12. September 2025

"Rock feiert ein cooles Revival"

Interview geführt von

Drei Jahre nach ihrem letzten Album "Rise" melden sich The Rasmus heute mit "Weirdo" zurück - in neuem Line-up, mit mehr Gitarren und endlich wieder guten Vibes.

Man mag es kaum glauben, aber "In The Shadows", der Über-Hit der finnischen Alternative-Rocker The Rasmus, hat nun schon fast ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel. Im Sommer 2003 waren Krähenfedernträger Lauri Ylönen und seine Kumpanen mindestens genauso hip und hot wie Branchen-Buddy Ville Valo. 22 Jahre später sind HIM im Gegensatz zu The Rasmus schon lange Geschichte.

Mit ihrem seit heute erhältlichen Album "Weirdo" machen sich die Finnen erneut stark für das Recht auf Anderssein. Soll doch jeder so sein wie er will, so die Botschaft der Band. Traurig genug, dass man sich für so etwas im Jahr 2025 noch stark machen muss. Aber leider sind all die Dumpfbacken noch nicht verschwunden, die der Meinung sind, dass Vielfalt eine Krankheit sei.

Lauri, euer neues Album trägt den Titel "Weirdo". In deinem Leben spielt Anderssein eine große Rolle. Hat sich in Bezug auf dieses Thema in den vergangenen zwanzig Jahren Grundlegendes verändert?

Absolut. Aber das hat weniger mit der Gesellschaft, sondern in erster Linie mit mir selbst zu tun. Ich bin heute ein ganz anderer Mensch mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein. Ich bin gereift. Ich habe viele Jahre hinter mir, in denen ich Erfahrungen sammeln konnte. Heute prallt alles an mir ab, was mich vor 20 oder 25 Jahren noch verunsichert und verletzt hat.

Was war damals das Schlimmste?

Der stetige Kampf zwischen Bedürfnissen und Erwartungen. Ich habe mich schon immer gerne gestylt. Ich trug gerne außergewöhnliche Klamotten. Und ich laufe auch heute gerne mal mit bunten Haaren oder ein paar Federn auf dem Kopf durch die Gegend. Man ist aber mit 16 noch sehr unsicher und leicht aus der Bahn zu werfen, wenn man ständig angeglotzt und vorverurteilt wird. Die Leute haben komische Sachen hinter mir hergerufen. Das hat mich schon richtig verletzt.

Wer oder was hat dir in dieser Zeit Halt gegeben?

Natürlich war die Musik immer ein Anker für mich. Ich habe damals Nirvana und die Chili Peppers gehört. Es gab nicht viele in meinem Alter, die ähnlich tickten. Das Coole war aber, dass wir uns durch unser Erscheinungsbild irgendwie angezogen haben. Das war wie so eine Einladung: Hey, du bist auch ein Freak? Dann schau mich an, mir geht's genauso! (lacht) So kam man irgendwie zusammen. Es hat sich eine Gruppe gebildet, aus der später dann auch die Band entstanden ist.

"Desmond Child ist eine Ikone"

Es gibt Länder, in denen es für Leute, die vielleicht ein bisschen anders sind, immer schwieriger wird, Amerika etwa. Du hast lange dort gelebt und ihr kommt auch gerade von einer US-Tour mit The Funeral Portrait. Wie würdest du die aktuelle Situation beurteilen?

Ich habe die letzten elf Jahre in Amerika gelebt. Ich habe beide Staatsbürgerschaften. Und ja, es ist ein Desaster. Amerika hat definitiv schon wesentlich bessere Zeiten erlebt. Viele junge Leute in Amerika schämen sich für die Zustände. Das ist wirklich traurig. Ich meine, ich konnte zurück nach Finnland, als mir alles zu viel wurde. Den jungen Amerikanern bleiben nur die Kunst, die Musik und die Barrikaden.

Du bist also quasi geflüchtet?

Die Entwicklung hat schon auch zur Entscheidungsfindung beigetragen. Aber ich wäre wohl auch so zurück nach Finnland gegangen. Das hat in erster Linie familiäre Gründe. Meine Eltern sind schon sehr alt. Ich will einfach in ihrer Nähe sein. Und ich habe auch einen siebenjährigen Sohn, der in Finnland bei seiner Mutter wohnt. Da hat mir die Nähe schon sehr gefehlt.

Musikalisch begegnet ihr der gesellschaftlichen Intoleranz wieder mit mehr Gitarren im Gepäck. War das so geplant?

