laut.de-Biographie
Alpha Blondy
"Ich bin nicht im Besitz der absoluten Wahrheit, aber ich versuche, den Menschen mit meinen Liedern Hoffnung zu geben", erklärt Alpha Blondy im Interview mit Reggae United seine Motivation. "Mein Weg, um gegen den Krieg und für den Frieden zu kämpfen, führt über die Musik."
Man muss nicht allzu tief schürfen, um zu merken: Diesem Mann geht es um mehr als nur darum, nette Liedchen zu singen. Seine Musik und sein Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit machen Alpha Blondy weit über die Grenzen seines Heimatlandes Elfenbeinküste hinaus bekannt. Dabei hätte, wäre es nach seiner Familie gegangen, eigentlich ein Englischlehrer aus ihm werden sollen.
Seykou Koné kommt am 20. April 1953 in Dimbokro zur Welt. Als ältester Sohn der vielköpfigen Familie trägt er den Namen seines Großvaters. Seine Kindheit verbringt Seykou in der Obhut seiner Großmutter. "Sie hat mir beigebracht, jedem Liebe entgegen zu bringen."
Geschichten, denen zufolge er seinen späteren Bühnennamen wenigstens zum Teil seiner Oma verdankt - sie soll den rebellischen Enkel 'blondy', ihre Version von 'bandit' gerufen haben - verweist Alpha Blondy aber ins Land der Legenden.
Mit neun Jahren zieht Seykou zu seinem Vater nach Odienné. Hier besucht er die High School, knüpft Kontakte zur Studentenbewegung und gründet seine erste Band, Atomic Vibrations. Unter dem musikalischen Engagement leidet jedoch alles andere. Nach einem Schulverweis verfrachten seine Eltern Seykou 1973 ins benachbarte Liberia.
Englisch wählt er zu seinem Hauptfach. Um seine sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern, zieht Seykou Mitte der 70er in die USA. Er landet in New York City, wo er unter anderem mit der Rastafari-Kultur in Berührung kommt. Als Spross einer muslimischen Mutter und eines christlichen Vaters findet er auch in dieser Religion Dinge, die ihn ansprechen.
Immer wieder ruft er später zu Eintracht unter den Glaubensrichtungen auf: "Gott hat das Universum für die Menschen geschaffen, und den Menschen nach seinem Bilde. Wen man also betet, sollte man zuallererst einmal den Menschen respektieren. ... Jesus, Allah, Jah, du kannst ihn nennen, wie du willst. Es gibt nur einen Gott."
Doch auch mit Beistand von oben läuft nicht alles reibungslos. Seykou tritt in New York in Parks und kleinen Bars auf. Ein jamaikanischer Produzent hört ihn und nimmt ein Demo mit ihm auf. Blöd nur, dass er sich mit den Bändern absetzt und nie mehr gesehen ward.
Seykou möchte nach Hause zurück. Doch auch dabei gibt es Schwierigkeiten. Zwischen ihm und einem Mitarbeiter der Botschaft der Elfenbeinküste kommt es zu Handgreiflichkeiten, nachdem der Diplomat nicht glauben will, es mit einem Landsmann zu tun zu haben - sein Englisch sei zu gut.
Seykou wird festgenommen und prügelt sich auf der Wache gleich noch mit einem Polizisten - der allerdings zuerst zugeschlagen haben soll. So oder so: Der Vorfall trägt ihm eine Woche Haft und die Überstellung in eine psychiatrische Klinik ein, letztere immerhin da, wo er hinwollte: in seinem Heimatland.
Erst, als er einen Freund aus Kindertagen wiedertrifft, glätten sich die Wogen. Fulgence Kassy, inzwischen erfolgreicher Fernsehproduzent, verschafft ihm erste TV-Auftritte und bringt damit seine Karriere als Sänger ins Rollen. Seykou Koné wählt den Namen Alpha Blondy.
1982 nimmt er sein erstes Soloalbum auf. Insbesondere die Nummer "Brigardier Sabari" findet Beachtung: Nie zuvor wagte ein westafrikanischer Künstler derart unverblümt, herrschende Polizeigewalt und -willkür anzuprangern. Alpha Blondy hat beides am eigenen Leib erfahren.
Aufgewachsen mit afrikanischer Musik, aber auch beeinflusst von westlichen Einflüssen, Rock und Soul, hinterlässt doch besonders einer bleibenden Eindruck: Bob Marley. "Er war der erste schwarze Superstar, der erste, der es aus dem Ghetto heraus zum Superstar gebracht hat. Normalerweise siehst du keine Leute aus dem Ghetto im Fernsehen."
Der Titel "der Bob Marley Afrikas": für Alpha Blondy also quasi ein Ritterschlag. Er selbst bezeichnet sich als "African Rasta", fusioniert afrikanische Musik mit Reggae, erweitert aber dabei ständig das Klangspektrum.
Um möglichst viele Menschen zu erreichen, bedient er sich einer nahezu babylonischen Sprachenvielfalt: Alpha Blondy singt in seiner Muttersprache Dioula, auf Französisch und Englisch, Arabisch, Hebräisch und einer ganzen Reihe weiterer afrikanischer Idiome.
Alpha Blondy tourt zusammen mit seiner Band Solar System nahezu ununterbrochen. Er lebt und arbeitet in Paris, auf Jamaika zusammen mit den Wailers, und veröffentlicht ein Album nach dem anderen.
1993 erhält er die Quittung für den rastlosen Lebensstil: Ausgebrannt verfällt er in eine tiefe Depression, aus der er erst mit professioneller Hilfe wieder herausfindet. "Gott hat mir geholfen", erinnert er sich an diese Zeit seines Lebens. Danach klingen seine Songs noch spiritueller, religiöser.
Ende der 90er gründet Alpha Blondy, inzwischen längst in den Status eines internationalen Reggae-Superstars aufgestiegen, sein eigenes Label. Für sein Album "Merci" wird er 2003 für einen Grammy nominiert.
Neben die Musik stellt Alpha Blondy stets sein politisches und soziales Engagement. 2005 ernennen ihn die Vereinten Nationen deswegen zum Friedensbotschafter für die Elfenbeinküste - ein Amt, das Alpha Blondy überaus ernst nimmt. Erst nachdem 2007 halbwegs Ruhe in seinem Land eingekehrt ist, wendet er sich anderen Aufgaben zu, widmet sich nun besonders benachteiligten Kindern.
Mit seinem Album "Mystic Power" öffnet er sich 2013 noch weiter. "Ich wollte den Rock-Aspekt wieder etwas mehr in den Vordergrund stellen." Daneben veröffentlicht er seine französische Fassung von Bob Marleys "I Shot The Sheriff" und steckt sogar Chansons in ein Reggae-Gewand.
Beschränkungen? Nix für Alpha Blondy: "Mich ärgert es immer, wenn Leute ihre Reggae-Message aufs Ganja-Rauchen reduzieren. Reggae kann der Jugend so viel mehr geben. Mit Drogen wie Marijuana stellt man die Armen im Ghetto doch nur ruhig. Merkt euch: Reggae ist mehr als nur Protest. Reggae bedeutet Hoffnung, Liebe und Spiritualität."
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