laut.de-Kritik
Progressive Urwald-Jam-Kompositionen.
Review von Manuel BergerIm Dezember 2016 veröffentlichte All Them Witches-Gitarrist Ben McLeod das Debüt seines Instrumental-Metal-Nebenprojekts Woodsplitter – ein größtenteils in Eigenregie verwirklichtes Studioprojekt. Zumindest was das angeht, eine gänzlich unterschiedliche Herangehensweise als bei seiner Hauptband: "Sleeping Through The War" ist ein Gemeinschaftsprojekt durch und durch. Und man hat beim Hören schon förmlich die zugehörige Live-Performance vor Augen.
Wesentlichen Anteil daran hat die superbe Produktion von Dave Cobb. Es mag unfassbar schwammig klingen, aber der beste Begriff, um den Klang der Platte zu beschreiben lautet: "natürlich". Beim ersten Song "Bulls" hat man das Gefühl, mitten im Urwald zu stehen und der zwischen den Bäumen aufgestellten Band beim Freiluftkonzert zuzugucken. Staunend blickt bzw. hört man sich um, entdeckt dort etwas zwischen den Farnen oder da etwas vorbeihuschen. Und nein, dafür braucht es keine 5.1-Surround-Anlage, dafür reichen bereits schnöde Laptop-Lautsprecher. Den dahingehenden Höhepunkt erreichen All Them Witches in "Alabaster", in dem Drummer Robby Staebler (von dem übrigens auch das farbenfrohe Artwork stammt) in der zweiten Hälfte die Congas auspackt. Es dauert zwar vielleicht eine Weile, Halt an dem monotonen Grundgewaber zu finden, dann allerdings besteht Suchtgefahr.
Obwohl die Kernelemente All Them Witches' auf gewohnte Psychedelic-Trademarks zu passen scheinen, merkt man bald, dass "Sleeping Through The War" (wie auch die Vorgänger) weit davon entfernt ist, das nächste zwar gut gemachte, aber auch irgendwie egale Retro-Album zu sein. Nostalgie-Gefühle bedient das Nashville-Quartett freilich ohne Frage. Trotzdem fehlt dabei die Originalität nicht. Wenn Ben McLeod seine Harmonien und Riffs fidelt, klingt das eben nicht nach Band XY, sondern marschiert eine eigene Route. Und die führt einmal quer durch Garagen- und Southern-Rock mit leichter Country-Note, 70s-Prog, aber eben auch Post-Rock.
Selten gehen All Them Witches in ihren Stücken den geraden Weg und vertrauen auf ein unverändertes Lead plus Riff und eine klare Struktur. Sie verbinden – man möchte fast sagen auf einzigartige Weise – fixe Komposition und Jam. Während die einzelnen Teile gerne mal ausufern und sich detailverliebt von Variation geprägt in alle Richtungen schlängeln, steht gleichzeitig doch stets das eine Element bereit, das im richtigen Moment alles wieder zusammenführt. Das ist in "Alabaster" ein fuzziges Stoner-Riff, das einerseits Kontrast zum chilligen Delay-Gewaber bietet, andererseits diesem aber auch dringend notwendige Grenzen und Guiding Lines aufzeigt.
In "Bulls" kommt der zentrale Part Robby Staebler zu, der sehr akzentuiert mit seinen Drums umgeht und damit Charles Michael Parks, Jrs Vocals in Szene setzt. Übrigens: Sollte Keith Richards auf der Suche nach einem Nachfolger sein: Parks is it! Der spielt zwar Bass statt Gitarre und singt, aber wen kümmerts. Mit seinem staubtrockenen Vortrag hat sich der All Them Witches-Fronter seinen Ehrenplatz in der Rock'n'Roll Hall of Coolness jetzt schon verdient. Keyboarder Allan van Cleave scheint ebenfalls seine Bewerbung einreichen zu wollen: mit den "Sympathy For The Devil"-Gedächtnisvorstößen in "Bruce Lee" dürfte er ziemlich gute Chancen haben.
Zurück zu Parks: Wenn er in "Don't Bring Me Coffee" sagt, wo es langgeht, wagt man bestimmt nicht, zu widersprechen – obwohl er dabei eher Laid-back-Attitüde ausstrahlt, statt herrische Dominanz: "Ain't nobody gonna tell me how to run my town." Wie schon gesagt: All Them Witches ziehen ihren Stiefel durch. Da Parks stets auf das bereits erwähnte Zielpassspiel seiner Kameraden vertrauen kann, muss er sich nicht einmal aus seiner Komfortzone herausbewegen. Die beherrscht er allerdings. Größtenteils verharrt er in einer Grauzone zwischen Sprechgesang und Singsang. Oft reicht schon ein marginales Anheben der Stimme, um in Kombination mit den Instrumenten einen Stimmungswechsel einzuläuten. Dabei zaubert der Sänger Lines à la "I'm married to my boredom" aus dem Hut oder bietet lakonische Realitätsflucht im Übersong "Internet": "If you're asking me / I got one thing to say / If I can't live here / Guess I'll go live on the internet."
Mit "Internet" und einer von Mickey Raphael nicht zum Gimmick degradierten Mundharmonika schließen All Them Witches "Sleeping Through The War" ab. Mit den letzten Tönen wird einem dann auch klar, wie zutreffend der Albumtitel doch ist: Hiermit könnte man wirklich einen Krieg ignorieren. Bei diesem Detailreichtum hat man nun wirklich keine Zeit, sich um Bombenhagel und Hungersnot zu sorgen.
2 Kommentare mit 6 Antworten
Uuii All Them Witches, vielleicht holt laut.de endlich im Stoner Bereich einiges nach (Samsara Blues Experiement, Colour Haze, My Sleeping Karma, Electric Wizard, 1000mods, Stoned Jesus und einige andere wurden und werden nach wie vor ja gekonnt ignoriert)
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
dafür ist die personaldecke leider zu dünn, da der neueste klatsch und tratsch aus dem hause metallica hier seit eh und je oberste priorität genießt. da hat dann alles andere verständlicherweise hinten für anzustehen.
und ich behaupte auch mal, dass sich die gesamte metalaffine leserschaft gerne im verzicht übt, wenn man dafür im gegenzug stets über die aktuellen auswüchse von lars ulrichs prosstatafurunkel auf dem laufenden gehalten wird.
Da wird in nächster Zeit einiges abgearbeitet - auch das überfällige Sleep-Porträt kommt in dem Rutsch mit.
Immerhin hat sich Om ja schon die völlig verdienten 5 Sterne abgeholt
Kommt dann auch der "Come My Fanatics" Meilenstein?
Bin ja eher für "Dopethrone" bei Electric Wizard Wenn Sleep n Porträt bekommt, gibts dann auch sicher den Meilenstein für "Holy Mountain"
tolles Album, weniger Gekniddel als sonst,strukturiertere Songs