laut.de-Biographie
Alphaville
Ja, es gibt sie noch und es hat sie immer gegeben. Wer kennt nicht "Forever Young", mittlerweile verhunzt von etlichen Ich-Will-Auch-Mal-In-Die-Charts-Hüpfern? Mit einer eingeschworenen, weltweiten (!) Fangemeinde kann nicht jede deutsche Band prahlen, und trotz einiger Besetzungswechsel geht es immer weiter mit der 80er-Synthieband.
Angefangen hat alles in Münster. Alphaville, damals Marian Gold, Bernd Lloyd und Frank Mertens, tauchen 1984 mit ihrer ersten Single "Big In Japan" auf und werden damit nicht nur big in Deutschland, sondern auch international. Ihr Debütalbum "Forever Young" wächst sich zum phänomenalen Erfolg aus.
Die Übersiedlung nach Berlin war zu jenen Zeiten ein Muss, um in einer 'angebrachteren Umgebung' musikalisch experimentieren zu können. Kurz vor der Veröffentlichung ihres zweiten Albums will Frank Mertens nicht mehr. Ricky Echolette nimmt seinen Platz ein. Die letzte Singleauskopplung aus "Forever Young" - "Jet Set" spielt Rick schon mit ein.
1986 erscheint das zweite Album "Afternoons In Utopia". Ganz anders als auf dem ersten Werk, lassen Alphaville nun mehr Rock zu. Drei Jahre später, 1989, ist ihr Stil mit "The Breathtaking Blue" zu einem gelungenen Zusammenspiel von verschiedensten Musikstilen herangereift: Pop, Rock, Jazz und Klassik fügen sich zu einer Einheit, und die Liebe der Combo zum Experiment im Studio ist weiterhin unverkennbar. Nach dem Soloalbum "So Long Celeste" des Sängers Gold erscheint 1994 das vierte Album namens "Prostitute", das fast elegisch eine Läuterung von Hass zu Hoffnung durchlebt.
So wie es sich für eine Studioband gehört, gehen Alphaville bis 1995 nie auf Tour. Doch dann packt sie wohl der Ehrgeiz, die Perfektion des Studios auch auf die Bühne zu verlagern und so touren sie durch Europa, Südamerika, Asien und den mittleren Osten.
1996 will es Gold nochmal wissen und bringt sein zweites Soloalbum "United" heraus. Aber ohne die Band läuft nix, und ein Jahr später erscheint "Salvation". Allerdings sind Alphaville seit Anfang '97 nur noch ein Duo: Ricky steigt aus, weil er lieber in Südfrankreich leben will.
Anfang 1999 erscheint "Dreamscapes", eine acht CDs umfassende Anthologie als Boxset mit fettem Booklet, das die drei auf ihrem eigenen Label verwirklichten. Einhundertfünfundzwanzig bisher unveröffentlichte Titel aus den letzten zwanzig Jahren, das macht zusammen neuneinhalb Stunden Musik. Mutig.
Auch das Internet hat es Alphaville angetan: Die Nummer neun von "Dreamscapes" gibts zunächst nur auf alphaville.de. Songs, die spontan entstehen, vielleicht oder auch nicht zu echten Songs werden. Jeden Monat neu.
Im Jahr 2001 erscheint eine Remix-Platte der größten Hits. "Forever Pop" schneidert neue Kleider für die alten Songs, die überraschend gut sitzen.
Die folgende "Dreamscapes"-Auflage "Crazyshow" vertreiben Alphaville ausschließlich über ihre Website. Zur gleichen Zeit verkündet Bernhard seinen Ausstieg.
Doch Gold hat noch lange nicht genug von seiner Leidenschaft und schließt 2010 tatsächlich noch einmal einen Plattenvertrag mit einem großen Label ab. Mit "Catching Rays On Giant" und dem 2017 erscheinenden "Strange Attractor" erreicht er nun wieder mehr Menschen als mit den Fan-Veröffentlichungen der vergangenen Jahre, wohl nicht zuletzt dank des überbordenden Stilmixes, den er auf "Strange Attractor" vorlegt.
Alphaville im neuen Jahrtausend speist sich aus eigener Tradition, noch älteren Vorbildern wie Pink Floyd, ABBA und Funk-Spirit, aber leugnet auch aktuelle Entwicklungen der Musikszene nicht. "Dabei dachte ich, dass ich gar nicht mehr weiß, wie das geht, einen Pop-Song zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass die Entwicklung der Pop-Musik wie ein Expresszug an mir vorbeigerast ist."
Das heißt jedoch nicht, dass es keine Neuerungen gäbe. Einige sind technologischer Art. So enthält die DVD-Beilage zum Album "Catching Rays On Giant" eine 3D-Brille zum effektvollen Betrachten einer Doku auf der Scheibe. Seit 2022 podcastet Marian Gold, an der Seite seiner 1998 geborenen, ältesten Tochter Lily.
2014 stirbt Keyboarder Martin Lister im Alter von nur 52 Jahren, sein Nachfolger wird Carsten Brocker aus Kassel. Marian soll ihn laut Alphaville-Fanforum gut fünf Jahre zuvor unterwegs in einem Flugzeug kennen gelernt. Neue Bassistin wird ab "Strange Attractor" Alexandra Merl, gelernte Fluggeräteelektrikerin aus Manching bei Ingolstadt. Sie tritt gerne mit einer knallroten Bassgitarre auf.
Schließlich remastert die Plattenfirma Warner die ersten drei Alben neu und veröffentlicht sie mitsamt Demo-Versionen, Remixes und Twelve Inch-Versionen als Deluxe-Box-Sets. Bernhards Expertise ist fürs Durchforsten und Kommentieren der alten Tonbänder nochmal gefragt. 2021 connectet sich Marian mit Schiller als Schiller x Alphaville. Doch auch Klassik wird ein Thema. Für "Eternally Yours" (2022) spielt das Filmorchester Babelsberg viele Highlights aus dem Katalog mit Marians Stimme neu ein.
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