laut.de-Kritik

Facettenreiches Porträt eines vielseitig begabten Mannes.

Review von

Best-Ofs sind eine tückische Angelegenheit. "Wozu?", fragen die eingefleischten Fans. "Abzocke!", maulen die Kritiker. Doch in Zeiten, in denen immer noch selbst dem Reggae nicht vollständig abgeneigte Zeitgenossen bei der Nennung des Namens Alpha Blondy verständnislos gucken, scheint es tatsächlich höchste Zeit, der Welt das Schaffen einer der Größen des Genres einmal in kompakter Form vor Augen und Ohren zu führen.

Sein "Best Of" liefert tatsächlich kaum Ansatzpunkte für Mäkeleien. Verpackt in ein liebevoll gestaltetes Klappcover fährt die Doppel-CD samt vergleichsweise üppigem Booklet von kundiger Hand gepickte Perlen aus Alpha Blondys umfangreichen Werk auf. Die Zusammenstellung zeigt einen ziemlich repräsentativen Querschnitt durch seine Diskografie, lässt keine wesentliche Station aus.

"Brigardier Sabari" etwa zählt zu den Grundsteinen, auf denen Alpha Blondys Erfolg fußt. Er erzählt darin von den Erfahrungen mit Polizeigewalt und Behördenwillkür, die er einst am eigenen Leib erleben musste. Solches bricht einen Menschen entweder, oder es legt die Saat, aus der ein rebellischer, kritischer Geist keimt.

Seinen Ruf als "Bob Marley Afrikas" hat Alpha Blondy nicht nur deswegen weg, weil er dessen "I Shot The Sheriff" ins Französische transferierte. Auch er hat sich der rebel music verschrieben, schaut genau hin, nennt Missstände beim Namen, predigt gegen babylonische Umtriebe wie Korruption, Hass und Gewalt an und hält flammende Plädoyers für den Frieden, nicht nur im vom Bürgerkrieg zerrissenen Liberia.

Aus "American Dream" tönt neben der eigenen Enttäuschung und den drückenden Bläsern ebenfalls harsche Kritik: "I'm goin' back home to Africa", verabschiedet sich Alpha Blondy hier desillusioniert vom vermeintlichen land of the free, nachdem sich der "American Dream" doch als ziemlicher "nightmare" entpuppt hatte. Sozialkritischen Protestsongs stehen dann aber wieder zärtliche Lovetunes gegenüber.

Klassischer Reggae legt mit groovenden Basslinien allzeit das solide Fundament. Dazu gesellen sich aber die verschiedensten Einflüsse. Von afrikanischer Percussion über orientalische Elemente zur einen oder anderen deutlich westlich geprägten E-Gitarre darf alles mit, klingt es auch noch so abseitig. In "Wish You Were Here" (ja, genau: Pink Floyds "Wish You Were Here") meint man zwischendurch, einen Dudelsack zu vernehmen, während "Sweet Fanta Diallo" sogar einen Hauch Oktoberfest-Gemütlichkeit gebiert. Pumpt da wirklich eine Tuba?

Die musikalische wie thematische Vielfalt offenbart und spiegelt das umfangreiche Spektrum eines wahrhaft vielseitig interessierten und begabten Mannes. Wie breit Alpha Blondy in jeder Hinsicht aufgestellt ist, zeigt sich allein schon in der Menge der Sprachen, derer er sich bedient: Seine Texte wechseln zwischen Französisch und Englisch. Zudem kommen afrikanische Zungen ins Spiel, ein wenig Arabisch wohl auch. Sobald es um den Schmelztigel "Jerusalem" oder um "Masada" geht, beides an Symbolträchtigkeit für das jüdische Selbstverständnis kaum zu überbietende Stätten, wechselt er, nur folgerichtig, ins Hebräische.

Die Zahl der Featuregäste in dieser Werkschau bleibt bescheiden: Lediglich in der Kooperation mit Beenie Man ("Hope") und die bisher unveröffentlichte Nummer "Young Guns" mit UB 40 bekommt Alpha Blondy Unterstützung von außerhalb. Ansonsten genügt vollauf seine eigene Präsenz - und natürlich die untadelige Rückendeckung, die versierte Bandmusiker und zauberhafte Background-Ladys bieten.

Bleibt nur die Frage nach dem "Wozu?". Ja, Mensch! Wer Alpha Blondy seit Jahrzehnten verfolgt und schon alles kennt, braucht ein Best-Of natürlich so dringend wie eine zweite Nase. Wer gar nichts mit Reggae anfangen kann, den wird auch diese Platte schwerlich bekehren. Alle anderen dürfen sich damit aber ausgesprochen gut bedient fühlen.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Jerusalem
  2. 2. Brigardier Sabari
  3. 3. Seba Allah Y'e
  4. 4. Cocody Rock
  5. 5. Sweet Fanta Diallo
  6. 6. Travailler C'est Trop Dur
  7. 7. Multipartisme (Médiocratie)
  8. 8. Masada
  9. 9. Peace In Liberia
  10. 10. Rasta Poue
  11. 11. Boulevard De La Mort

CD 2

  1. 1. Crime Soirituel
  2. 2. Politiqui
  3. 3. Ca Me Fait Si Mal
  4. 4. Hope feat. Beenie Man
  5. 5. Les Chiens
  6. 6. Afriki
  7. 7. Rasta Bourgeois
  8. 8. J'Ai Tué Le Commissaire
  9. 9. American Dream
  10. 10. Young Guns feat. UB 40
  11. 11. Wish You Were Here

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