Der plötzliche Tod des nur 49 Jahre alten Musikers schockiert die Musikwelt und spiegelt sich in zahlreichen Nachrufen wider.
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