laut.de-Kritik
Afrikas Rasta-Pionier liefert Spielfreude und inhaltliche Tiefe.
Review von Philipp KauseThemen wie AIDS, Apartheid, Faschismus, Polizeigewalt und wirtschaftspolitische Entwicklungen im Staat Elfenbeinküste prägten schon früh Alpha Blondy Song-Klassiker. Kurz nachdem der westafrikanische Sänger, Texter und Komponist 1982 loslegte, machte er sich mit Liedern einen Namen, die eine Message haben: Sanfte Reggae-Grooves zu schneidend scharfen Formulierungen, präsentiert im damals modernen Gewand des Afropop.
An der Rezeptur von Afrikas Rasta-Pionier änderte sich bis zum heutigen Tag wenig. Seine 18. Studio-LP "Rise" stellt sich nun in die Tradition der Vorgänger-Scheiben, nur dass die Botschaften an mancher Stelle plakativer wirken und in einigen Tracks jaulend dröhnende E-Gitarren die liebliche Stimmung zersäbeln. "Tu Recolteras Ce Que Tu As Sémé" (du wirst ernten, was du säst), "Je Ne Sais Rien" und "Cold Fire ft. Capleton" sind solche Starkstrom-Tunes.
Das grundsätzliche Muster besteht aus Synthesizern, die sich manchmal wie Kirmesorgeln oder Akkordeon anhören, etwa polyphone Roland-Geräte, die in den Achtzigern in Mode waren. Dazu Call-and-Response-Wechselspiel zwischen dem Alphatier - bürgerlich Seydou Koné - und seinen spitzenmäßigen Background-Sängerinnen, ein bisschen Wah-Wah-Guitar-Bratzeln und weiche, teils klagende, teils mantraartige Lead-Vocals.
Man wechselt zwischen Französisch ("Je Ne Suis Pas Faché", Dioula ("Ayé Taga"), Englisch ("Cold Fire ft. Capleton") und ein paar Zeilen auf Wolof. Das Schlüsselwort jedoch ist auf Spanisch und lautet "viva": "Viva viva Africa! Peace and love in Africa / la meilleure guarantie / African children unite! Réveillez-toi!" heißt es im bunten Sprachen-Mix von "Ayoka ft. Didi B, Soum Bill, Roseline Lago". Gleichwohl der Song einige Gaststimmen auffährt, die bis zur Hip Hop-Einlage voran schreiten, steht der Name Alpha Blondy sowieso seit jeher für mehr als nur den Frontmann, sondern auch für seine stets exzellente Band The Solar System!
Blondy begeisterte in den späten 80ern und frühen 90ern so manchen Musikfan in Afrika und Europa für Reggae als Genre, aber auch Ausdrucksform, Kultur und Wertegemeinschaft. Fragt man bei den wenigen Boomern nach, die sich heute noch auf die Reggae-Festivals trauen, leuchten beim Stichwort Alpha Blondy die Augen. Wie früher, so treffen auch heute unendliche Spielfreude, Melodiösität, gute Stimmen, gute Stimmung und eine traumwandlerische Routine aufeinander, die es in Summe leicht machen, "Rise" zu hören. Die Band erlaubt sich keinen Aussetzer, kein Füllmaterial, und ein Stück wie "Corruption" zeigt: Hier geht es wirklich um etwas.
"Corruption" basiert auf drei Standbeinen, Funkrock, Ska-Jazz und Pop-Reggae und lässt im Text geschmeidig Fachbegriffe aus der politischen Systemanalyse fallen. Dass manche Nummern wie "Djigui" oder "Le Cri Du Silence" in Gestus und Temperament still und sehr ruhig verlaufen, lullt dagegen ein und lässt die Musik zu beiläufig erscheinen, seit jeher mein Kritikpunkt an Alpha Blondy. Allerdings zeigen sich solche Phasen hier erheblich seltener als auf den meisten bisherigen Scheiben des Künstlers. "Rise" hat das Potenzial wachzurütteln: "Révolte-Toi Africa" taugt astrein zum Mitsingen.
Neben Tiken Jah Fakoly etablierten sich Alpha Blondy And The Solar System als prominente internationale Vertreter der Musik der Elfenbeinküste. Nach Serge Gainsbourg und den senegalesischen Kollegen Touré Kunda war Alpha Blondy einer der ersten, der Reggae auf Französisch machte. Wenn er nun vieles von dem fortsetzt, was er schon immer getan hat, mutet das zwar nicht innovativ an, aber: Wer diese Mischung erfunden hat, darf sie gerne wieder aufwärmen.
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