20. September 2017

"Wir haben eine neue Welt für uns entdeckt"

Interview geführt von

20 Jahre Triggerfinger und das neue Album "Colossus", da gibt es einiges zu besprechen. Wir trafen die belgischen Rocker zum Interview.

Für "Colossus" verpflichtete die Band hochkarätige Mitstreiter: Mitchell Froom, bekannt für seine Arbeiten mit Künstlern wie Los Lobos, Elvis Costello, Paul McCartney, Richard Thompson und Suzanne Vega, produzierte die Platte, gemixt wurde sie von Frooms ehemaligem Partner in Crime Chad Blake, ebenfalls einer der führenden Produzenten und Soundtüftler der 1990er Jahre. Wir sprachen mit Triggerfinger-Schlagzeuger Mario Goossens über die Arbeit an der Platte.

Seit eurem letzten Album "By Absence Of The Sun" sind drei Jahre vergangen. Erzähl doch mal, was ihr in der Zwischenzeit gemacht habt und wie die neue Platte entstanden ist.

Mario Goossens: Es ist viel passiert. Wir waren ständig auf Tour, haben an einem neuen Album gearbeitet, dann ging es wieder auf Tour. Ende 2016 haben wir beschlossen, eine Pause einzulegen, einfach um mal zu relaxen. Wir wollten zwar eine neue Platte machen, wussten aber, dass wir Zeit brauchen würden, neue Inspiration. Wenn du über Jahre dauernd auf Tournee bist, macht dich das schon müde.

Jeder in der Band kochte in der Zeit sein eigenes Süppchen, Ruben spielte ein paar Solo-Konzerte, Paul schrieb ein Buch und nahm eine Platte auf, ich produzierte andere Bands, schrieb Musik für einen Film. All das zusammen machte uns klar: Okay, wir haben neue Inspiration, jetzt wollen wir wieder was neues machen. Normalerweise ist es so, dass Ruben ein Demo aufnimmt und wir im Proberaum sofort festlegen, wie wir den Song spielen. Dieses Mal ließen wir es so offen wie möglich. Keine Einschränkungen, das war ganz wichtig. Ruben schrieb Songs und dann setzten wir uns alle dran. Wir haben diesmal Keyboards drauf, aber sehr subtil und durch mehrere Pedale gespielt, so dass es gar nicht wie ein Keyboard klingt.

Ihr konntet also nochmal ganz neue Seiten an der Band entdecken.

Oh ja! Wir haben einen neuen Weg gefunden, Songs zu schreiben. Man könnte auch sagen, wir haben eine neue Welt für uns entdeckt.

Einiges davon habt ihr in eurem Homestudio aufgenommen, ihr seid aber auch mit Mitchell Froom in dessen Studio in Santa Monica gegangen. Wie war die Zusammenarbeit mit Froom und die Zeit dort?

Zunächst hatten wir vier Songs, mit denen wir echt glücklich waren. Mitchell hat dann sofort auf unsere Mail reagiert und uns geschrieben, was er an den letzten Alben mochte. Wir waren begeistert und trafen ihn in Santa Monica, haben uns gemeinsam die Demos angehört. Er kam gleich mit ein kleinen Änderungen an: "Hier, spiel den Akkordwechsel mal so". Und wenn wir sagten, "Mitchell, das ist Bullshit", meinte er nur "Klar, das ist sicher die schlimmste Idee, die ich jemals hatte". Es tat gut, so offen reden und arbeiten zu können. Einfach den Prozess zu genießen.

Beim Songwriting hat er uns wirklich angetrieben. Ich weiß normalerweise immer, was ich im Studio will. Aber er pushte mich und zeigte mir immer wieder neue Facetten auf. Dabei fühlte man sich aber immer wohl und das macht einen guten Produzenten aus.

"Wir haben mit Chad nie gesprochen"

Da ist eine Menge Vertrauen im Spiel, wenn man sich so offen die Meinung sagen kann.