Ja, auf jeden Fall. Ich wollte wieder mehr Gitarren und vor allem auch fettere Gitarrenparts mit dabei haben. Das war mir schon irgendwie wichtig. Dafür haben wir tolle Leute mit im Studio gehabt, die diesbezüglich richtig was auf dem Kasten haben. Und es ist ja auch so, dass Rockmusik gerade ein cooles Revival feiert, anders noch als vor zehn Jahren. Wir haben jetzt Bands wie Sleep Token und Ghost, die in Amerika die Charts auf den Kopf stellen. Dann feiern Bands aus den 2000ern wieder große Erfolge. My Chemical Romance sind zurück! Es passiert gerade viel Spannendes im Rockbereich.

Kult-Produzent Desmond Child (Kiss, Bon Jovi) stand euch produktionstechnisch zur Seite. Was bringt so ein erfahrener Mann mit ins Spiel?

Desmond Child ist einfach eine Ikone. Ich bin mit seinen großen Erfolgen in den Achtzigern und Neunzigern aufgewachsen. Desmond hat bei "Poison" von Alice Cooper und bei "I Was Made For Lovin You" von Kiss mitgeschrieben. Das sind Songs für die Ewigkeit. So einer weiß genau, wie das große Ganze funktioniert. Ich kann mich noch gut erinnern, als mich Desmond das erste Mal via Mail kontaktierte und mir schrieb, dass er meine Band cool findet. Das war ein Schock für mich! (lacht)

Seitdem sind wir regelmäßig zusammen und arbeiten an Ideen. Wir treffen uns jeden Sommer auf einer kleinen Insel in Griechenland und schreiben gemeinsam Songs. Das ist ein großartiges und sehr inspirierendes Ritual. Aktuell arbeitet er mit Barbra Streisand zusammen. Ich meine, das muss man sich mal vorstellen. Wir sind Peanuts dagegen. Aber Desmond liebt uns einfach.

"Features gibt es im Rock viel zu selten"

Es gibt auch diesmal wieder Album-Features: Niko Vilhelm von Blind Channel und Lee Jennings von The Funeral Portrait.

Niko kennen wir schon ganz lange. In Finnland kennen wir uns eigentlich alle ziemlich gut. Das hat sich einfach angeboten. Und Lee ist ein neuer Freund der Band. Wir waren ja mit The Funeral Portrait in Amerika auf Tour und werden auch die kommenden Europa-Dates zusammen spielen. Lee ist einfach ein cooler Typ, der ähnlich tickt wie wir. Ich mag diese Feature-Sachen einfach. Das ist immer ein toller Austausch. Im Rockbereich gibt es das noch viel zu selten. Ich finde das bei den Rappern immer ziemlich cool. Das macht das Ganze noch spannender und interessanter.

Welche Kollaboration hat dich bis zum heutigen Tage am meisten beeindruckt?

Oh, ich fand die Zusammenarbeit mit Apocalyptica und Ville Valo ziemlich geil ("Bittersweet"). Das war sehr intensiv und hat auch großen Spaß gemacht. Ville ist einfach ein unglaublich netter Kerl, der genau dieselbe Reise hinter sich hat wie wir. Da kann man sich wunderbar stundenlang austauschen. Er weiß, wie es ist, wenn man hochgejubelt wird. Und er kennt das Gegenteil, genau wie wir. Es tut manchmal sehr gut, wenn man mit jemandem reden kann, der dich wirklich versteht.

Die Zeit rund um euer letztes Album "Rise" von 2022 soll nicht gerade die einfachste gewesen sein.

Nein. Damals steckten wir mitten in der Pandemie und die Band war auf alle Kontinente verstreut. Wir haben uns Files hin und her geschickt und die Kommunikation war echt schwierig. Hinzu kam, dass wir große Probleme mit unserem Ex-Gitarristen hatten, die dann irgendwann dazu führten, dass er die Band verließ und wir für ein paar Wochen quasi nicht mehr als Band präsent waren. Manchmal dauern solche Dinge einfach viel zu lange. Man sieht immer nur das Gute und man hofft, dass sich irgendwann alles wieder fügt. Aber so läuft das Leben nicht immer.

Diese Erkenntnis hat die Band beinahe zerstört. Zum Glück trafen wir dann unsere neue Gitarristin Emppu Suhonen, die uns mit ihrer Positivität wieder zurück ins Licht katapultierte. So haben wir "Rise" noch zu einem guten Ende gebracht. Und danach hat sich die Band neu aufgestellt, mit einem neuen Line-up und neuen Vibes. Das war überlebenswichtig. Jetzt blicken wir wieder nach vorne und können es kaum erwarten, mit den neuen Songs auf Tour zu gehen.

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