laut.de-Kritik
Midnight Oil treffen auf ABBA und die Scorpions.
Review von Josef GasteigerBrandon Boyd und Klaus Meine. Jewel, Abba und Biz Markie. Rise Against und Madonna. Hanson und Fugazi. Und das alles auf einer Scheibe. Es klingt wie der schräge Fiebertraum eines wahnwitzigen Musikproduzenten. Es ist das Cover-Album von Awolnation. Wie zusammengewürfelt kann ein Musikgeschmack sein? Antwort: Ja!
Zu verdanken haben wir das alles Aaron Bruno. Einem Popkind der 80er, das eine Hardcore-Erziehung in den 90ern durchlebte und mit einer gesalzenen Indiepop-Prise die Nullerjahre durchpflügte, bis all das seit 2010 in einer einzigen Verquickung aller bisherigen Einflüsse in eine großartige Electro/Rock/Pop-Mischkulanz namens Awolnation aufging. Warum er mit Ohrwürmern genauso herum wirft wie mit Mosh-Breakdowns – und das meist innerhalb eines Songs – liegt wohl an der großen Bandbreite von Brunos Einflüssen.
Und da der erste Lockdown 2020 den üblichen Aktivitätszyklus seines letzten Albums abgeschossen hat, erkannte der Mastermind die Gunst der Stunde und bastelte eine ganze Platte voller Cover-Songs zusammen. Musik, die ihn an eine bessere, einfachere Zeit erinnern sollte, als links und rechts die Türen, Grenzen und Atemwege geschlossen und bedeckt wurden.
Midnight Oil, Alan Parsons Project, Abba, Madonna, der Titelsong von "Flashdance", The Cars, die Scorpions – Musik aus den formativen Jahren des Musikers steht hier an der Tagesordnung. Der "frischeste" Song zählt schon 25 Jahresringe auf der Platte: "Flagpole Sitta" von Harvey Danger, ein One Hit Wonder, bekannt aus Filmen wie "American Pie".
Die Awolnation-Version von "Flagpole Sitta" ist auch jener Track, der am ehesten das macht, was man musikalisch von Aaron Bruno in den letzten zehn Jahren erwarten konnte: zu überraschen. Geschwindigkeit ordentlich gedrosselt und ein moodiger Vibe der Rapperin Elohim schält die depressiven Lyrics aus der stampfenden Uptempo-Fassade des Originals vortrefflich heraus und entlockt dem Song eine neue Perspektive.
Allerdings beendet er damit die Erkundungen von neuen Song-Paralleluniversen wieder. Bei den restlichen Stücken bleibt Bruno musikalisch sehr störrisch an den durchwegs starken Originalen. Vermutlich holte der Multi-Instrumentalist sich daher für zehn von elf Songs auch hochprofilierte Gäste zu sich ans Mikro, um diesen fast ehrfürchtig nahe am Original interpretierten Songs noch eine besondere Würze zu geben.
Gastkünstler wie Beck, Jewel, Brandon Boyd, Tim McIlrath & Portugal. The Man sind hallenfüllende Namen jenseits aller Ozeane. Mit Nothing But Thieves, Midland, Grouplove, Hyro The Hero und der besagten Elohim sind noch weniger profilierte Acts mit von der Partie. Den wirklichen popkulturellen Vogel schießt Bruno aber mit der Rekrutierung von Taylor Hanson ab. "MMMBop" anybody? Dass der eine perfekte Madonna-Ehrerbietung zelebriert und zu den stärksten Gastauftritten gehört, passt wie der Hacky Sack auf das Skateboard.
Anderen Gäste ergeht es nicht so gut. Im Midnight Oil Klassiker "Beds Are Burning" bleibt Rise Against-Fronter Tim McIlrath kaum distinguierbar von Aarons Shouts. Ebenso versinkt Becks Auftritt auf "Eye In The Sky" von Alan Parsons Project im Hall und hinterlässt kaum emotionale Spuren. Mehr Spaß hatte hörbar Jewel an einer bouncing Version von "Take A Chance On Me", die trotz einem schmunzelnden Acapella-Intro doch noch zur Stärke findet.
Wenn er den Achtzigern lupenreine Huldigung erbringt, greifen auch die Versionen: "Material Girl" und "Maniac" machen Spaß, rücken die Ohrwürmer-züchtenden Hooks mit lauterer musikalischer Umrahmung zurück und geben den Gästen auch entsprechend hörbaren Raum.
Biz Markies Ode an die vorgetäuschte Friendzone "Just A Friend" lässt den jungen Rapper Hyro The Hero die Geschichte erzählen, während Aaron sich den "Oh baby / You / You got what I need" Refrain nicht nehmen lässt.
Bis dahin hat der Musikliebhaber schon "Kein Song ist mir zu peinlich" mit Edding auf die Stirn der Zuhörer geschrieben. Er pfeift auch weiterhin und sprichwörtlich drauf, mit einer viel zu kitschigen Version von "Wind Of Change". Durch einen terminlichen Zufall lassen sowohl Brandon Boyd als auch die Herren von Portugal. The Man ihre Stimme erklingen, was das Ganze noch absurder macht. "Powerballaden kannst du sowieso nie ganz ernst nehmen", erzählte uns Bruno dazu im Interview. Nun gut, du alte Kitschnase.
Ein Awol-typischer Stilwechsel folgt von den Scorpions auf Fugazis "Waiting Room", die so ziemlich das 180 Grad Gegenteil von Stadionrock darstellten. Mit den spielfreudigen Grouplove sägt der Refrain des Post-Hardcore-Meilensteins ordentlich, auch wenn der zu gefestigte Metronom-Rhythmus das organisch Tänzelnde des Originals platt haut.
Beim The Cars Radio-Evergreen "Drive" spart Aaron sich einen Gast und reizt den eigenen Stimmumfang bis in die höheren Stimmlagen passioniert aus, bevor dann mit "Alone Again" von Gilbert O’Sullivan ein weiterer Abstecher in die Siebziger das Album beschließt.
"My Echo, My Shadow, My Covers and Me" lässt einen etwas ratlos zurück. Dann gesellt sich dazu das Gefühl, dass hier mehr drin gewesen wäre. Der übliche wahnwitzige Genre-Smoothie, den man von Aaron Bruno gewöhnt ist, endet hier an der Track- und Gästeliste. Dem Kalifornier, der sämtliche Musik allein eingespielt und produziert hat, merkt man den Spaß an den Covern durchaus an. Er hätte sich gerne in den Songs noch mehr austoben dürfen.
1 Kommentar mit 3 Antworten
"Midnight Oil treffen auf ABBA und die Scorpions"
Die Kombo dreier wohlplatzierter Treffer in die Magengrube, die jedem Menschen mit nem anhaftenden Anflug von Stilbewusststein im persönlichen Musikgeschmack (und sei es nur als Vermächtnis einer vergangenen Liebesbeziehung) jeden Restfitzel Interesse an dieser Band aus dem Leib prügeln und direkt vor die eigenen Füße kotzen lassen sollte.
Hast du die Rezension gelesen oder nur die Überschrift? Oder gar in die Platte reingehört?
Wäre er noch am leben, wenn er reingehört hätte? Oder am cringe gestorben?
Pseudologe = unlustiger Troll