Absolut – das ist auch der Grund, warum wir für vier Tage nach Los Angeles geflogen sind. Mitch arbeitet nur ganz selten mit Bands, eher mit einzelnen Künstlern. Er sagte uns offen, dass er nicht sicher sei ob es funktioniert. Danach meinte er: "Oh Mann, das hatte ich bei einer Band nie. Ihr drei habt keine Egos, die euch im Weg stehen und zieht an einem Strang". Und so haben wir es gemacht. Wir kamen um elf Uhr vormittags zu ihm ins Studio, er machte uns allen Kaffee und dann arbeiten wir bis 18 Uhr. Er wollte nicht, dass wir im Studio essen und bis in die Nacht arbeiten. Zwölf bis sechs, das war effizient.

Hatte Kalifornien an sich Einfluss auf das Album, nachdem ihr ja Freizeit hattet?

Wir schauten uns Konzerte an – ich habe Primal Scream gesehen, Matt Chamberlain und andere auf einer Jamsession. Wir haben schon zum dritten oder vierten Mal in L.A. aufgenommen, wir wussten also wie es dort ist, aber im Grunde ging es vor allem um die Platte.

Klingt nach einem sehr erfrischenden Erlebnis für die Band.

Ja, es war erfrischend und es machte eine Menge Freude. Es gibt jede Menge guter Energie auf der Platte.

Und wie war die Zusammenarbeit mit Chad Blake, der ja auch ein extrem profilierter Produzent, Mixer und Engineer ist?

Wir sind große Fans von den Platten, die Mitchell mit Chad Blake in den 1990ern gemacht hat. Mitch wollte das anfangs nicht, weil er schon so viele Jahre mit Chad gearbeitet hatte. Chad ist auch schon lange nach Wales gezogen. Aber wir schickten ihm einfach die Files und sprachen via E-Mail. Er war toll. Er meinte noch vorab, dass er ein wenig Zeit brauchen würde, er arbeitete zu dieser Zeit an mehreren anderen Sachen. Nach zwei Wochen schickte er den ersten Mix – und der war wirklich gut. Wir sind sehr froh, jetzt tatsächlich Chad Blake und Mitchell Froom auf einer Platte zu haben. Das ist ein Traum.

"Manchmal ist es so einfach"

Weil du über Los Lobos sprachst: Steve Berlin spielt auf eurer Platte ja mit.

Ja. Wir haben Mitchell erzählt, dass wir ein spezielles Album mit Los Lobos mögen, und dass wir ein paar Saxophon-Samples auf den Demos hatten. Mitch rief Steve an, und der kam für einen ganzen Tag vorbei. Wir diskutierten auch, ob Los-Lobos-Gitarrist David Hidalgo ein paar Gitarren einspielen sollte – aber das passte nicht so wirklich.

Wie kams zum Titel "Colossus"?

Als wir mit den Demos begannen meinte Ruben: "Ich hab diesen Song und dieses Riff. Und das einzige, was ich darüber singen konnte war das Wort 'Colossus'. Weil es so kolossal klingt". Paul hatte die Idee, zwei Bässe einzuspielen – und es klang plötzlich richtig kolossal. So kam es zum Titel. Und irgendwie ist ja auch in jedem anderen Kontext anwendbar. Ich liebe diesen Titel. COLOSSUS!

Und einen weiteren Titel "Woolensack Wal" – Woolensack ist ja eine Audio-Firma.

Während den Aufnahmen schleppte unser Engineer dieses alte Woolensack-Aufnahmegerät an, das man in den 1960er Jahren verwendete, um Musik zu hören. Ein Zweispur-Rekorder mit einem Mikro, das schäbig und dreckig klingt. Wir haben es für Claps und andere Dinge benutzt. Uns kam die Idee, ein Instrumental auf die Platte zu bringen und während des Schreibens stand der alte Woolensack zwischen uns, also nannten wir das Lied so.

Nächstes Jahr feiert ihr euer zwanzigjähriges Jubiläum. Ist etwas geplant?

Nein, vielleicht machen wir was. Die neue Platte fühlt sich aber so frisch und aufregend an, dass wir einfach nicht das Gefühl haben, ein Jubiläum feiern zu müssen. Vielleicht machen wir auch erst in fünf Jahren was – zum 25. Jubiläum.

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